Auslegung gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit

August 14, 2017

Auslegung gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit

Brandenburgisches OLG 3 Wx 19/12

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) entschied in diesem Fall, dass bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments im Zweifel

von einer Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auszugehen ist, wenn sich die gegenseitige Unabhängigkeit der Verfügungen nicht ermitteln lässt.

Sachverhalt:

Auslegung gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit

Ein Ehepaar errichtete ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten

und die Tochter des Ehemannes aus einer früheren Beziehung sowie die Schwester der Ehefrau als Schlusserben bestimmten.

Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Tochter einen Erbschein, der sie und die Schwester der Ehefrau als Erben zu je ½ ausweisen sollte.

Das Amtsgericht lehnte dies ab, da es die Verfügungen im Testament als wechselbezüglich ansah und die Verfügung des Ehemannes unwirksam war.

Rechtliche Würdigung:

  • Wechselbezügliche Verfügungen: § 2270 Abs. 1 BGB regelt die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament. Verfügungen sind wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre.
  • Auslegungsregel: § 2270 Abs. 2 BGB enthält eine Auslegungsregel: Setzen sich Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen eine mit dem anderen Ehegatten verwandte Person zum Schlusserben, so ist im Zweifel von einer Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auszugehen.
  • Individuelle Auslegung: Das OLG betonte, dass die Auslegungsregel erst dann Anwendung findet, wenn sich durch eine individuelle Auslegung des Testaments kein eindeutiges Ergebnis ermitteln lässt.
  • Keine gegenseitige Unabhängigkeit: Im vorliegenden Fall konnte die gegenseitige Unabhängigkeit der Verfügungen nicht festgestellt werden. Es gab keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau die Tochter ihres Mannes auch dann als Schlusserbin eingesetzt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die Verfügung ihres Mannes unwirksam ist.

Auslegung gemeinschaftliches Testament Wechselbezüglichkeit

Entscheidung:

Das OLG wies die Beschwerde der Tochter zurück und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts.

Da die Verfügung des Ehemannes unwirksam war und die Verfügungen als wechselbezüglich anzusehen waren, war auch die Verfügung der Ehefrau unwirksam.

Bedeutung des Urteils:

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Auslegung von gemeinschaftlichen Testamenten und die Anwendung der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB.

Es zeigt, dass im Zweifel von einer Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auszugehen ist, wenn sich die gegenseitige Unabhängigkeit nicht ermitteln lässt.

RA und Notar Krau

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