Auslegung Testament nur Vermächtnis angeordnet

Juni 12, 2016

Auslegung eines Testaments, mit dem lediglich ein Vermächtnis angeordnet wird

OLG München 31 Wx 001/10

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht München (OLG München) hatte in einem Erbscheinsverfahren über die Auslegung eines Testaments zu entscheiden,

in dem lediglich ein Vermächtnis angeordnet war.

Der Erblasser hatte in diesem Testament vom 11.09.1995 erklärt,

„eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen“.

Das Gericht musste die Frage klären, ob diese Formulierung als Aufhebung eines früheren Testaments aus dem Jahr 1984 zu verstehen ist,

in dem der Erblasser seine Lebensgefährtin als Alleinerbin eingesetzt hatte.

Auslegung Testament nur Vermächtnis angeordnet

Der Sohn des Erblassers aus einer früheren Ehe argumentierte, dass die Formulierung im Testament von 1995 dahingehend auszulegen sei,

dass der Erblasser die frühere Erbeinsetzung aufheben und seinen Sohn als gesetzlichen Erben einsetzen wollte.

Die Lebensgefährtin des Erblassers hingegen behauptete, dass die frühere Erbeinsetzung durch das spätere Testament nicht aufgehoben werden sollte.

Der Erblasser habe lediglich zusätzlich Vermächtnisse anordnen wollen, um eine Beteiligung des Sohnes am Nachlass zu verhindern.

Das OLG München entschied zugunsten der Lebensgefährtin.

Das Gericht führte aus, dass die Auslegung eines Testaments Sache des Tatrichters sei und im Rahmen der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden könne.

Die Auslegung des Landgerichts, wonach das Testament von 1995 das Testament von 1984 nicht aufhebt, sei nicht zu beanstanden.

Ein Widerspruch im Sinne von § 2258 Abs. 1 BGB liege nur dann vor, wenn mehrere letztwillige Verfügungen sachlich nicht vereinbar seien

oder wenn der Erblasser mit der späteren Verfügung die Erbfolge abschließend und umfassend regeln wollte.

Auslegung Testament nur Vermächtnis angeordnet

Im vorliegenden Fall sei beides nicht gegeben.

Es sei anerkannt, dass auch neben einer Alleinerbeneinsetzung eine weitere Zuwendung in Form eines Vermächtnisses möglich sei.

Die Anordnung der beiden Vermächtnisse zugunsten der Lebensgefährtin sei auch nicht deshalb widersprüchlich,

weil dem Erblasser die frühere Alleinerbeneinsetzung nicht mehr bewusst gewesen sei.

Denkbar sei auch, dass der Erblasser trotz Kenntnis seiner früheren Verfügung infolge der im Zusammenhang mit der Beurkundung des Immobilienerwerbs erteilten Hinweise des Notars

fälschlich eine Notwendigkeit angenommen habe, testamentarisch sicherstellen zu müssen, dass die Lebensgefährtin nach seinem Tod auf alle Fälle die Immobilien erhält.

Das Landgericht habe sich bei seiner Entscheidung auf die Angaben der Lebensgefährtin stützen können,

wonach der Erblasser und sie Kenntnis von den früheren gegenseitigen Erbeinsetzungen hatten.

Auslegung Testament nur Vermächtnis angeordnet

Die vom Sohn des Erblassers behauptete Notwendigkeit, auf die bereits vorliegenden Testamente hinzuweisen,

habe im Rahmen der Protokollierung eines Immobilienerwerbs gerade nicht bestanden.

Auch die Formulierung „eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen“ sei kein zwingendes Indiz für einen Aufhebungswillen des Erblassers.

Denkbar sei auch, dass der Erblasser mit dieser Formulierung lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass sich sein Testierwille allein auf die Anordnung eines Vermächtnisses beschränkt.

Das OLG München bestätigte somit die Entscheidung des Landgerichts und wies die weitere Beschwerde des Sohnes zurück.

Die Lebensgefährtin des Erblassers wurde als Alleinerbin nach dem Testament von 1984 anerkannt.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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