BAG 2 AZR 276/16

Oktober 3, 2017

BAG 2 AZR 276/16 Urteil vom 22.9.2016 – Massenentlassung – Konsultationsverfahren – Unterrichtung Arbeitgeber nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Nr. 1 bis 6 KSchG

RA und Notar Krau

Die Klägerin, ein schwerbehinderter Mensch, war bei der Beklagten beschäftigt.

Die Beklagte plante eine Betriebsstilllegung, die zur Entlassung aller Arbeitnehmer führte.

Die Klägerin erhielt zwei Kündigungen: eine im Februar 2015 und eine im Juli 2015.

Sie klagte gegen beide Kündigungen und machte hilfsweise einen Nachteilsausgleich geltend.

Streitpunkte:

  • Waren die Massenentlassungsanzeigen der Beklagten ordnungsgemäß?
  • War das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt worden?
  • Hatte die Klägerin Anspruch auf einen Nachteilsausgleich?
  • Welche Anforderungen gelten für die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG?

Entscheidung des BAG:

BAG 2 AZR 276/16

Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts teilweise auf und wies die Klage hinsichtlich der zweiten Kündigung ab.

Die erste Kündigung war unwirksam, da die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft war.

Die zweite Kündigung war wirksam, da das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden war.

Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich bestand nicht.

Wesentliche Aussagen des BAG:

  • Massenentlassungsanzeige: Die Massenentlassungsanzeige muss den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat korrekt wiedergeben. Eine fehlerhafte Anzeige führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
  • Konsultationsverfahren: Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend informieren und mit ihm ernsthaft beraten. Ein Einigungszwang besteht nicht.
  • Unterrichtung des Betriebsrats: Die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KSchG kann in Textform erfolgen.
  • Nachteilsausgleich: Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht nur, wenn der Arbeitgeber keinen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht hat.

BAG 2 AZR 276/16

Auslegung des § 17 KSchG:

Das BAG legte § 17 KSchG aus und kam zu folgenden Ergebnissen:

  • Schriftform: Die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KSchG muss nicht den Anforderungen des § 126 BGB genügen. Die Wahrung der Textform gemäß § 126b BGB ist ausreichend.
  • Zweckdienliche Auskünfte: Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat alle zweckdienlichen Auskünfte erteilen. Der Umfang der Auskunftspflicht richtet sich nach dem Verlauf der Beratungen.
  • Beendigung der Konsultationen: Der Arbeitgeber kann die Konsultationen beenden, wenn er annehmen darf, dass kein Ansatz für weitere zielführende Verhandlungen besteht.

Hinweise für die Praxis:

Das Urteil des BAG verdeutlicht die Bedeutung eines ordnungsgemäßen Konsultationsverfahrens bei Massenentlassungen.

Arbeitgeber sollten:

  • Den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend informieren.
  • Die Unterrichtung in Textform vornehmen.
  • Den Stand der Beratungen in der Massenentlassungsanzeige korrekt wiedergeben.
  • Sich ernsthaft um einen Interessenausgleich bemühen.
  • Die Konsultationen erst beenden, wenn keine Aussicht auf eine Einigung besteht.

BAG 2 AZR 276/16

Fazit:

Das Urteil des BAG stärkt die Rechte des Betriebsrats im Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen.

Arbeitgeber müssen die gesetzlichen Vorgaben sorgfältig beachten, um die Wirksamkeit der Kündigungen nicht zu gefährden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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