BAG 10 AZR 483/08

Oktober 20, 2017

BAG 10 AZR 483/08 – Anspruch auf Weihnachtsgeld auf Grund betrieblicher Übung – ablösende Betriebsvereinbarung

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in diesem Fall entschieden, dass ein durch betriebliche Übung entstandener Anspruch auf Weihnachtsgeld

nicht durch eine spätere Betriebsvereinbarung, die die Zahlung von Weihnachtsgeld für ein bestimmtes Jahr ausschließt, aufgehoben werden kann.

Es gilt das Günstigkeitsprinzip, wonach günstigere einzelvertragliche Ansprüche Vorrang vor Betriebsvereinbarungen haben.

Sachverhalt:

  • Der Kläger war seit 1969 bei der Beklagten beschäftigt.
  • Die Beklagte zahlte ihm und den anderen Arbeitnehmern über zehn Jahre lang Weihnachtsgeld.
  • Im Jahr 2006 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, wonach für dieses Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt werden sollte.
  • Der Kläger klagte auf Zahlung des Weihnachtsgeldes und berief sich auf die betriebliche Übung.

BAG 10 AZR 483/08

Entscheidungsgründe:

I. Anspruch aus betrieblicher Übung:

Das BAG bestätigte, dass dem Kläger aufgrund der langjährigen Zahlung von Weihnachtsgeld ein Anspruch aus betrieblicher Übung zusteht.

II. Günstigkeitsprinzip:

Das BAG entschied, dass der Anspruch des Klägers auf Weihnachtsgeld durch die Betriebsvereinbarung nicht aufgehoben wurde.

  • Vergütungsanspruch: Der Anspruch auf Weihnachtsgeld sei ein Vergütungsanspruch und kein Anspruch auf eine Sozialleistung.
  • Günstigkeitsprinzip: Für Vergütungsansprüche gelte das Günstigkeitsprinzip.
  • Vorrang des Einzelvertrags: Günstigere einzelvertragliche Ansprüche hätten Vorrang vor Betriebsvereinbarungen.

III. Vertragliche Ansprüche:

Das BAG stellte klar, dass vertragliche Ansprüche nur durch Kündigung oder vertragliche Abrede geändert werden können.

BAG 10 AZR 483/08

  • Vertragstheorie: Durch eine betriebliche Übung entstünden vertragliche Ansprüche.
  • Kündigung oder Vereinbarung: Ein vertraglicher Anspruch könne nur durch Kündigung oder eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer beseitigt werden.
  • Keine erleichterte Änderung: Ein durch betriebliche Übung entstandener Anspruch sei kein vertraglicher Anspruch minderer Rechtsbeständigkeit.

IV. Transparenzgebot:

Das BAG betonte, dass ein Arbeitgeber, der eine Sonderzahlung unter dem Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung leisten will, diesen Vorbehalt klar und verständlich zum Ausdruck bringen muss.

  • Allgemeine Geschäftsbedingungen: Auch mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingungen seien Allgemeine Geschäftsbedingungen.
  • Transparenzgebot: Vorbehalte müssten dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen.
  • Klare Formulierung: Der Vorbehalt müsse so klar formuliert sein, dass ein verständiger Arbeitnehmer erkennen kann, dass die Leistung „betriebsvereinbarungsoffen“ ist.

Fazit:

BAG 10 AZR 483/08

Das Urteil stärkt die Rechte der Arbeitnehmer, indem es den Vorrang von einzelvertraglichen Ansprüchen gegenüber Betriebsvereinbarungen bestätigt.

Es verdeutlicht, dass Arbeitgeber, die die Zahlung von Sonderzahlungen an den Bestand einer Betriebsvereinbarung knüpfen wollen, dies klar und deutlich zum Ausdruck bringen müssen.

Andernfalls können sie sich nicht auf die Betriebsvereinbarung berufen, um den Anspruch des Arbeitnehmers zu vereiteln.

Wichtige Punkte:

  • Betriebliche Übung: Durch betriebliche Übung können vertragliche Ansprüche entstehen.
  • Weihnachtsgeld: Der Anspruch auf Weihnachtsgeld ist ein Vergütungsanspruch.
  • Günstigkeitsprinzip: Günstigere einzelvertragliche Ansprüche haben Vorrang vor Betriebsvereinbarungen.
  • Transparenzgebot: Vorbehalte bei der Leistung von Sonderzahlungen müssen klar und verständlich formuliert sein.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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