Auslegung und verschiedene Formen der Enterbung
Wenn das Testament nicht eindeutig ist: Was bedeutet Enterbung wirklich?
Stellen Sie sich vor, jemand hat ein Testament verfasst, aber es ist nicht ganz klar, ob und wen er tatsächlich vom Erbe ausschließen wollte. Genau hier setzt die Aufgabe an, den wirklichen Willen des Erblassers (also der Person, die das Testament erstellt hat) herauszufinden. Als Rechtsanwalt und Notar Krau helfe ich Ihnen, dieses oft knifflige Thema besser zu verstehen.
Jeder Fall ist einzigartig. Um zu entscheiden, ob jemand bewusst vom Erbe ausgeschlossen werden sollte, müssen wir das Testament sehr genau prüfen und die individuellen Umstände berücksichtigen. Der Wunsch, jemanden auszuschließen, muss sich auch im Testament selbst widerspiegeln. Es reicht nicht, wenn der Erblasser es nur angedeutet hat oder man es vermutet.
Manchmal wird ein nichteheliches Kind im Testament gar nicht explizit vom Erbe ausgeschlossen. Wenn der Erblasser aber sein gesamtes Vermögen unter anderen Erben aufteilt und das nichteheliche Kind dabei komplett übergeht, kann das als eine stillschweigende Enterbung gewertet werden. Das bedeutet: Auch ohne klare Worte kann der Ausschluss gewollt sein, wenn das Gesamtbild dafür spricht.
Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Mindestanspruch am Erbe, den bestimmte nahe Angehörige (wie Kinder oder Ehepartner) immer haben, selbst wenn sie enterbt wurden. Wenn jemandem der Pflichtteil entzogen wird, kann das oft bedeuten, dass er auch vom gesamten Erbe ausgeschlossen werden soll. Aber Achtung: Auch hier zählt der Einzelfall! Es könnte auch sein, dass der Erblasser nur verhindern wollte, dass der Erbe das Erbe ausschlägt.
Wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten „auf den Pflichtteil setzt“, ist das in der Regel ein klares Zeichen dafür, dass dieser von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden soll. Er bekommt dann nur seinen Pflichtteil und nicht mehr.
Besonders knifflig wird es, wenn ein gesetzlicher Erbe im Testament ein Vermächtnis erhält. Ein Vermächtnis ist eine Zuwendung aus dem Nachlass, die nicht direkt eine Erbenstellung begründet (zum Beispiel ein bestimmtes Schmuckstück oder ein Geldbetrag).
Hier darf man nicht einfach davon ausgehen, dass derjenige, der ein Vermächtnis bekommt, automatisch von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Man muss genau prüfen, ob der Erblasser wirklich wollte, dass dieser Erbe nur das Vermächtnis erhält und sonst nichts. Wenn es Zweifel gibt, wird eher angenommen, dass der Erbe nicht ausgeschlossen werden sollte. Ein Vermächtnis kann auch zusätzlich zu einem Erbteil oder als Ersatz für eine Teilungsanordnung gedacht sein. Selbst wenn der Erblasser sein gesamtes Vermögen durch viele Einzelvermächtnisse aufteilt, heißt das nicht automatisch, dass die gesetzlichen Erben ausgeschlossen sind.
Wird ein gesetzlicher Erbe komplett enterbt, hat er trotzdem oft einen Anspruch auf seinen Pflichtteil. Bei Ehegatten, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten (der häufigste Güterstand in Deutschland), kann zur Enterbung und dem sogenannten „kleinen Pflichtteil“ noch ein Anspruch auf Zugewinnausgleich hinzukommen. Das bedeutet, dass der überlebende Ehepartner einen Ausgleich für das Vermögen erhält, das während der Ehe gemeinsam erwirtschaftet wurde. Ein Anspruch auf den sogenannten „Voraus“ (bestimmte Haushaltsgegenstände und Hochzeitsgeschenke) entfällt in diesen Fällen aber.
Ich hoffe, diese Erläuterungen konnten Ihnen einen besseren Einblick in die komplexen Fragen rund um die Auslegung von Enterbungsverfügungen geben. Haben Sie weitere Fragen dazu?
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr RA und Notar Krau