Auslegung eines notariellen gemeinschaftlichen Testaments
Das Kammergericht (KG) hatte in seinem Beschluss vom 10. September 2024 (19 W 44/24) über die Auslegung eines notariellen gemeinschaftlichen Testaments zu entscheiden.
Im Mittelpunkt stand die Frage, ob eine im Testament enthaltene Verfügungsbeschränkung für den Längstlebenden eine Vor- und Nacherbschaft
begründet oder lediglich die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments nach §§ 2270 ff. BGB betrifft.
Die Beteiligte zu 1 ist die Witwe, der Beteiligte zu 2 der Sohn des Erblassers.
Der Beteiligte zu 2 wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wedding (AG), der die Witwe als Alleinerbin des Erblassers ausweist.
Das AG hatte das notarielle Ehegattentestament dahingehend ausgelegt, dass die Witwe uneingeschränkte Erbin ist und nicht nur Vorerbin.
Das KG wies die Beschwerde des Sohnes zurück und bestätigte die Entscheidung des AG.
Das Gericht stellte fest, dass die Witwe uneingeschränkte Alleinerbin des Erblassers ist.
Das KG betonte, dass der Wortlaut des Testaments an mehreren Stellen eindeutig darauf hindeutet, dass die Witwe als Alleinerbin und nicht als Vorerbin eingesetzt wurde.
Die ausdrückliche Bezeichnung der Erben des Längstlebenden als „Schlusserben“ in einem notariellen Testament spreche gegen die Annahme einer Nacherbschaft.
Die im Testament enthaltene Verfügungsbeschränkung, wonach die Witwe nur dann frei über das geerbte Vermögen verfügen darf, wenn die Schlusserben den Pflichtteil verlangen,
ließ laut KG offen, ob sie sich auf Verfügungen „unter Lebenden“ oder „von Todes wegen“ bezieht.
Da der Inhalt einer etwaigen Verfügungsbeschränkung „unter Lebenden“ nicht näher bestimmt war, hielt das KG es für naheliegend,
dass sich die Regelung lediglich auf die Verfügungsbefugnis „von Todes wegen“ bezieht und damit die Bindungswirkung des Ehegattentestaments nach §§ 2270 ff. BGB betrifft.
Es wurde angenommen, dass die Beschränkung, dass der Längstlebende nur frei verfügen darf, wenn die Schlusserben den Pflichtteil fordern, lediglich eine Strafklausel für das Verlangen des Pflichtteils darstellt.
Etwaige Verstöße gegen § 11 BeurkG (Beurkundungsgesetz) führen laut KG nicht zur Unwirksamkeit des Testaments, da es sich dabei lediglich um eine Soll-Vorschrift handelt.
Die Aussage des beurkundenden Notars, dass die Eheleute keine Vor- und Nacherbschaft gewünscht hätten, wurde bei der Auslegung berücksichtigt.
Das KG sah keine Anhaltspunkte für eine Vor- und Nacherbschaft.
Das Gericht wies darauf hin, dass die von dem Sohn angeführten Argumente, wie die Herkunft des Vermögens und angebliche Mängel im Beurkundungsverfahren, nicht zu einer anderen Auslegung führen.
Die persönlichen Beziehungen des Erblassers zum Sohn sind für das Gericht unerheblich, da die Auslegung des Testaments zu einem eindeutigen Ergebnis führt.
Das KG entschied, dass die Witwe aufgrund des notariellen gemeinschaftlichen Testaments Alleinerbin des Erblassers ist.
Die im Testament enthaltene Verfügungsbeschränkung betrifft lediglich die Bindungswirkung des Testaments und begründet keine Vor- und Nacherbschaft.
Mängel im Beurkundungsverfahren führen nicht zur Unwirksamkeit des Testaments.
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