Auslösung der Ausschlagungsfrist durch die Bekanntgabe einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen
Grundsätzlich beginnt die Ausschlagungsfrist für einen Erben, der durch eine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) berufen ist, nicht vor der Bekanntgabe der eröffneten Verfügung von Todes wegen. Der frühestmögliche Beginn der Frist ist demnach der Zeitpunkt der Eröffnung der letztwilligen Verfügung.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Regelung aus Gründen der Rechtssicherheit immer gilt und nicht durch Billigkeitsgründe ausgehebelt werden kann. Selbst wenn der Erbe bereits vor der offiziellen Bekanntgabe Kenntnis vom Vorhandensein und Inhalt der Verfügung hatte, beginnt die Frist nicht früher zu laufen.
Umgekehrt kann die Ausschlagungsfrist trotz erfolgter Bekanntgabe nicht zu laufen beginnen, wenn der Erbe aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen davon ausgeht, nicht zum Erben berufen zu sein (z.B. weil er die Verfügung für unwirksam hält).
Die Vorschrift knüpft an die mündliche oder schriftliche Bekanntgabe nach § 348 Abs. 2 S. 2, 3 und Abs. 3 FamFG an.
Im Regelfall eröffnen die Nachlassgerichte Verfügungen von Todes wegen nicht im Rahmen einer Eröffnungsverhandlung nach § 348 Abs. 2 FamFG, sondern durch internes Verwaltungshandeln, die sogenannte „stille“ Eröffnung.
Besteht die Erbenstellung aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der Erblasser hat aber dem gesetzlichen Erben durch Verfügungen von Todes wegen Beschränkungen und Beschwerungen auferlegt, so hängt der Fristlauf nicht von der Bekanntgabe dieser Verfügungen ab. In diesem Fall muss der Erbe gegebenenfalls die Annahme der Erbschaft anfechten, wenn er keine Kenntnis von den Beschränkungen hatte.
Anders verhält es sich, wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe nach § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB ausschlagen möchte. Hier beginnt die Ausschlagungsfrist erst mit der Kenntnis des Ausschlagenden von den Beschränkungen und Beschwerungen (§ 2306 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die Bekanntgabe des Inhalts der Verfügung von Todes wegen im Rahmen einer Eröffnungsverhandlung nach § 348 Abs. 2 S. 1 FamFG erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts entweder durch mündliche Verlesung oder durch Vorlage zur Einsichtnahme (§ 348 Abs. 2 S. 2, 3 FamFG). Den Beteiligten ist die gesamte Verfügung zu eröffnen. Die Art der Bekanntgabe ist in der Eröffnungsniederschrift zu vermerken. Mit der mündlichen Bekanntgabe des Testaments- bzw. Erbvertragsinhalts beginnt die Frist zu laufen; eine weitere schriftliche Bekanntgabe ist nicht erforderlich (§ 348 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Die Verfügung ist den Beteiligten, die im Termin nicht anwesend waren, mit dem sie betreffenden Inhalt schriftlich nach § 15 FamFG bekannt zu machen (§ 348 Abs. 3 S. 1 FamFG). Dies dient sowohl der Information der Beteiligten zur Wahrnehmung ihrer Rechte als auch der Rechtssicherheit, da die Ausschlagungsfrist an die Bekanntgabe der Eröffnung anknüpft.
Das Gericht ist zur Benachrichtigung verpflichtet und kann davon nicht nach Ermessen absehen. Beteiligte können auf die Bekanntgabe verzichten. War ein Beteiligter bei einem mündlichen Eröffnungstermin anwesend, muss ihm die Verfügung nicht zusätzlich schriftlich bekannt gegeben werden (§ 348 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Wenn aktenkundig ist, dass ein Beteiligter auf andere Weise Kenntnis vom Inhalt der Verfügung erlangt hat, kann das Gericht von einer Benachrichtigung absehen. Es reicht jedoch nicht aus, dass der Beteiligte zum Eröffnungstermin geladen wurde oder ihm der Inhalt von privater Seite mitgeteilt wurde. Kenntnis von der Verfügung erlangt der Erbe jedenfalls dann, wenn er die Nachlassakte einsieht.
Das Gericht muss die Beteiligten, denen der Inhalt der Verfügung bekannt zu machen ist, von Amts wegen ermitteln (§ 26 FamFG). Dazu gehören:
Das Gesetz sieht nur eine Mitteilung des „den Beteiligten betreffenden Inhalts“ vor. Den gesetzlichen und gewillkürten Erben sind jedoch umfassend alle Verfügungen bekannt zu machen (unter Berücksichtigung von § 349 FamFG).
Bei einer untrennbaren Verfügung nach § 349 Abs. 1 FamFG erstreckt sich die Eröffnungswirkung nur auf die Verfügungen des Erblassers. Die untrennbaren Verfügungen des lebenden Ehe-/Lebenspartners oder Vertragspartners müssen nach deren Tod erneut eröffnet und bekannt gegeben werden. Die Bekanntgabe nach dem ersten Todesfall löst noch nicht den Fristlauf aus.
Um den Fristbeginn auszulösen, muss die schriftliche Bekanntgabe an den jeweils ausschlagungsberechtigten Erben erfolgen. Dies ist notwendig, damit der Erbe sich über den Inhalt der Verfügung informieren und eine Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft treffen kann.
Es genügt nicht, wenn der ausschlagungsberechtigte Erbe zufällig Kenntnis vom Inhalt der Verfügung hat (z.B. weil er das gemeinschaftliche Testament mitverfasst hat) oder wenn ihm die Verfügung nicht in seiner Eigenschaft als Erbe, sondern in einer anderen Eigenschaft (z.B. als gesetzlicher Vertreter eines Miterben) bekannt gegeben wird.
Die Bekanntmachung ergeht an den Beteiligten selbst oder an dessen gesetzlichen Vertreter. Bei Minderjährigen mit gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sind dies beide Elternteile; bei einem geschäftsunfähigen Volljährigen dessen Betreuer. Auch bei einem Interessenkonflikt des gesetzlichen Vertreters ist dieser zunächst Adressat der Bekanntmachung; gegebenenfalls ist dann die Bestellung eines Ergänzungspflegers oder -betreuers anzuregen.
Die Benachrichtigung erfolgt durch schriftliche Bekanntgabe nach § 15 FamFG. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen über den Übermittlungsweg. Im Regelfall genügt die Aufgabe zur Post. Die Bekanntgabe gilt dann am dritten Tag nach der Aufgabe als erfolgt, es sei denn, der Empfänger macht glaubhaft, dass ihm das Schriftstück erst später zugegangen ist. Eine mündliche Bekanntgabe ist nicht mehr möglich. Die Benachrichtigung hat unverzüglich im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs zu erfolgen.
Entscheidet sich das Gericht für die förmliche Zustellung, so gelten die §§ 166–195 ZPO, was beispielsweise bei Gesamtvertretung die Zustellung an einen Vertreter (z.B. einen Elternteil bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern) genügen lässt (§ 170 Abs. 3 ZPO).
Eine Eröffnung und damit eine Bekanntgabe scheiden aus, wenn die Verfügung von Todes wegen zerstört oder abhandengekommen ist. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass in diesem Fall der Fristbeginn die Bekanntgabe der Gründe für die Unmöglichkeit der Eröffnung voraussetzt. Dies ist sinnvoll, da eine zerstörte oder verlorene Verfügung eine sorgfältige Prüfung der Erbrechtslage erfordert, die der Ausschlagende erst nach Kenntnis dieses Sachverhalts vornehmen kann.
Kann die vernichtete oder verlorene Verfügung von Todes wegen nach § 46 BeurkG wiederhergestellt werden (z.B. weil sie in öffentlicher Urkunde errichtet wurde), so beginnt die Ausschlagungsfrist erst, nachdem die wiederhergestellte Urschrift eröffnet und dem ausschlagungsberechtigten Erben bekannt gegeben wurde.
Nach § 11 Abs. 3 S. 1 KonsularG kann der Konsularbeamte die Eröffnung eines Testaments oder Erbvertrags vornehmen, wenn der Erblasser verstorben ist, bevor die Verfügung an das zuständige Nachlassgericht abgeliefert werden konnte, oder wenn eine Verfügung beim Konsularbeamten abgeliefert wird. Die für das Eröffnungsverfahren geltenden Regelungen des FamFG (§ 348 Abs. 1 und 2, §§ 349, 350 FamFG) finden entsprechend Anwendung. Eine entsprechende Anwendung der Regeln zum Fristbeginn auf die vom Konsularbeamten bekannt gemachte Verfügung ist sachgerecht. Eine erneute Eröffnung durch das deutsche Nachlassgericht würde jedoch zu einem erneuten Anlaufen der Ausschlagungsfrist führen.
Ob die von einem Gericht oder einer Behörde im Ausland vorgenommene Eröffnung und Bekanntmachung einer Verfügung von Todes wegen die Ausschlagungsfrist in Deutschland auslöst, ist umstritten.
Richtig ist es, zu unterscheiden: