Aufrechnung mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen Kautionsrückzahlungsanspruch

Juni 9, 2025

Aufrechnung mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen Kautionsrückzahlungsanspruch

RA und Notar Krau

BGH-Urteil zur Mietkaution: Was Sie wissen müssen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 10. Juli 2024 ein wichtiges Urteil zur Mietkaution gesprochen (Aktenzeichen VIII ZR 184/23). Es geht darum, wann Vermieter Ansprüche aus der Kaution geltend machen können, besonders wenn es um Schäden an der Wohnung geht und die übliche Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Worum ging es in dem Fall?

Eine Mieterin wollte ihre Kaution zurückhaben. Der Vermieter – der das Mietverhältnis durch Erbe übernommen hatte – rechnete dagegen mit angeblichen Schäden an der Wohnung auf. Die Mieterin sagte jedoch, die Ansprüche des Vermieters seien bereits verjährt.

Das Amtsgericht und das Landgericht gaben der Mieterin Recht. Sie meinten, der Vermieter hätte seine Ansprüche früher als Geldforderung geltend machen müssen, um die Verjährung zu stoppen. Da er dies nicht fristgerecht getan hatte, sei die Aufrechnung mit der Kaution nicht möglich.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und stellte klar, dass der Vermieter auch mit verjährten Schadensersatzansprüchen gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen kann, wenn er dies im Rahmen der Kautionsabrechnung tut.


Die wichtigsten Punkte des Urteils einfach erklärt:

1. Kaution als Sicherheit:

Die Kaution dient dazu, den Vermieter abzusichern. Er soll sich nach dem Mietende einfach aus der Kaution bedienen können, wenn der Mieter noch offene Forderungen, zum Beispiel wegen Schäden, hat.

2. Verjährung und Aufrechnung:

Normalerweise können verjährte Forderungen nicht zur Aufrechnung genutzt werden. Es gibt aber eine Ausnahme: Wenn die Forderung im Zeitpunkt, als sie das erste Mal aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war (§ 215 BGB).

3. Anspruch auf Schadensersatz – Geld statt Reparatur:

Wenn ein Mieter die Wohnung beschädigt, hat der Vermieter grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Schaden behoben wird (sogenannte Naturalrestitution). Der Vermieter kann aber auch stattdessen Geld für die Reparatur verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das ist die sogenannte „Ersetzungsbefugnis“. Erst wenn der Vermieter erklärt, dass er Geld statt Naturalrestitution will, wird der Anspruch zu einer Geldforderung, die mit der Kaution verrechnet werden kann.

Aufrechnung mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen Kautionsrückzahlungsanspruch

4. Knackpunkt: Wann muss die Ersetzungsbefugnis ausgeübt werden?

Die Vorinstanzen meinten, der Vermieter hätte die „Ersetzungsbefugnis“ (also die Umwandlung des Anspruchs in eine Geldforderung) innerhalb der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten ausüben müssen. Weil er das nicht bewiesen hatte, wurden seine Ansprüche als verjährt angesehen.

Der BGH sah das anders. Er argumentierte, dass die Kaution gerade dafür da ist, dem Vermieter die Befriedigung seiner Ansprüche zu erleichtern. Es würde dem Zweck der Kaution widersprechen, wenn der Vermieter extra innerhalb der kurzen Verjährungsfrist erklären müsste, dass er Geld statt Reparatur will, nur um seine Aufrechnungsmöglichkeit zu erhalten.

5. Auslegung des Mietvertrags:

Laut BGH ist eine Barkautionsabrede im Mietvertrag typischerweise so zu verstehen, dass der Vermieter sich wegen Schäden aus der Kaution bedienen kann, selbst wenn er die „Ersetzungsbefugnis“ erst bei der Kautionsabrechnung und damit möglicherweise nach Ablauf der Verjährungsfrist erklärt. Es ist üblich, dass diese Erklärung zusammen mit der Aufrechnung bei der Kautionsabrechnung erfolgt.

6. Keine Benachteiligung für den Mieter:

Der BGH betonte, dass der Mieter dadurch nicht benachteiligt wird. Er weiß in der Regel, dass die Kaution für solche Zwecke da ist. Auch wenn der Vermieter seine Ansprüche zunächst nicht beziffert, besteht kein berechtigtes Vertrauen des Mieters, dass er nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr wegen Schäden in Anspruch genommen wird, solange die Kaution noch nicht abgerechnet wurde.


Was bedeutet das Urteil für Mieter und Vermieter?

  • Für Vermieter: Das Urteil stärkt die Position der Vermieter. Sie müssen die „Ersetzungsbefugnis“ (die Erklärung, dass sie Geld statt Naturalrestitution wollen) nicht zwangsläufig innerhalb der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten nach Mietende ausüben, um später mit der Kaution aufzurechnen. Es reicht aus, wenn sie dies bei der Kautionsabrechnung tun. Die Kaution bleibt ein wirksames Sicherungsmittel für Schadensersatzansprüche.
  • Für Mieter: Mieter können nicht allein darauf vertrauen, dass Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Wohnung automatisch verjährt sind, nur weil der Vermieter die Ersetzungsbefugnis nicht innerhalb von sechs Monaten erklärt hat. Der Vermieter hat eine angemessene Frist zur Kautionsabrechnung, die auch länger als sechs Monate sein kann. Erst wenn die Abrechnung erfolgt ist und klar ist, ob und in welcher Höhe der Vermieter Forderungen hat, kann der Mieter mit Gewissheit seine Kaution zurückerwarten.

Das Urteil unterstreicht, dass der Zweck der Mietkaution – die einfache Sicherung von Vermieteransprüchen – Vorrang hat. Es wird erwartet, dass der Vermieter seine Ansprüche im Rahmen der Kautionsabrechnung geltend macht, und diese Möglichkeit soll nicht daran scheitern, dass er bestimmte formelle Schritte nicht innerhalb kurzer Verjährungsfristen unternommen hat.


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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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