BAG 5 AZR 666/15 Urteil vom 22.3.2017, Erfüllung des entsenderechtlichen Mindestlohnanspruchs durch Zahlung einer Treueprämie
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Anerkenntnisurteil und Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. September 2015 – 8 Sa 154/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
BAG 5 AZR 666/15
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Erfüllung des entsenderechtlichen Mindestlohnanspruchs durch Zahlung einer Treueprämie.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die einen Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb für Geflügel betreibt, als Produktionshelferin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt der nach § 7 AEntG erlassenen, am 1. August 2014 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft, die bestimmt, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestbedingungen für Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestbedingungen) vom 13. Januar 2014 auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer, die unter seinen Geltungsbereich fallen, Anwendung finden. Der TV Mindestbedingungen lautet auszugsweise:
„§ 2
Mindestlöhne
1.
Das Mindestentgelt ist Entgelt im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 1 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben unberührt.
2.
Die Mindestlöhne je Stunde betragen bundeseinheitlich je Stunde
ab 1. Juli 2014
7,75 Euro,
…
3.
Der Anspruch auf das Mindestentgelt wird spätestens zum 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den das Mindestentgelt zu zahlen ist.“
BAG 5 AZR 666/15
Im August 2014 arbeitete die Klägerin 120 Stunden, im September 2014 144 Stunden, in der übrigen Zeit war sie arbeitsunfähig krank. Sie erhielt in diesen Monaten für geleistete Arbeit einen Bruttostundenlohn von 7,15 Euro, eine Schichtzulage von 0,10 Euro brutto und eine Treueprämie von 0,50 Euro brutto. Letztere beruht auf einem zum 31. Dezember 2009 gekündigten Haustarifvertrag mit der IG Bauen-Agrar-Umwelt und nachfolgender Gesamtzusagen.
Die Klägerin hat für die Monate August und September 2014 Differenzvergütung unter Zugrundelegung einer Arbeitszeit von monatlich 160 Stunden verlangt. Die Beklagte habe den Anspruch auf den Mindestlohn nicht vollständig erfüllt, die Treueprämie sei nicht mindestlohnwirksam.
Die Klägerin hat – soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist – sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 160,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. November 2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche für August und September 2014 weiter.
Entscheidungsgründe BAG 5 AZR 666/15
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Klage unbegründet ist.
I. Die Klage ist unschlüssig, soweit die Klägerin restlichen Mindestlohn für August 2014 für mehr als 120 Stunden und für September 2014 für mehr als 144 Stunden fordert. Denn dieser ist nach § 2 Nr. 2 TV Mindestbedingungen „je Stunde“ festgelegt und damit für alle Stunden zu zahlen, während derer der Arbeitnehmer die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt (vgl. BAG 18. November 2015 – 5 AZR 761/13 – Rn. 17, BAGE 153, 248). Das bestätigt § 2 Nr. 1 TV Mindestbedingungen. § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG ermöglicht (nur) Regelungen über die Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden (vgl. BAG 18. November 2015 – 5 AZR 761/13 – Rn. 19, aaO). Es fehlt zudem jeder Anhaltspunkt dafür, dass der TV Mindestbedingungen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall schaffen sollte.
BAG 5 AZR 666/15
In der Berufungsinstanz ist unstreitig geworden, dass die Klägerin im August 2014 lediglich 120 Stunden und im September 2014 nur 144 Stunden gearbeitet hat. In der restlichen Zeit war sie arbeitsunfähig krank. Entgeltfortzahlung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum hat die Beklagte geleistet bzw. in der Berufungsinstanz anerkannt.
II. Im Übrigen ist der Anspruch der Klägerin auf den Mindestlohn nach § 2 Nr. 2 TV Mindestbedingungen durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat im Streitzeitraum für geleistete Arbeit die geschuldeten 7,75 Euro brutto/Stunde gezahlt. Die Treueprämie ist mindestlohnwirksam.
1. Ob und in welchem Umfang der Mindestlohnanspruch neben der Grundvergütung durch weitere Leistungen erfüllt wird, bestimmt sich danach, ob die vom Arbeitgeber erbrachten (Zusatz-)Leistungen die Normzwecke der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft und des TV Mindestbedingungen sichern (zur PflegeArbbV BAG 18. November 2015 – 5 AZR 761/13 – Rn. 21 ff., BAGE 153, 248; zur AbfallArbbV BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 37 ff., BAGE 148, 68). Entsprechend der Zielsetzung in § 1 AEntG sollen angemessene Mindestarbeitsbedingungen in Form von Mindestentgeltsätzen für geleistete Arbeit gemäß § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG (§ 2 Nr. 1 TV Mindestbedingungen) geschaffen und durchgesetzt sowie faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden.
2. Gemessen daran ist die von der Beklagten im Streitzeitraum geleistete Treueprämie mindestlohnwirksam. Die Beklagte hat diese vorbehaltlos neben der Grundvergütung als Teil der Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt. Die Treueprämie in der von der Beklagten gewährten Weise erfüllt damit als eine im Synallagma stehende Geldleistung die Zwecke der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft und des TV Mindestbedingungen, die ihrerseits die Anrechnung von Prämien auf den Mindestlohn nicht ausschließen (zur PflegeArbbV BAG 18. November 2015 – 5 AZR 761/13 – Rn. 26, BAGE 153, 248).
III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Biebl
Weber
Volk
Biebl
Hepper
BAG 5 AZR 666/15
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.