BAG 1 ABR 29/94

Oktober 20, 2017

BAG 1 ABR 29/94 – Jährliche Betriebsvereinbarung über Weihnachtsgratifikation – Kündigung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in diesem Fall, dass eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung einer jährlichen Weihnachtsgratifikation ordentlich kündbar ist

und nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht nachwirkt, wenn die Gratifikationszahlungen in der Folgezeit vollständig eingestellt werden.

Sachverhalt:

  • Die Arbeitgeberin zahlte ihren Arbeitnehmern seit 1953 zusätzlich zum Tarifvertrag eine freiwillige Weihnachtsgratifikation.
  • Ab 1979 wurde die Gratifikation jährlich in Betriebsvereinbarungen geregelt.
  • 1982 vereinbarten die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung (Nr. 21), die Gratifikation auf 13 Monatsgehälter zu begrenzen und für bestimmte Arbeitnehmer höhere Sätze als Besitzstand zu sichern.
  • Die Arbeitgeberin kündigte die Betriebsvereinbarung Nr. 21 und stellte 1993 die Zahlung der übertariflichen Gratifikation ein.
  • Der Gesamtbetriebsrat beantragte die Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 21 nicht ordentlich kündbar sei bzw. nachwirke.

Entscheidungsgründe:

I. Kündbarkeit der Betriebsvereinbarung:

BAG 1 ABR 29/94

Das BAG entschied, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 21 ordentlich kündbar war.

  • § 77 Abs. 5 BetrVG: Betriebsvereinbarungen sind grundsätzlich mit einer Frist von drei Monaten kündbar, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wurde.
  • Keine andere Vereinbarung: Ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung war in der Betriebsvereinbarung Nr. 21 nicht vereinbart.
  • Auslegung: Auch die Auslegung der Betriebsvereinbarung ergab keinen Anhaltspunkt für einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Die Besitzstandsregelung für bestimmte Arbeitnehmer bedeutete nicht, dass die Betriebsvereinbarung nicht kündbar sein sollte.
  • Keine sachlichen Gründe erforderlich: Die Kündigung der Betriebsvereinbarung bedurfte keiner sachlichen Gründe.

II. Nachwirkung der Betriebsvereinbarung:

Das BAG entschied, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 21 nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht nachwirkt.

  • Keine Nachwirkung bei vollständiger Leistungseinstellung: Betriebsvereinbarungen über freiwillige Leistungen wirken nach ihrer Kündigung grundsätzlich nicht nach, wenn der Arbeitgeber die Leistung vollständig einstellt.
  • Teilmitbestimmte Leistungen: Dies gilt auch für teilmitbestimmte Leistungen, bei denen der Arbeitgeber die Leistungserbringung frei entscheiden kann.
  • Keine Nachwirkung im Streitfall: Da die Arbeitgeberin die übertarifliche Gratifikation vollständig eingestellt hatte, wirkte die Betriebsvereinbarung Nr. 21 nicht nach.

BAG 1 ABR 29/94

III. Jährliche Betriebsvereinbarungen:

Das BAG entschied außerdem, dass die jährlichen Betriebsvereinbarungen über die Weihnachtsgratifikation jeweils nur für das betreffende Jahr galten und keine Dauerregelung darstellten.

  • Keine betriebliche Übung: Die wiederholte Vereinbarung der Gratifikation in jährlichen Betriebsvereinbarungen führte nicht zu einer betrieblichen Übung.
  • Freiwilligkeitsvorbehalt: Der in den Betriebsvereinbarungen enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt verdeutlichte, dass die Arbeitgeberin sich nicht dauerhaft binden wollte.

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht die Grenzen der Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen.

Es zeigt, dass Arbeitgeber sich durch die Kündigung einer Betriebsvereinbarung von der Verpflichtung zur Zahlung freiwilliger Leistungen befreien können, wenn sie die Leistung anschließend vollständig einstellen.

Wichtige Punkte:

  • Kündbarkeit: Betriebsvereinbarungen sind grundsätzlich ordentlich kündbar.
  • Nachwirkung: Betriebsvereinbarungen über freiwillige Leistungen wirken nach ihrer Kündigung nicht nach, wenn der Arbeitgeber die Leistung vollständig einstellt.
  • Teilmitbestimmte Leistungen: Dies gilt auch für teilmitbestimmte Leistungen, bei denen der Arbeitgeber die Leistungserbringung frei entscheiden kann.
  • Jährliche Betriebsvereinbarungen: Die wiederholte Vereinbarung einer Leistung in jährlichen Betriebsvereinbarungen führt nicht zu einer Dauerregelung.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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