Auslegung gemeinschaftlicher Testamente Anrechnung Vorempfänge

Juni 5, 2018

Auslegung gemeinschaftlicher Testamente Anrechnung Vorempfänge

BGH Beschluss 10.12.2014 – IV ZR 31/14

RA und Notar Krau

Der Beschluss des BGH vom 10.12.2014 befasst sich mit der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente und den daraus resultierenden Erbfolgen.

Im konkreten Fall streiten die fünf Kinder der verstorbenen Eheleute J. und G. R. um die Erbfolge nach dem Tod ihrer Eltern.

Der Kläger verlangt die Feststellung der Nacherbschaft und die Anrechnung von Vorempfängen seiner Geschwister auf ihr Erbe.

Die Beklagte zu 1 hingegen will feststellen lassen, dass die Mutter alleinige Vollerbin des Vaters war.

Die Eltern errichteten in den Jahren 1964 und 1966 jeweils Testamente, in denen sie sich gegenseitig als „befreite“ Vorerben einsetzten.

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1971 wurde ein Erbschein ausgestellt, der die Mutter als alleinige Vorerbin und die Kinder als Nacherben auswies.

Die Mutter beglich später Pflichtteilsansprüche der Beklagten zu 3, was in die rechtliche Beurteilung des Falles einbezogen werden muss.

Auslegung gemeinschaftlicher Testamente Anrechnung Vorempfänge

Das Berufungsgericht entschied zugunsten des Klägers, was zur Folge hatte, dass die Beklagte zu 1 und 3 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegten.

Der BGH hob daraufhin das Urteil des Berufungsgerichts teilweise auf und verwies die Sache zurück.

Der BGH rügte, dass das Berufungsgericht das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt habe, indem es die Pflichtteilsauszahlung der Mutter nicht in die Testamentsauslegung einbezog.

Der BGH betont, dass bei der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente der Wille beider Ehegatten berücksichtigt werden muss

und das Verhalten des überlebenden Ehegatten nach dem Tod des Erstverstorbenen relevante Hinweise liefern kann.

Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht aufgefordert, die Argumente der Beklagten zu 1 und 3 sowie die Testamente

und den Erbvertrag sorgfältig zu prüfen, um den tatsächlichen Willen der Erblasser zu ermitteln.

Dabei wird auch zu klären sein, ob die Klage des Klägers bezüglich der Anrechnung von Vorempfängen zulässig ist.

Allgemeiner Hinweis:

Auslegung gemeinschaftlicher Testamente Anrechnung Vorempfänge

Die Auslegung gemeinschaftlicher Testamente erfordert besondere Sorgfalt, da der Wille beider Ehegatten zu berücksichtigen ist.

Hierbei sind einige Besonderheiten zu beachten:

Grundsätze:

  • Gemeinsamer Wille: Ziel der Auslegung ist es, den gemeinsamen Willen der Ehegatten zu ermitteln. Dabei ist nicht nur der Wortlaut des Testaments, sondern auch die Begleitumstände und die mutmaßliche Absicht beider Ehegatten zu berücksichtigen.
  • Einheitliche Auslegung: Das Testament ist als Einheit auszulegen. Die einzelnen Verfügungen dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen im Gesamtzusammenhang interpretiert werden.
  • Vermutung der Gegenseitigkeit: Es wird vermutet, dass die Ehegatten sich gegenseitig begünstigen wollten.
  • Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs: Es ist zu berücksichtigen, dass das Testament in zwei zeitlichen Abschnitten wirkt: zunächst beim Tod des Erstversterbenden und dann beim Tod des Letztversterbenden.

Besondere Auslegungsprobleme:

  • Widersprüchliche Verfügungen: Enthält das Testament widersprüchliche Verfügungen, ist zu ermitteln, welche Verfügung den gemeinsamen Willen der Ehegatten besser widerspiegelt.
  • Lücken: Weist das Testament Lücken auf, ist zu prüfen, ob diese planwidrig sind und durch ergänzende Auslegung geschlossen werden können.
  • Änderung der Verhältnisse: Haben sich die Verhältnisse nach der Errichtung des Testaments wesentlich geändert (z.B. Geburt eines Kindes, Scheidung), ist zu prüfen, ob das Testament noch dem Willen der Ehegatten entspricht.

Berliner Testament:

Das Berliner Testament ist die häufigste Form des gemeinschaftlichen Testaments.

Hierbei setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen gemeinsame Kinder als Schlusserben.

Bei der Auslegung des Berliner Testaments sind folgende Punkte besonders relevant:

  • Umfang der Bindung: Es ist zu klären, inwieweit der überlebende Ehegatte an die Verfügungen des Testaments gebunden ist.
  • Verfügungsbefugnis des Überlebenden: Es ist zu ermitteln, in welchem Umfang der überlebende Ehegatte über den Nachlass verfügen darf.
  • Auslegung von Auflagen und Bedingungen: Auflagen und Bedingungen, die an die Erbeinsetzung der Schlusserben geknüpft sind, sind sorgfältig auszulegen.

Wichtige Hinweise:

  • Die Auslegung gemeinschaftlicher Testamente ist eine komplexe Aufgabe und erfordert juristische Expertise.
  • Im Zweifelsfall entscheidet das Nachlassgericht über die Auslegung des Testaments.
  • Es ist ratsam, sich bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments von einem Rechtsanwalt oder Notar beraten zu lassen, um Unklarheiten und spätere Auslegungsprobleme zu vermeiden.

Zusätzliche Informationen:

  • § 2265 ff. BGB: Regelung des gemeinschaftlichen Testaments im deutschen Erbrecht.
  • § 133 BGB: Regelt die Auslegung von Willenserklärungen.
  • § 2087 BGB: Regelt die Auslegung letztwilliger Verfügungen.
RA und Notar Krau

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