Auslegung Testament letztwillige Zuwendung einer Sachgesamtheit

August 13, 2017

Auslegung Testament letztwillige Zuwendung einer Sachgesamtheit

BGH IV ZB 15/16

Zur ergänzenden Testamentsauslegung,

RA und Notar Krau

Wenn der Erblasser durch letztwillige Zuwendung einer Sachgesamtheit den Nachlass erschöpfen und gleichzeitig einen Bedachten zum Alleinerben einsetzen wollte,

ist im Einzelfall zu prüfen, ob die durch Auslegung ermittelte Erbeinsetzung nach dem Regelungsplan des Erblassers

auch einen nachfolgenden, unvorhergesehenen Vermögenserwerb erfassen sollte.

Die Erblasserin errichtete ein Testament, in dem sie ihr Hausgrundstück inklusive Einrichtung ihrem Lebensgefährten

auf Lebenszeit zur Nutzung überließ und nach dessen Tod ihrer Großnichte zukommen lassen wollte.

Ihr restliches Vermögen verteilte sie ebenfalls durch Zuwendungen.

Nach der Testamentserrichtung erbte die Erblasserin unerwartet ein beträchtliches Vermögen.

Auslegung Testament letztwillige Zuwendung einer Sachgesamtheit

Es entstand Streit darüber, wer Erbe geworden ist: der Bruder der Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder die Großnichte als Alleinerbin aufgrund des Testaments.

Kernaussagen des Beschlusses:

  • Der BGH hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zurück.
  • Wenn der Erblasser durch letztwillige Zuwendung einer Sachgesamtheit den Nachlass erschöpfen und gleichzeitig einen Bedachten zum Alleinerben einsetzen wollte, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die durch Auslegung ermittelte Erbeinsetzung nach dem Regelungsplan des Erblassers auch einen nachfolgenden, unvorhergesehenen Vermögenserwerb erfassen sollte.
  • Eine ergänzende Testamentsauslegung kommt in Betracht, wenn das Testament eine ungewollte Regelungslücke aufweist, die durch den späteren Vermögenserwerb entstanden ist.
  • Es ist zu prüfen, ob ein hypothetischer Wille der Erblasserin ermittelt werden kann, der die Lücke schließen könnte.
  • Im Streitfall konnte der BGH die Auslegung des Testaments nicht selbst vornehmen, da die Feststellungen des Oberlandesgerichts unzureichend waren.

Detaillierte Darstellung des Beschlusses:

  1. Auslegung des Testaments:

Das Oberlandesgericht hatte das Testament dahingehend ausgelegt, dass die Großnichte zunächst Alleinerbin geworden sei, da sie den wertmäßig größten Teil des Vermögens erhalten sollte.

Auslegung Testament letztwillige Zuwendung einer Sachgesamtheit

Durch den späteren Vermögenserwerb sei jedoch eine ergänzende Auslegung erforderlich, die zu einer Teilerbeinsetzung führe.

Der BGH beanstandete diese Auslegung, da sie auf unzureichenden Feststellungen beruhte.

  1. Ungewollte Regelungslücke:

Eine ergänzende Testamentsauslegung setzt voraus, dass das Testament eine ungewollte Regelungslücke aufweist.

Im Streitfall war zu prüfen, ob die Erbeinsetzung der Großnichte nach dem Regelungsplan der Erblasserin auch den späteren Vermögenserwerb erfassen sollte.

Das Oberlandesgericht hatte diese Prüfung nicht vorgenommen.

  1. Hypothetischer Wille der Erblasserin:

Kann eine Regelungslücke festgestellt werden, ist zu prüfen, ob ein hypothetischer Wille der Erblasserin ermittelt werden kann, der die Lücke schließen könnte.

Das Oberlandesgericht hatte dies ebenfalls nicht getan, sondern lediglich auf den tatsächlichen Willen der Erblasserin abgestellt.

  1. Unzureichende Feststellungen:

Der BGH konnte die Auslegung des Testaments nicht selbst vornehmen, da die Feststellungen des Oberlandesgerichts unzureichend waren.

Es fehlten Feststellungen zum Regelungsplan der Erblasserin und zu ihrem hypothetischen Willen.

  1. Zurückverweisung:

Der BGH verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Oberlandesgericht zurück.

Sollte das Oberlandesgericht keine weiteren Feststellungen treffen können, bliebe es bei der Erbeinsetzung, wie sie sich aus der Auslegung des Testaments ergibt.

Fazit:

Der Beschluss des BGH verdeutlicht die Voraussetzungen und Grenzen der ergänzenden Testamentsauslegung.

Er zeigt, dass im Falle eines unvorhergesehenen Vermögenserwerbs nach Testamentserrichtung sorgfältig geprüft werden muss,

ob das Testament eine Regelungslücke aufweist und ob ein hypothetischer Wille des Erblassers ermittelt werden kann, der die Lücke schließen könnte.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Der Beschluss ist rechtskräftig.
  • Die Kostenentscheidung wurde dem Oberlandesgericht überlassen.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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