Auslegung Testament – Einsetzung des Ehegatten als Alleinerbe – Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss 16.11.1993 – 1Z BR 73/93

Mai 12, 2020

Auslegung Testament – Einsetzung des Ehegatten als Alleinerbe – Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss 16.11.1993 – 1Z BR 73/93

RA und Notar Krau

Das Bayerische Oberste Landesgericht befasst sich mit der Auslegung eines Testaments.

Kernfrage ist, ob das Testament des Erblassers tatsächlich eine wirksame Erbeinsetzung des Ehegatten beinhaltet oder ob die gesetzliche Erbfolge eintritt.

Sachverhalt:

Die am 9.7.1991 verstorbene Erblasserin war kinderlos.

Sie war in zweiter Ehe mit dem Beteiligten zu 3 verheiratet.

Die Eltern der Erblasserin hatten nach ihrer Scheidung jeweils erneut geheiratet.

Aus der zweiten Ehe des Vaters stammt der Beteiligte zu 1, aus der zweiten Ehe der Mutter der Beteiligte zu 2.

Der zweite Ehemann der Mutter hat im Jahr 1958 die Erblasserin adoptiert.

Auslegung Testament – Einsetzung des Ehegatten als Alleinerbe – Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss 16.11.1993 – 1Z BR 73/93

Zum Zeitpunkt des Erbfalls waren die Eltern der Erblasserin bereits verstorben, es lebten nur noch die Beteiligten zu 1, 2 und 3.

Die Erblasserin hinterließ ein handgeschriebenes Testament vom 8. Januar 1990.

Der wesentliche Nachlass der Erblasserin bestand aus Miteigentumsanteilen an zwei Grundstücken, Bankguthaben im Wert von ca. 32.000 DM sowie verschiedenen beweglichen Gegenständen von geringem Wert.

In ihrem Testament wandte sich die Erblasserin Beteiligten zu 3 und wies diesen an, nach ihrem Tod diverse Gegenstände an bestimmte Personen zu verteilen.

Sie erwähnte dabei ausdrücklich, dass sie “leider eigentlich nichts zu vererben” habe.

Verfahrensgang:

Der Ehemann (Beteiligter zu 3) beantragte einen Erbschein als Alleinerbe, da er sich aufgrund der letztwilligen Verfügung als Alleinerbe sah.

Die Beteiligten zu 1 und 2 widersprachen dem und argumentierten, dass keine Erbeinsetzung erfolgt sei und daher die gesetzliche Erbfolge eintrete.

Das Amtsgericht hatte zunächst entschieden, einen Erbschein zu erteilen, der den Ehemann als Alleinerben ausweist.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 hob das Landgericht diese Entscheidung auf und verwies die Sache zurück an das Amtsgericht.

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Das Bayerische Oberste Landesgericht wies die weitere Beschwerde des Ehemannes zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

Es stellte fest, dass das Testament keine formwirksame Erbeinsetzung des Ehegatten als Alleinerben enthält.

Begründung:

Form und Inhalt des Testaments:

Der Wille der Erblasserin, dass ihrem Ehemann nach ihrem Tod das gemeinsame Eigentum allein gehören solle, ist im Testament nicht formgerecht ausgedrückt.


Eine testamentarische Erbeinsetzung erfordert die klare Erklärung, dass eine bestimmte Person Erbe sein soll. Diese Erklärung muss im Wortlaut des Testaments zum Ausdruck kommen.


Auslegung des Testaments:

Die Erblasserin hat ihren Ehemann nicht ausdrücklich als Erben bezeichnet.


Die im Testament geäußerten Wünsche und Zuweisungen betreffen nur bestimmte Gegenstände und nicht den gesamten Nachlass.

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Der allgemeine Wille der Erblasserin, dem Ehemann das gemeinsame Eigentum zu übertragen, kommt im Testament nicht eindeutig zum Ausdruck.

Daher ist von gesetzlicher Erbfolge auszugehen.


Rechtswirkungen der Adoption:

Da die Adoption der Erblasserin vor dem Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes von 1976 erfolgte, gelten die Vorschriften über die Annahme Volljähriger.


Die Adoption hatte keinen Einfluss auf das Erbrecht der leiblichen Verwandten der Erblasserin.

Der Beteiligte zu 1 bleibt erbberechtigt aus seiner Stellung als Abkömmling des leiblichen Vaters, und der Beteiligte zu 2 als Abkömmling der leiblichen Mutter.


Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte fest, dass die testamentarischen Anordnungen nicht ausreichen, um den Ehemann als Alleinerben zu bestimmen.

Da keine ausdrückliche Erbeinsetzung vorlag und die testamentarischen Anhaltspunkte nicht genügten, trat die gesetzliche Erbfolge in Kraft.

Die Sache wurde an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Das Nachlassgericht muss nun die Erbscheinsanträge unter Berücksichtigung der gesetzlichen Erbfolge neu prüfen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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