Ausreichender Hinweis auf Kaskadeneffekt in Prospekten für Schiffsfonds
Gerne fasse ich den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. März 2024 (XI ZB 2/22) zur Frage eines ausreichenden Hinweises auf den sogenannten Kaskadeneffekt in Prospekten für Schiffsfonds zusammen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 12. März 2024 entschieden, dass der Prospekt eines Schiffsfonds ausreichend auf die Risiken des sogenannten Kaskadeneffekts und des Transshipment-Effekts hingewiesen hat und somit kein Prospektfehler vorlag.
Die Entscheidung betrifft einen Schiffsfonds, der in Containerschiffe (1800 TEU bzw. 2800 TEU) investierte, und die Frage, ob der Verkaufsprospekt aus dem Jahr 2006 fehlerhaft war. Anleger forderten Schadensersatz, da sie die Aufklärung im Prospekt über bestimmte Marktrisiken für unzureichend hielten.
Zentrale Vorwürfe der Kläger (Anleger) waren:
Unzureichender Hinweis auf den Kaskadeneffekt und den Transshipment-Effekt.
Fehlerhafte Prognose einer jährlichen Betriebskostensteigerung von nur 3%.
Fehlende Hinweise auf die starke Volatilität (Schwankungsanfälligkeit) der Charterraten und der Verkaufspreise für Schiffe („Second-Hand-Preise“).
Der BGH musste im Rahmen eines Kapitalanleger-Musterverfahrens beurteilen, ob der Prospekt die Anforderungen an die notwendigen Angaben erfüllte, um eine zutreffende Beurteilung der Anlage zu ermöglichen.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerden der Anleger zurückgewiesen und die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt (wenn auch in Teilen mit anderer Begründung bezüglich der Haftung). Die wichtigsten Punkte für Laien:
Der Kaskadeneffekt beschreibt im Schifffahrtswesen die Verdrängung kleinerer Schiffsklassen durch immer größere Schiffe auf den Hauptrouten. Die kleineren Schiffe werden dadurch auf Nebenrouten, die sogenannten Zubringerdienste, verdrängt. Der Transshipment-Effekt ist die Folge: Die Container müssen mehrmals umgeladen („Transshipment“), was die Containerumschlagszahlen erhöht, aber nicht zwingend uneingeschränkt wirtschaftliches Wachstum bedeutet.
Der BGH befand, dass der Prospekt ausreichend auf dieses Risiko hingewiesen hat:
Der Prospekt erwähnte den Trend zu immer größeren Schiffseinheiten und die Tatsache, dass die neuen Schiffe größer als die Fondsschiffe waren.
Er beschrieb, dass die kleineren Schiffe (wie die Fondsschiffe) für Zubringerdienste prädestiniert seien.
Für den durchschnittlich aufmerksamen Anleger sei damit unmissverständlich klar, dass größere Schiffe kleinere verdrängen.
Auch der negative „Preiseffekt“ – dass größere, effizientere Schiffe das allgemeine Charterratenniveau absenken – müsse nicht explizit erwähnt werden. Ein aufmerksamer Leser könne diesen Kausalzusammenhang selbst herstellen, da der Prospekt das Absinken der Charterraten und den Einsatz größerer Schiffe thematisch zusammenfasste.
Die Prospektangaben über die künftige Einsatzperspektive der Fondsschiffe als Zubringer wurden als vertretbare Prognose und nicht als Exklusivitätsanspruch gewertet.
Es lag kein Prospektfehler hinsichtlich der Aufklärung über den Kaskaden- und Transshipment-Effekt vor.
Die Anleger rügten, die prognostizierte jährliche Betriebskostensteigerung von 3% sei angesichts historischer Preissteigerungen (z.B. bei Personal und Schmierstoffen) unvertretbar niedrig kalkuliert gewesen.
Der Prospektherausgeber muss keine Gewähr dafür übernehmen, dass die Prognose eintritt; das Risiko trägt der Anleger.
Prognosen müssen lediglich auf sorgfältig ermittelten Tatsachen gestützt und ex ante (aus damaliger Sicht) vertretbar sein. Dem Emittenten steht ein Beurteilungsspielraum zu.
Der BGH akzeptierte die Argumentation, dass kurzfristige, hohe Preissteigerungen über die gesamte Fondslaufzeit (hier 17,2 Jahre) durch spätere Preisreduktionen ausgeglichen werden könnten. Auch der erhöhte Reparaturbedarf alter Schiffe könne durch die Zuverlässigkeit junger Schiffe kompensiert werden. Die 3% seien als Gesamtergebnis zu verstehen.
Die Prognose der Betriebskostensteigerung von 3% pro Jahr war vertretbar.
Der BGH sah auch in weiteren gerügten Punkten keine Prospektfehler:
Der Prospekt informiere über die natürlichen Marktschwankungen der Charterraten. Der durchschnittliche Anleger müsse sich auf die Möglichkeit extremer Schwankungen einstellen. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die historische Stärke der Volatilität war nicht nötig. Dies gelte auch für die davon abhängigen Schiffspreise.
Ein Hinweis darauf, dass bereits geringe Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage extreme Ausschläge der Charterraten auslösen können, wurde als kein relevanter Informationsgewinn angesehen, da der allgemeine Hinweis auf natürliche Marktschwankungen bereits ausreichend war.
Die allgemeine Formulierung im Prospekt zu „Allgemeine Vertragserfüllungsrisiken“ reichte aus, um auch Risiken aus Pflichtverletzungen gegenüber sonstigen Gläubigern abzudecken.
Der BGH hat im Ergebnis festgestellt, dass der Prospekt des Schiffsfonds alle notwendigen Informationen enthielt, um den Anlegern eine zutreffende Risikobeurteilung zu ermöglichen. Die Hinweise auf die Marktmechanismen, einschließlich des Kaskadeneffekts, und die getroffenen Prognosen waren aus damaliger Sicht vertretbar. Damit war der Prospekt nicht fehlerhaft, und die Ansprüche der Anleger, die auf diesen behaupteten Prospektfehlern basierten, waren unbegründet.
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