Aussetzung der Vollziehung: Abwägung von öffentlichem Interesse gegenüber Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen bei der Bewertung von Grundvermögen
Die nachfolgende Zusammenfassung erklärt den Beschluss des Finanzgerichts Köln (FG Köln) vom 20.12.2013 (4 V 2879/13) zur Aussetzung der Vollziehung eines Grundbesitzwertbescheids für die Grunderwerbsteuer.
Das FG Köln lehnte den Antrag einer Steuerberatungsgesellschaft auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Grunderwerbsteuer ab.
Zwar sah das Gericht ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Bewertungsregeln (sogenannte Bedarfsbewertung gemäß §§138 ff. BewG) als gegeben an. Dies hätte eigentlich zur AdV führen können.
Das Gericht urteilte, dass das öffentliche Interesse am Vollzug dieser Gesetze, insbesondere an einer geordneten Haushaltsführung, in diesem Fall Vorrang vor dem individuellen Aussetzungsinteresse der Steuerpflichtigen hat.
Eine Steuerberatungs-GmbH wurde mit einer anderen GmbH verschmolzen. Da die übertragende GmbH Grundbesitz hielt, löste dieser Vorgang gemäß §1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Grunderwerbsteuer aus.
In solchen Umwandlungsfällen wird die Grunderwerbsteuer nicht nach dem Kaufpreis (Gegenleistung), sondern nach dem Grundbesitzwert (§8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG i.V.m. §§138 ff. Bewertungsgesetz (BewG)) bemessen. Dies ist die sogenannte Bedarfsbewertung für Grunderwerbsteuerzwecke.
Das Finanzamt (Antragsgegner) setzte den Grundbesitzwert nach §§138 ff. BewG auf 374.500,00 EUR fest und erließ den Bescheid wegen verfassungsrechtlicher Zweifel vorläufig.
Die Antragstellerin legte Einspruch ein und beantragte die AdV. Sie brachte zwei Hauptargumente vor:
Sie vertrat die Auffassung, dass gemäß §138 Abs. 4 BewG der niedrigere gemeine Wert (Verkehrswert) anzusetzen sei. Diesen Wert ermittelte sie selbst nach den (eigentlich für die Erbschaftsteuer geltenden) §§180 ff. BewG auf 339.684,59 EUR. Sie argumentierte, es sei nicht logisch, dass das Grundstück für die Grunderwerbsteuer einen höheren Wert habe als für die Erbschaftsteuer.
Sie wies auf die vom Bundesfinanzhof (BFH) geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel an der Bedarfsbewertung (§§138 ff. BewG) für die Grunderwerbsteuer hin. Der BFH hatte diese Frage bereits dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorgelegt.
Das FG Köln wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück.
Das Gericht folgte dem ersten Argument der Antragstellerin nicht.
Das Gericht stellte klar, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß §138 Abs. 4 BewG nur durch individuelle Nachweise erfolgen kann (z.B. ein Sachverständigengutachten oder ein zeitnah erzielter Kaufpreis).
Der von der Antragstellerin ermittelte Wert nach §§180 ff. BewG ist ebenfalls nur ein typisierter Steuerwert (angenäherter Wert), nicht der individuelle gemeine Wert (§9 BewG). Ein pauschal ermittelter Wert kann nicht als Nachweis für einen niedrigeren individuellen Wert herangezogen werden.
Das Gesetz trennt die Bewertungsmethoden für die Grunderwerbsteuer (§§138 ff. BewG) und die Erbschaftsteuer (§§180 ff. BewG). Die Anwendung der Erbschaftsteuer-Regeln für die Grunderwerbsteuer würde die im Gesetz angelegte Systematik und die damit bezweckte Verwaltungsvereinfachung aufheben.
Das Gericht erkannte zwar die ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln für die Grunderwerbsteuer an, da der BFH die Frage dem BVerfG vorgelegt hatte. Dennoch lehnte es die AdV ab, da es eine Abwägung der Interessen vornahm:
Das Öffentliche Interesse überwiegt:
Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet zwar grundsätzlich die AdV bei Vorlage an das BVerfG. ABER, hier überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des Gesetzes und an einer geordneten Haushaltsführung.
Im Gegensatz zur Erbschaftsteuer (wo Erben Vermögen liquidieren müssen, um die Steuer zu zahlen) ist der Erwerb eines Grundstücks, der die Grunderwerbsteuer auslöst, eine bewusste Entscheidung. Der Steuerpflichtige hat die Notwendigkeit, liquide Mittel für die Steuer bereitzuhalten, in der Regel einkalkuliert. Eine unbillige Härte, die die Existenz gefährdet oder nicht wiedergutzumachende Nachteile mit sich bringt, ist hier nicht ersichtlich.
Dem Interesse der Steuerpflichtigen werde dadurch Rechnung getragen, dass der Bescheid ohnehin einen Vorläufigkeitsvermerk trage. Sollte das BVerfG die Normen für verfassungswidrig erklären, könne der Bescheid jederzeit angepasst werden.
Die Steuerberatungsgesellschaft wollte ihre Grunderwerbsteuer mindern, indem sie einen niedrigeren Grundstückswert ansetzte, den sie mit den Regeln der Erbschaftsteuer ermittelte, und berief sich zusätzlich auf Verfassungszweifel.
Das FG Köln sagte:
Der Nachweis eines niedrigeren Werts muss individuell erfolgen (z.B. durch Gutachten), nicht durch die Anwendung anderer pauschaler Steuerregeln.
Trotz ernster Verfassungszweifel an der Höhe der Steuer muss diese zunächst gezahlt werden, weil der Grundstückserwerb eine bewusste, kalkulierte Entscheidung war und die geordnete Staatsfinanzierung Vorrang hat. Eine Korrektur ist durch den Vorläufigkeitsvermerk später möglich.
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