Auslegung und Reichweite einer Durchführungsvollmacht im Grundbuchverfahren

November 2, 2025

Auslegung und Reichweite einer Durchführungsvollmacht im Grundbuchverfahren

Zusammenfassung des Beschlusses KG, 29.04.2003 – 1 W 132/03

Der Beschluss des Kammergerichts (KG) vom 29. April 2003 befasst sich mit einer grundbuchrechtlichen Frage im Zusammenhang mit der Auslegung einer Vollmacht zur Durchführung eines Kaufvertrages.


Worum ging es in dem Fall?

Es ging um die Frage, ob eine Notariatsangestellte auf Basis einer sogenannten Durchführungsvollmacht berechtigt war, eine in der ursprünglichen Kaufvertragsurkunde enthaltene Belastungsvollmacht (die es dem Käufer erlaubt, das Grundstück z.B. für eine Finanzierung zu belasten) betragsmäßig zu erhöhen.

  • Die ursprüngliche Vollmacht (Belastungsvollmacht) war auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt.
  • Die Durchführungsvollmacht ermächtigte die Notariatsangestellte unter anderem zu „Vertragsänderungen“, allerdings nur, wenn diese „für die Durchführung des Kaufvertrages noch erforderlich und nützlich“ sind.
  • Die Notariatsangestellte hatte eine Erhöhung der Belastung in einer späteren notariellen Verhandlung erklärt.

⚖️ Die Entscheidung des Gerichts

Das Kammergericht hat die weitere Beschwerde gegen die Ablehnung der Eintragung durch das Grundbuchamt zurückgewiesen.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Durchführungsvollmacht die Notariatsangestellte nicht ermächtigte, die Belastungsvollmacht betragsmäßig zu ändern (zu erhöhen).


Die wichtigsten rechtlichen Begründungen für Laien

1. Auslegung von Vollmachten im Grundbuchverfahren

  • Keine Bindung an untere Instanzen: Das Rechtsbeschwerdegericht (hier das KG) muss die Vollmacht zur Grundlage von Eintragungsbewilligungen selbst auslegen und ist nicht an die Auffassung des Landgerichts gebunden.
  • Strikte Auslegungsregeln: Grundbucherklärungen (und darauf bezogene Vollmachten) müssen eindeutig und zweifelsfrei sein (Bestimmtheitsgrundsatz). Die Auslegung richtet sich nur nach dem Wortlaut und Sinn der Urkunde, wie sie sich einem unbefangenen Betrachter erschließen.
    • Keine Berücksichtigung externer Umstände: Umstände außerhalb der notariellen Urkunde dürfen grundsätzlich nicht zur Auslegung herangezogen werden.
    • Im Zweifel geringerer Umfang: Bleibt die Reichweite einer Vollmacht zweifelhaft, gilt der kleinere, eindeutig feststellbare Umfang.

Auslegung und Reichweite einer Durchführungsvollmacht im Grundbuchverfahren

2. Die Einschränkung der Durchführungsvollmacht

  • Bedingung der „Erforderlichkeit und Nützlichkeit“: Die Durchführungsvollmacht war ausdrücklich darauf beschränkt, dass Änderungen „für die Durchführung des Kaufvertrages noch erforderlich und nützlich“ sein mussten.
  • Kein Nachweis der Erforderlichkeit: Das Gericht konnte anhand der allein maßgeblichen Urkunden (nach § 29 GBO) nicht zweifelsfrei feststellen, dass die betragsmäßige Erhöhung der Belastungsvollmacht erforderlich und nützlich für die Durchführung des Kaufvertrages war.
    • Begründung: Die ursprüngliche Belastungsvollmacht war auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt, was regelmäßig ausreichend ist und den Verkäufer schützt. Eine höhere Belastung kann zwar z.B. für Nebenkosten der Finanzierung notwendig sein, dies muss aber eindeutig aus den Urkunden hervorgehen. Das bloße Ziel, einen reibungslosen Vollzug zu gewährleisten, reicht nicht aus, um die Einschränkung der Vollmacht als bedeutungslos anzusehen.

Fazit

Der Beschluss unterstreicht die strengen Formvorschriften und den Bestimmtheitsgrundsatz im deutschen Grundbuchrecht. Vollmachten, die zu Eintragungen im Grundbuch führen sollen, müssen inhaltlich unmissverständlich und in ihrem Umfang klar begrenzt sein. Enthält eine Vollmacht eine Einschränkung (wie die „Erforderlichkeit und Nützlichkeit“), muss die Einhaltung dieser Einschränkung allein anhand der notariellen Urkunde nachgewiesen werden können, wenn die aufgrund der Vollmacht vorgenommene Handlung ins Grundbuch eingetragen werden soll.

Die Erhöhung der Belastungsvollmacht war im konkreten Fall nicht zweifelsfrei von der Durchführungsvollmacht gedeckt, da die „Erforderlichkeit und Nützlichkeit“ nicht urkundlich nachgewiesen werden konnte.

RA und Notar Krau

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