Auslegung Erbvertrag Ersatzerben– statt Schlußerben – OLG München 33 Wx 164/23 e
In dem Fall, der vor dem Oberlandesgericht München behandelt wurde (Az. 33 Wx 164/23 e), geht es um die Auslegung eines notariellen Erbvertrags, der anstelle des Begriffs des „Schlusserben“ den des „Ersatzerben“ verwendet.
Die zentralen Parteien in diesem Fall sind die Kinder der verstorbenen Erblasserin.
Der Ehemann der Erblasserin war bereits vor ihr verstorben.
Beide Ehegatten hatten am 30. Dezember 2015 einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen.
Hintergrund des Falls
Der notarielle Erbvertrag sah vor, dass sich die Ehepartner gegenseitig als alleinige und ausschließliche Erben einsetzen.
Für den Fall, dass der überlebende Ehegatte nicht Erbe sein kann oder will, war die Tochter (Beteiligte zu 1) als alleinige Ersatzerbin benannt.
Eine ausdrückliche Anordnung, wer den letztversterbenden Ehegatten beerben sollte, enthielt der Erbvertrag dagegen nicht.
Der Vertrag enthielt auch eine Änderungsbefugnis, die dem überlebenden Ehegatten erlaubte, zugunsten der gemeinsamen Kinder und deren Nachkommen anderweitige Verfügungen von Todes wegen zu treffen.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Tochter einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.
Der Beschwerdeführer, ein weiteres Kind der Erblasserin, beantragte hingegen einen Erbschein, der ihn und seine Schwester zu gleichen Teilen als Erben ausweisen sollte, basierend auf der gesetzlichen Erbfolge.
Er argumentierte, dass der notarielle Erbvertrag keine Regelung für den Tod des überlebenden Ehegatten enthalte.
Nach seiner Ansicht existiert keine wirksame Schlusserbeneinsetzung.
Gerichtliche Entscheidungen
Das Amtsgericht – Nachlassgericht – wies den Antrag des Beschwerdeführers zurück und kündigte die Erteilung eines Alleinerbscheins für die Tochter an.
Der Beschwerdeführer legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die jedoch vom Oberlandesgericht München ebenfalls abgewiesen wurde.
Auslegung des Erbvertrags
Das Oberlandesgericht München betonte, dass bei notariellen Urkunden aufgrund der Beratungs- und Belehrungspflicht des
Notars eine gewisse Vermutung dafür besteht, dass der objektive Erklärungsinhalt mit dem Willen des Erblassers übereinstimmt.
Eine Auslegung ist daher nur dann erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die verwendeten juristischen Begriffe unzutreffend genutzt wurden.
Im vorliegenden Fall stellte das Gericht klar, dass die Verwendung des Begriffs letztlich „Ersatzerbe“ korrekt sei.
Der Begriff „Schlusserbe“ werde im Gesetz nicht verwendet, weshalb der Beschwerdeführer daraus keinen Vorteil ziehen könne.
Dann bedient sich das Oberlandesgericht München einer dem geübten Erbrechtler zunächst ungewöhnlich erscheinenden gedanklichen Konstruktion:
Der Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten führe dazu, dass dieser nach dem Tod des längstlebenden Ehegatte ja nicht mehr Erbe sein könne,
wodurch nach dem Tod des zweiten Ehegatten letztlich dann die Ersatzerbenregelung zugunsten der Tochter greife.
Während üblicherweise die Ersatzerbschaft der Kinder für den ersten Todesfall bei den Eltern verwandt wird, wendet hier das Oberlandesgericht München also die Ersatzerbschaft der Tochter auf den zweiten Erbfall an.
Bei dieser Sichtweise ist es dann zwangsläufig, dass die Argumentation des Sohnes, eine Erbeinsetzung für den zweiten Todesfall („Schlusserbfall“) fehle, nicht erfolgreich sein kann.
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Gemäß § 84 FamFG trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wurde auf die Hälfte des reinen Nachlasswertes festgesetzt.
Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.
Fazit
Insgesamt zeigt der Fall die Bedeutung einer präzisen Formulierung und des Verständnisses notarieller Verträge.
Insbesondere die korrekte Verwendung juristischer Begriffe spielt eine entscheidende Rolle bei der Auslegung solcher Dokumente.
Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht, dass ohne konkrete Anhaltspunkte für eine falsche Nutzung juristischer Begriffe kein Raum für eine abweichende Auslegung besteht.
Das OLG München hat den beurkundenden Notar vor einem Haftungsfall bewahrt.
Motto OLG München: Benennung eines Ersatzerben heilt die fehlende klare Bestimmung eines Erben für den zweiten Todesfall („Schlusserbfall“) – hier hat es gerade noch so gereicht – aber reicht es immer?
Trotz guter Begründung des OLG ist das Vorgehen des Notars – Unterlassen einer ausdrücklichen Bestimmung eines Erben für den zweiten Todesfall – meines Erachtens nicht zur Nachahmung empfohlen.
Was wäre gewesen, wenn der Sohn Indizien hätte liefern können, dass die Eltern und Erblasser nicht wünschten, der Tochter auch das nach dem zweiten Todesfall gebündelte Vermögen beider Elternteile zu hinterlassen???????????
Ich gehe nicht zum Schreiner, um nachher einen wackeligen Tisch nach Hause zu bringen
Daher gehe ich auch nicht zum Notar, damit dieser Lücken offenlässt, die meine Kinder bis zum OLG treiben…………………………………………fünfstellige Prozesskosten inklusive
Beste Grüße
RA und Notar Krau
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