Aussagen in Werbeflyer können Vertragsinhalt bei Sparvertrag werden
Gerne fasse ich das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart (Urteil vom 23.09.2015 – 9 U 31/15) zum Thema Werbeangaben und Sparverträge zusammen.
Dieses Urteil betrifft einen sogenannten Bonussparvertrag („Vorsorgesparen S-S.“), den ein Kunde (Kläger) mit einer Bank (Beklagte) abgeschlossen hatte. Es geht im Kern um zwei zentrale Fragen:
Gilt die Werbung als Teil des Vertrages?
Darf die Bank den langfristigen Vertrag vorzeitig kündigen?
Der Kläger schloss im Jahr 2004 einen Bonussparvertrag mit einer Sparkasse (der Beklagten) ab. Das Besondere daran war eine Staffelverzinsung (der Bonus stieg mit längerer Laufzeit) und eine Laufzeit bis 2029 (25 Jahre).
In einem Werbeflyer wurde dem Kunden zugesichert, dass er die monatliche Sparrate jederzeit ändern könne (innerhalb einer Spanne von 25 € bis 2.500 €). Als der Kunde später seine Rate erhöhen wollte, weigerte sich die Bank. Die Bank wollte ihrerseits den Vertrag vorzeitig kündigen.
Das OLG Stuttgart hat zugunsten des Kunden entschieden und die Berufung der Bank zurückgewiesen.
Das Gericht stellte klar, dass die Werbeangaben im Flyer über die Möglichkeit der Änderung der Sparrate verbindlicher Vertragsbestandteil geworden sind.
Das OLG sah die Angaben zu Laufzeit, Ratenhöhe, Verzinsung und Änderungsmöglichkeiten in der Werbung als eine Leistungsbeschreibung an, die den Charakter einer Vertragsbedingung hat.
Die Bank durfte sich nicht darauf berufen, dass die Flyer-Angaben, die dem Kunden ein Recht zur Ratenänderung einräumen, formal nicht korrekt in den Vertrag einbezogen wurden. Die Bank hatte jahrelang mit diesen Bedingungen geworben und wollte sie auch zum Vertragsinhalt machen. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn die Bank jetzt, da die Marktlage ungünstig für sie ist, dem Kunden die Vorteile dieser selbst beworbenen Flexibilität entziehen würde.
Der Kunde hat das Recht, die Sparrate einseitig zu erhöhen (im Rahmen von 25 € bis 2.500 €), und die Bank muss diesem Verlangen nachkommen.
Das Gericht verneinte das Recht der Bank, den langfristigen Sparvertrag vorzeitig ordentlich zu kündigen.
Die vertraglich vereinbarte Laufzeit bis 2029 (durch die Verpflichtung zur Einzahlung bis zu diesem Datum) schließt eine ordentliche Kündigung durch die Bank während dieser Zeit aus.
Auch die gesetzlichen Kündigungsrechte für Darlehensnehmer (hier die Bank) aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 489 BGB) sind nicht anwendbar oder mussten eingeschränkt ausgelegt werden (sogenannte teleologische Reduktion).
Die Bank ist als professionelles Kreditinstitut nicht schutzwürdig im Sinne dieser Kündigungsvorschriften, da diese primär zum Schutz des privaten Kreditnehmers (Darlehensschuldners) gedacht sind und die Bank selbst die Vertragsbedingungen festgelegt hat.
Auch die von der Bank geltend gemachte Störung der Geschäftsgrundlage (z.B. wegen der Niedrigzinspolitik) oder ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung (§ 313, § 314 BGB) wurden abgelehnt.
Das Risiko einer veränderten Zinsentwicklung liegt im Risikobereich beider Parteien. Die Bank hat sich durch die von ihr selbst gewählte Vertragsgestaltung mit einer feststeigenden Bonuszinsstaffel bewusst langfristig gebunden.
Werbeversprechen, die ein Finanzprodukt beschreiben, können bindend sein und den eigentlichen Vertrag mitgestalten. Eine Bank, die mit langfristigen Vorteilen (wie einer steigenden Zinsstaffel oder Flexibilität) wirbt, kann sich später nicht einfach von diesen Zusagen lossagen, nur weil sich die Marktlage zu ihrem Nachteil entwickelt hat. Langfristige Sparverträge mit fester Laufzeit können von der Bank nicht einfach vorzeitig gekündigt werden.
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