Auslegung eines Testaments – Ersatzerbeinsetzung der Abkömmlinge bedachter Geschwister – Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 08. August 2003 – 1Z BR 16/03
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Ein kinderloser Erblasser, der 2001 im Alter von 88 Jahren verstorben war, hatte am 19.12.1984 ein handschriftliches Testament verfasst, in dem er sein Vermögen an seine vier zu diesem Zeitpunkt lebenden Geschwister vererbte.
Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung waren sechs Geschwister vorhanden, von denen zwei bereits verstorben waren: ein Bruder, der 1944 im Krieg vermisst wurde und für tot erklärt wurde, hinterließ zwei Nachkommen; eine Schwester verstarb 1945 kinderlos.
Zwei Geschwister des Erblassers überlebten ihn, zwei weitere verstarben nach Errichtung des Testaments, aber vor dem Tod des Erblassers, und hinterließen jeweils Abkömmlinge.
Die Hauptfrage bestand darin, ob die Nachkommen der vorverstorbenen Geschwister als Ersatzerben eingesetzt waren oder ob die Erbteile auf die verbleibenden Erben anwuchsen.
Die überlebenden Geschwister (Beteiligte zu 1 und 2) beantragten einen Erbschein, der sie jeweils zu 1/2 als Erben auswies.
Die Nachkommen der vorverstorbenen Geschwister (Beteiligte zu 3 bis 6) beantragten hingegen einen Erbschein, der die verbleibenden Geschwister zu je 1/4 und die Nachkommen der vorverstorbenen Geschwister zu je 1/12 als Erben auswies.
Das Amtsgericht kündigte an, einen Erbschein gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 3 bis 6 zu erlassen, was das Landgericht Amberg nach Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 bestätigte. Der Erbschein wurde am 9.1.2003 erlassen.
Der Beteiligte zu 1 legte daraufhin weitere Beschwerde ein, um den Erbschein einziehen zu lassen und einen neuen gemäß seinem Antrag zu erlassen.
Rechtliche Würdigung und Entscheidung
Das Bayerische Oberste Landesgericht wies die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurück. Die wesentlichen Erwägungen und rechtlichen Feststellungen des Gerichts waren:
Auslegung des Testaments:
Das Testament war auslegungsbedürftig, da es keine Regelung für den Fall des Vorversterbens eines oder mehrerer der zu Erben eingesetzten Geschwister enthielt.
Die Auslegungsregel des § 2069 BGB, die für Abkömmlinge gilt, ist nicht direkt anwendbar, jedoch kann eine analoge Anwendung in Betracht gezogen werden.
Die Auslegung ergab, dass der Erblasser seine Geschwister nicht persönlich, sondern als erste ihres Stammes bedacht hatte.
Dies war daraus zu schließen, dass er alle noch lebenden Geschwister gleichmäßig berücksichtigt hatte.
Berücksichtigung der Nachkommen vorverstorbenen Geschwister:
Der Ausschluss der Nachkommen des im Krieg vermissten Bruders war als bewusste Entscheidung des Erblassers zu werten.
Dieser Ausschluss beeinflusste jedoch nicht die Interpretation der übrigen testamentarischen Bestimmungen.
Der Umstand, dass der Erblasser nach dem Tod eines Geschwisters im Jahr 1995 sein Testament nicht geändert hatte, war kein Hinweis darauf, dass er die Nachkommen nicht als Ersatzerben vorgesehen hatte.
Kostenentscheidung und Geschäftswert:
Der Beteiligte zu 1 wurde verpflichtet, die Kosten der Beteiligten zu 6 im Verfahren der weiteren Beschwerde zu erstatten.
Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wurde auf 37.682,84 EUR festgesetzt, basierend auf dem Nachlasswert und der angestrebten Erhöhung der Erbquote des Beschwerdeführers.
Der vom Landgericht festgesetzte Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wurde korrigiert und auf 75.365,68 EUR festgesetzt, da zwei Beschwerdeführer jeweils eine Erhöhung ihrer Erbquote um 1/4 angestrebt hatten.
Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, die Nachkommen der vorverstorbenen Geschwister als Ersatzerben zu betrachten.
Der Erblasser hatte seine Geschwister als erste ihres Stammes bedacht, und die Nachkommen traten somit an deren Stelle.
Die Entscheidung betonte die Bedeutung der Testamentsauslegung im Kontext der gesamten familiären und testamentarischen Umstände und stellte sicher, dass die Intention des Erblassers bestmöglich gewahrt wurde.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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