Ausübung und Sicherung eines Wegerechts nach übereinstimmender Verlegung
BGH, Urteil vom 4.12.2015, V ZR 22/15 Vorinstanz: OLG Koblenz, Urteil vom 23.12.2014, 3 U 1179/13)
RA und Notar Krau
Stell dir vor, du hast ein Wegerecht über das Grundstück deines Nachbarn, um zu deinem eigenen Grundstück zu gelangen. Dieses Wegerecht ist im Grundbuch eingetragen und genau beschrieben, wo der Weg verlaufen soll. Was passiert aber, wenn ihr euch einig seid, den Weg zu verlegen, weil es zum Beispiel praktischer ist oder sich das Gelände verändert hat?
Genau darum ging es in einem Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat.
Ein Wegerecht ist eine Art Grunddienstbarkeit. Das bedeutet, ein Grundstück (das „herrschende Grundstück“) darf ein anderes Grundstück (das „dienende Grundstück“) auf eine bestimmte Weise nutzen, zum Beispiel um darüber zu gehen oder zu fahren. Dieses Recht ist im Grundbuch eingetragen, damit es für jeden sichtbar und rechtlich verbindlich ist. Wenn das Wegerecht im Grundbuch eingetragen ist, ist es „dinglich“ gesichert, das heißt, es gilt auch, wenn das dienende Grundstück verkauft wird.
Im vorliegenden Fall hatte ein Grundstückseigentümer (Kläger) ein Wegerecht über die Grundstücke eines Käufers (A). Dieses Wegerecht war im Kaufvertrag von 1993 genau beschrieben und auch in einem Lageplan eingezeichnet, der Teil des Vertrags war und somit ins Grundbuch aufgenommen wurde.
Im Laufe der Zeit wurde der Weg aber mit Einverständnis des Klägers immer wieder verlegt. Der neue Weg verlief nun teilweise über andere, ursprünglich nicht belastete Grundstücke des Käufers A und sogar über einen Wanderweg, der dem Kläger selbst gehörte. Die Pächter des Klägers wollten diesen neuen Weg auch mit großen Fahrzeugen nutzen.
Der Käufer A versperrte aber später die Zufahrt, und es kam zum Streit.
Kann der Kläger verlangen, dass der verlegte Weg weiter genutzt werden darf, obwohl er nicht mehr dem ursprünglichen Eintrag im Grundbuch entspricht?
Muss die Verlegung des Weges im Grundbuch eingetragen werden, damit das Wegerecht an der neuen Stelle gilt?
Der BGH hat dazu Folgendes gesagt:
Wenn der genaue Verlauf des Weges im Grundbuch festgelegt ist (zum Beispiel durch einen Plan), dann gilt das Wegerecht auch nur genau für diesen eingezeichneten Weg. Wird der Weg tatsächlich verlegt, ohne dass dies im Grundbuch geändert wird, gilt das ursprüngliche dingliche Wegerecht nicht automatisch für den neuen Weg. Um das Wegerecht auch für den neuen Weg dinglich zu sichern, muss die Änderung im Grundbuch eingetragen werden. Das ist wichtig, weil nur die Grundbucheintragung das Recht dauerhaft und für alle sichtbar macht.
Auch wenn die Grunddienstbarkeit noch nicht im Grundbuch geändert wurde, kann der Berechtigte (hier der Kläger) die Nutzung des neuen Weges verlangen, wenn er und der Eigentümer des dienenden Grundstücks (hier A) sich einvernehmlich auf die Verlegung geeinigt und diese Verlegung tatsächlich umgesetzt haben.
Dieser Anspruch ist zunächst ein „schuldrechtlicher Anspruch“, also eine Vereinbarung zwischen den beiden Parteien, die noch nicht im Grundbuch eingetragen ist. Der BGH sagt, dass der Grundstückseigentümer (A) in so einem Fall die Nutzung des neuen Weges dulden muss, bis die Änderung im Grundbuch eingetragen ist.
Der Berechtigte hat sogar einen Anspruch darauf, dass der Grundstückseigentümer bei der Eintragung der neuen Grunddienstbarkeit oder der Änderung der alten Grunddienstbarkeit im Grundbuch mitwirkt. Diesen Anspruch verliert er auch dann nicht, wenn er der Verfüllung des alten Weges zugestimmt hat.
Dingliches Recht (im Grundbuch): Ist dauerhaft und gilt gegenüber jedem. Es verjährt nicht. Wenn das Grundstück verkauft wird, muss der neue Eigentümer das Wegerecht an der eingetragenen Stelle weiterhin dulden.
Schuldrechtlicher Anspruch (durch Vereinbarung): Gilt nur zwischen den vertragsschließenden Parteien. Er kann unter Umständen verjähren (hier nach 10 Jahren). Wenn das Grundstück verkauft wird, muss der neue Eigentümer die Nutzung des neuen Weges nicht dulden, wenn die Verlegung nicht im Grundbuch eingetragen wurde, es sei denn, er hat die Pflichten seines Vorgängers übernommen.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger und sein Pächter also aufgrund der stillschweigenden Vereinbarung das Recht, den neuen Weg zu nutzen, solange A der Eigentümer war und die Grundbucheintragung noch nicht erfolgt war. Der BGH betonte, dass der Berechtigte gut daran tut, die Änderung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch auch tatsächlich vornehmen zu lassen, um das Recht langfristig zu sichern.
Wenn du ein Wegerecht hast oder gibst und ihr euch einigt, den Weg zu verlegen:
Nur eine mündliche Absprache oder tatsächliche Verlegung reicht nicht aus, um das Wegerecht dauerhaft und für alle verbindlich an der neuen Stelle zu sichern.
Für eine langfristige und rechtssichere Lösung muss die Verlegung unbedingt im Grundbuch eingetragen werden.
Solange die Eintragung nicht erfolgt ist, hast du zwar aufgrund der Absprache ein Recht, den neuen Weg zu nutzen (gegenüber dem aktuellen Eigentümer), aber dieses Recht ist weniger stark als ein im Grundbuch eingetragenes Recht. Es könnte zum Beispiel problematisch werden, wenn das Grundstück verkauft wird oder viel Zeit vergeht.
Absprachen sind gut, aber für die dauerhafte und rechtlich sichere Verlegung eines Wegerechts ist die Eintragung im Grundbuch unerlässlich.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.