BAG 1 ABR 30/02

Oktober 20, 2017

BAG 1 ABR 30/02 – Durchführung einer Betriebsvereinbarung über Gleitzeit – tarifliche wöchentliche Arbeitszeit

Kernaussage:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in diesem Fall über die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber, Betriebsrat und Gewerkschaft im Zusammenhang mit Betriebsvereinbarungen zur Gleitzeit.

Im Zentrum standen dabei die Vereinbarkeit der Betriebsvereinbarungen mit dem geltenden Tarifvertrag, die Durchsetzung der Arbeitszeitrahmen und die Übertragung von Gleitzeitguthaben.

Sachverhalt:

  • Die Arbeitgeberin, ein Automobilhersteller, und der Betriebsrat hatten zwei Betriebsvereinbarungen zur Gleitzeit abgeschlossen: „BV Classic“ und „BV NEZE“.
  • Beide Vereinbarungen sahen einen täglichen Arbeitszeitrahmen von 6:00 Uhr bis 19:00 Uhr vor.
  • Die „BV NEZE“ ermöglichte zudem die Übertragung von Gleitzeitguthaben über den Ausgleichszeitraum hinaus.
  • Es kam zu erheblichen Überschreitungen der Arbeitszeitrahmen und der übertragbaren Gleitzeitguthaben.
  • Betriebsrat und Gewerkschaft klagten gegen die Arbeitgeberin und forderten die Einhaltung der Betriebsvereinbarungen.

Entscheidungsgründe:

BAG 1 ABR 30/02

I. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde:

Das BAG stellte zunächst fest, dass die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zulässig ist. Es ging dabei um die Frage, ob die Beschwerde des Betriebsrats und der Gewerkschaft fristgerecht eingelegt worden war.

Das BAG kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdefrist gewahrt war, da der Beschluss des Arbeitsgerichts erst am Folgetag der Verkündung zugestellt wurde.

II. Durchführung der Betriebsvereinbarung:

  • Übertragung von Gleitzeitguthaben: Das BAG entschied, dass die Regelungen in der „BV NEZE“ zur Übertragung von Gleitzeitguthaben über den Ausgleichszeitraum hinaus unwirksam sind, da sie gegen den geltenden Tarifvertrag verstoßen. Der Tarifvertrag sah eine maximale Dauer für Ausgleichszeiträume vor, die durch die Übertragungsmöglichkeit unterlaufen wurde.
  • Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs: Der Antrag des Betriebsrats und der Gewerkschaft, die Arbeitgeberin zur Planung und Umsetzung des Zeitausgleichs zu verpflichten, um die Einhaltung der Gleitzeitguthaben zu gewährleisten, wurde ebenfalls abgewiesen. Da die Übertragung von Gleitzeitguthaben unzulässig war, entfiel auch die Grundlage für diesen Anspruch.

III. Unterlassung von Arbeitszeiten außerhalb des Gleitzeitrahmens:

BAG 1 ABR 30/02

  • Arbeitszeitrahmen: Das BAG bestätigte den Anspruch des Betriebsrats und der Gewerkschaft, dass die Arbeitgeberin die Duldung von Arbeitszeiten außerhalb des vereinbarten Arbeitszeitrahmens (6:00 Uhr bis 19:00 Uhr) unterlassen muss. Die Festlegung des Arbeitszeitrahmens in den Betriebsvereinbarungen sei verbindlich.
  • Verantwortung der Arbeitgeberin: Die Arbeitgeberin könne sich nicht darauf berufen, dass sie die außerhalb des Arbeitszeitrahmens geleisteten Stunden nicht vergütet habe. Sie sei verpflichtet, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des Arbeitszeitrahmens zu gewährleisten.

IV. Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen:

Der Antrag des Betriebsrats und der Gewerkschaft, die Arbeitgeberin zur Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden täglich zu verpflichten, wurde abgewiesen.

Das BAG stellte klar, dass weder die Betriebsvereinbarung noch die Überwachungspflicht des Betriebsrats einen solchen Anspruch begründen.

V. Ordnungsmittel:

Das BAG bestätigte die Androhung von Ordnungsgeldern gegen die Arbeitgeberin für den Fall, dass sie Arbeitszeiten außerhalb des Gleitzeitrahmens duldet.

BAG 1 ABR 30/02

Die Höhe des Ordnungsgeldes wurde jedoch auf 10.000 Euro begrenzt, da dies die Höchstgrenze nach dem Betriebsverfassungsgesetz darstellt.

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Tarifautonomie und die Grenzen der betrieblichen Mitbestimmung. Betriebsvereinbarungen dürfen nicht gegen zwingende tarifliche Regelungen verstoßen.

Gleichzeitig betont das Urteil die Verantwortung der Arbeitgeberin für die Einhaltung der Arbeitszeitregelungen und die aktive Durchsetzung der Betriebsvereinbarungen.

Wichtige Punkte:

  • Tariftreue: Betriebsvereinbarungen dürfen nicht gegen zwingende tarifliche Regelungen verstoßen.
  • Arbeitszeitrahmen: Die Festlegung eines Arbeitszeitrahmens in einer Betriebsvereinbarung ist verbindlich.
  • Verantwortung des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber ist für die Einhaltung der Arbeitszeitregelungen verantwortlich und muss aktiv Maßnahmen ergreifen, um die Einhaltung der Betriebsvereinbarung zu gewährleisten.
  • Grenzen der Mitbestimmung: Die Mitbestimmung des Betriebsrats ist durch die Tarifautonomie begrenzt.
  • Ordnungsmittel: Bei Verstößen gegen die Betriebsvereinbarung können Ordnungsmittel angedroht werden.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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