Auslegung Erbeinsetzung für den Fall gleichzeitigen Versterbens

September 1, 2017

Auslegung einer Erbeinsetzung für den Fall gleichzeitigen Versterbens in einem gemeinschaftlichen Testament

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 234/96

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) vom 18. Dezember 1996 befasst sich mit der Auslegung einer Erbeinsetzung

für den Fall des gleichzeitigen Versterbens in einem gemeinschaftlichen Testament.

Das Gericht entschied, dass der Begriff „gleichzeitiges Versterben“ in diesem Fall nicht den Tod der Ehegatten im zeitlichen Abstand von fast 1 1/2 Jahren erfasst.

Sachverhalt:

Ein Ehepaar hatte in einem gemeinschaftlichen Testament sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und für den Fall ihres gleichzeitigen

Versterbens ihre beiden Enkelkinder als Erben bestimmt.

Die Ehefrau verstarb 1990, der Ehemann 1991.

Eine Enkelin beantragte einen Erbschein, der sie und ihren Bruder als Miterben nach dem Großvater ausweisen sollte.

Rechtliche Würdigung:

Das BayObLG wies die weitere Beschwerde der Enkelin zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, dass der Erbscheinsantrag nicht der Erbfolge entspricht.

Auslegung Erbeinsetzung für den Fall gleichzeitigen Versterbens

1. Auslegung des Begriffs „gleichzeitiges Versterben“:

Das BayObLG bestätigte die Auffassung des Landgerichts, dass der Begriff „gleichzeitiges Versterben“ auslegungsbedürftig ist.

Es stellte fest, dass der Begriff zwar den Tod im gleichen Bruchteil einer Sekunde erfassen kann, aber auch den Tod durch dasselbe Ereignis oder innerhalb einer kurzen Zeitspanne.

Im vorliegenden Fall, in dem die Eheleute im Abstand von fast 1 1/2 Jahren verstarben, sei der Begriff „gleichzeitiges Versterben“ jedoch nicht erfüllt.

2. Auslegung des Testaments:

Das Landgericht hatte keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Eheleute den Begriff „gleichzeitiges Versterben“ nicht im üblichen Sprachgebrauch verwendet haben.

Es stützte seine Auffassung darauf, dass das Testament dem überlebenden Ehegatten die freie Verfügung über den Nachlass ermöglichte und eine einvernehmliche Teilung zwischen Tochter und Enkeln vorsah.

3. Wille der Ehegatten:

Das BayObLG bestätigte diese Auslegung.

Es betonte, dass bei der Auslegung von gemeinschaftlichen Testamenten auch zu prüfen ist, ob ein Auslegungsergebnis dem Willen beider Ehegatten entspricht.

Auslegung Erbeinsetzung für den Fall gleichzeitigen Versterbens

Im vorliegenden Fall sprachen die weiteren Bestimmungen im Testament dafür, dass die Ehegatten den Fall des Überlebens eines Ehegatten bedacht

und dem Überlebenden freie Hand gelassen hatten.

4. Keine Erbeinsetzung der Enkel:

Da das Testament für den Fall des Überlebens eines Ehegatten keine Erbeinsetzung der Enkel enthielt, hatte der Erbscheinsantrag der Enkelin keinen Erfolg.

5. Beschränkung auf Testamentsauslegung:

Das Landgericht hatte sich zu Recht darauf beschränkt, das Testament nach seinem Inhalt auszulegen,

da die Enkelin keine weiteren Beweismittel zur Ermittlung des Erblasserwillens benannt hatte.

Fazit:

Das BayObLG-Urteil 1Z BR 234/96 vom 18. Dezember 1996 verdeutlicht, dass der Begriff „gleichzeitiges Versterben“ in einem Testament

nicht immer den Tod im gleichen Bruchteil einer Sekunde bedeutet.

Die Auslegung des Begriffs richtet sich nach dem Willen der Testierenden und den Umständen des Einzelfalls.

Im vorliegenden Fall umfasste der Begriff nicht den Tod der Ehegatten im zeitlichen Abstand von fast 1 1/2 Jahren.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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