Ausstattung als ausgleichspflichtige Zuwendung

Oktober 29, 2025

Ausstattung als ausgleichspflichtige Zuwendung

OLG Frankfurt a. M. (10. Zivilsenat), Hinweisbeschluss vom 16.01.2025 – 10 U 162/23

Zusammenfassung: OLG Frankfurt a. M. – Ausstattung als ausgleichspflichtige Zuwendung

Der Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 16. Januar 2025 beschäftigt sich mit der Frage, wann eine Schenkung der Eltern an ein Kind später im Erbfall mit den anderen Geschwistern ausgeglichen werden muss.

Das OLG beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden zurückzuweisen, da es dieses für rechtlich zutreffend hält.

Der Sachverhalt

Die Erblasser:

Die verstorbene Mutter (Erblasserin) und ihr vorverstorbener Ehemann (die Eltern) hatten ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie ihre acht Kinder zu gleichen Teilen als Schlusserben einsetzten.

Die Zuwendung: Im Jahr 1999, als der Beklagte (einer der acht Söhne) 40 Jahre alt war und noch im elterlichen Haushalt lebte, übertrugen ihm die Eltern durch einen notariellen Übergabevertrag das Eigentum an einer noch zu errichtenden Wohnung auf dem elterlichen Haus. Der Wert dieser Zuwendung wurde später von den Parteien auf 64.000 € festgelegt.

Der Streit:

Nach dem Tod der Mutter verlangte die Klägerin (eine Schwester des Beklagten) von ihrem Bruder, dem Beklagten, die Ausgleichung dieser Zuwendung. Das bedeutet, dass der Wert der Wohnung bei der Aufteilung des Erbes unter den acht Geschwistern berücksichtigt werden soll.

Die Verteidigung des Beklagten:

Der Beklagte war der Meinung, er müsse die Zuwendung nicht ausgleichen. Er argumentierte, dass der Hauptzweck der Zuwendung nicht seine Versorgung, sondern der Wunsch des Vaters (Architekt) gewesen sei, das Gebäude aufzustocken. Zudem habe er 50.000 DM (ca. 25.564 €) an die Eltern gezahlt.

Die Entscheidung des OLG (Hinweisbeschluss)

Das OLG Frankfurt a. M. stützt die Auffassung des Landgerichts, dass der Beklagte die Zuwendung ausgleichen muss.

1. Die Zuwendung ist eine Ausstattung

Das Gericht stellt fest, dass die Übertragung der Wohnung als eine Ausstattung im Sinne von § 2050 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1624 BGB zu werten ist.

Was ist eine Ausstattung?

Eine Ausstattung ist eine Zuwendung der Eltern an ein Kind, die dazu dient, dem Kind eine eigenständige Lebensstellung zu ermöglichen oder zu sichern.

Anwendung auf den Fall:

Das Gericht sah das bestimmende Motiv der Eltern darin, dem 40-jährigen, noch im Elternhaus lebenden Sohn den Schritt in die Selbstständigkeit und die Begründung eines eigenen Haushalts zu ermöglichen. Dies ist der typische Zweck einer Ausstattung.

Ausstattung als ausgleichspflichtige Zuwendung

Abgrenzung:

Das Gericht folgt nicht der Argumentation des Beklagten, dass der alleinige Zweck der Wunsch des Vaters zur Aufstockung gewesen sei, denn andernfalls hätte man die Wohnungen auch vermieten können, wenn es nur um die wirtschaftlichen Interessen der Eltern gegangen wäre.

2. Der Ausschluss der Ausgleichspflicht

Grundsätzlich kann der Erblasser die Ausgleichspflicht ausschließen. Dies muss aber eindeutig und spätestens bei der Zuwendung selbst angeordnet werden (§ 2050 Abs. 1 BGB).

Keine Anordnung:

Der notarielle Übergabevertrag von 1999 enthielt keine Regelung zum Ausschluss der Ausgleichspflicht.

Testament:

Auch das zehn Jahre später errichtete Testament, das alle acht Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte, spricht nach Auffassung des Gerichts für eine gewünschte Gleichbehandlung und die Anwendung der Ausgleichungsvorschriften.

Spätere/Mündliche Anordnung:

Spätere oder nicht ausreichend belegte mündliche Äußerungen der Eltern reichen nicht aus. Eine Anordnung muss zum Zeitpunkt der Zuwendung getroffen werden.

3. Die angebliche Gegenleistung

Der Beklagte konnte nicht beweisen, dass die von ihm später geleistete Zahlung von 50.000 DM eine vereinbarte Gegenleistung für die Wohnungsübertragung war. Der Übergabevertrag enthielt keine Gegenleistung. Die Zahlung erfolgte erst ein Jahr nach der notariellen Übertragung.

Dies spricht dagegen, dass es sich um eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung (Kaufpreis-Charakter) handelte.

Das Gericht hält es für wahrscheinlich, dass es sich bei der Zahlung um eine Erstattung von Baukosten für die Errichtung der Wohnung handelte.

Da der Ausgleichsanspruch nur den Wert des reinen Grundstücksanteils und nicht die Baukosten (die vom Beklagten selbst getragen wurden) umfasst, schmälert diese Zahlung den Ausgleichsanspruch von 64.000 € nicht.

Fazit

Das OLG Frankfurt a. M. hält fest, dass die Übertragung der Wohnung als Ausstattung zur Begründung einer selbstständigen Lebensstellung zu werten ist und daher ausgleichspflichtig ist. Da die Eltern die Ausgleichspflicht nicht ausdrücklich und rechtzeitig ausgeschlossen haben, muss sich der Beklagte den Wert von Euro 64.000 € bei der Erbauseinandersetzung anrechnen lassen, damit alle acht Geschwister am Ende tatsächlich gleich viel aus dem Nachlass erhalten.

RA und Notar Krau

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