BAG; 7 AZR 135/15
Befristung – institutioneller Rechtsmissbrauch
Leitsatz
Eine wiederholte Abkopplung der Vertretungsdauer von dem Vertretungsgrund kann im Schulbereich nur dann für einen institutionellen Rechtsmissbrauch sprechen, wenn die befristeten Arbeitsverträge weder dem konkreten Vertretungsbedarf entsprechen noch mit dem jeweiligen Schulhalbjahr enden.(Rn.42)
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Dezember 2014 – 9 Sa 486/14 – aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 7. Mai 2014 – 4 Ca 2979/13 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger studierte an der Sporthochschule K bis zum Vordiplom. Er ist Diplom-Trainer (Trainer-Akademie) und war in der Zeit von 1988 bis 2007 als Trainer von verschiedenen Volleyball-Mannschaften bzw. Beach-Volleyball-Teams im Amateur- und Profibereich tätig. Über eine Lehramtsbefähigung verfügt er nicht. In der Zeit vom 15. Oktober 2007 bis zum 7. Februar 2014 wurde der Kläger am städtischen Gymnasium in R als Vertretungslehrer im Fach Sport beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegen die folgenden befristeten Arbeitsverträge zugrunde:
Arbeitsvertrag vom | Vertretungsgrund | Pflichtstundenzahl | Befristungsdauer | |
12./23.10. 2007 | Erkrankung des Lehrers S | 19,00/25,50 | 15.10.2007 bis 19.12.2007 | |
16.11.2007 | Ausscheiden des Lehrers S | 19,00/25,50 | 16.11.2007 bis 31.01.2008 | |
29./30.01. 2008 | Ausscheiden des Lehrers S | 22,00/25,50 | 01.02.2008 bis 25.06.2008 | |
Vergütung der Sommerferien aus freien Mitteln | 26.06.2008 bis 31.07.2008 | |||
13.06.2008 | Mutterschutzvertretung Frau H | 01.08.2008 bis 07.11.2008 | ||
24.10.2008 | Mutterschutzvertretung Frau H | 25,00/25,50 | Verlängerung bis 18.11.2008 | |
10.11.2008 | Elternzeit der Lehrerin H | 25,00/25,50 | 19.11.2008 bis 31.01.2009 | |
02.02.2009 | Elternzeit der Lehrerin H | 25,00/25,50 | 01.02.2009 bis 01.07.2009 | |
13./14.08. 2009 | Elternzeit der Lehrerin R | 25,00/25,50 | 02.07.2009 bis 14.07.2010 | |
14./25.06. 2010 | Vertretung der Lehrerin Ho | 25,50/25,50 | 15.07.2010 bis 31.05.2011 | |
28.02./ 01.03.2011 | Vertretung der Lehrerin H | 15,50/25,50 | 01.06.2011 bis 06.09.2011 | |
28.02./ 01.03.2011 | Vertretung der Lehrerin J | 10,00/25,50 | 01.06.2011 bis 06.09.2011 | |
14./20.07. 2011 | Vertretung der Lehrerin D | 15,50/25,50 bzw. 25,00/25,50 | 07.09.2011 bis 24.01.2012 | |
30.08./ 06.09.2011 | Vertretung der Lehrerin D | 9,50/25,50 | 07.09.2011 bis 24.01.2012 | |
04./16.01. 2012 | Vertretung der Lehrerin D | 25,00/25,50 | 25.01.2012 bis 10.02.2012 | |
02.02.2012 | Vertretung der Lehrerin D | 25,00/25,50bzw. 25,50/25,50 | 11.02.2012 bis 21.08.2012 | |
25.06.2012 | Vertretung der Lehrerin D | 25,50/25,50 | 22.08.2012 bis 01.02.2013 | |
23./24.01. 2013 | Vertretung der Lehrerin Ho | 10,00/25,50 | 02.02.2013 bis 03.09.2013 | |
23./24.01. 2013 | Vertretung der Lehrerin D | 15,50/25,50 | 02.02.2013 bis 03.09.2013 | |
25.07.2013 | Vertretung der Lehrerin W | 25,50/25,50 | 04.09.2013 bis 07.02.2014 |
Die Lehrerin W, die während der Dauer des letzten befristeten Arbeitsvertrags des Klägers wegen Inanspruchnahme von Elternzeit abwesend war, unterrichtete die Fächer Englisch und Geschichte.
Mit der am 22. November 2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2013 vereinbarten Befristung zum 7. Februar 2014 gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, der Sachgrund der Vertretung liege nicht vor. Außerdem könne sich das beklagte Land aufgrund der gesamten Dauer der Vertragslaufzeit und der hohen Zahl befristeter Arbeitsverträge nicht auf den Sachgrund der Vertretung berufen. Es sei von einem institutionellen Rechtsmissbrauch auszugehen. Dafür sprächen auch die weiteren Umstände. Die Stundenzahl habe während des gesamten Arbeitsverhältnisses nicht wesentlich geschwankt. Die Befristungsdauer sei bei einem erheblichen Teil der Arbeitsverträge zeitlich deutlich hinter der zu erwartenden Dauer des Vertretungsbedarfs zurückgeblieben. Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, bei Elternzeit von Lehrkräften Vertretungsverträge abzuschließen, deren Dauer nicht dem zu erwartenden Vertretungsbedarf entsprächen, sondern die stattdessen zum Schulhalbjahr endeten. Die Schülerzahlen für das Schuljahr stünden zu Beginn des ersten Halbjahrs fest und änderten sich danach nicht wesentlich. Nach einer Beschäftigungsdauer von sechs Jahren und knapp vier Monaten könne das beklagte Land dem Rechtsmissbrauchseinwand nicht mehr mit der fehlenden Lehramtsbefähigung begegnen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2013 zum 7. Februar 2014 geendet hat, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 7. Februar 2014 hinaus fortbesteht. |
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die zuletzt vereinbarte Befristung sei durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Die Grundsätze des institutionellen Rechtsmissbrauchs stünden der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegen. Die Gesamtlaufzeit der befristeten Arbeitsverträge bewege sich mit sechs Jahren und knapp vier Monaten nicht in dem Bereich, der Anlass für eine Rechtsmissbrauchskontrolle biete. Auch die Anzahl der mit dem Kläger getroffenen Befristungsabreden lasse die Befristung nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass für die Beurteilung des institutionellen Rechtsmissbrauchs von insgesamt 16 und nicht von 20 befristeten Arbeitsverträgen auszugehen sei. Außer Betracht bleiben müsse der Arbeitsvertrag vom 26. Juni 2008 bis zum 31. Juli 2008. In dieser Zeit habe dem Kläger lediglich die Vergütung für die Sommerferien gezahlt werden sollen. Auch die Arbeitsverträge vom 28. Februar/1. März 2011 zur Vertretung der Lehrerinnen H und J sowie der Arbeitsvertrag vom 30. August/6. September 2011 zur Vertretung der Lehrerin D seien nicht zu berücksichtigen, weil sie vereinbarungsgemäß lediglich der Aufstockung des Stundenvolumens des Klägers gedient hätten. Gleiches gelte für den Vertrag vom 23./24. Januar 2013 zur Vertretung der Lehrerin D.
Zumindest sei eine nach der Gesamtdauer und der Anzahl der befristeten Arbeitsverträge möglicherweise zu vermutende missbräuchliche Ausnutzung der Befristungsmöglichkeit bei einer Würdigung der gesamten Umstände widerlegt. Dabei seien Besonderheiten der Unterrichtsplanung an Schulen zu berücksichtigen. Der wechselnde Vertretungsbedarf unter Berücksichtigung schwankender Schülerzahlen, die Einstellung neuer Lehrkräfte, der selbständige Unterricht von Referendaren sowie ein „Epochal“-Unterricht ließen nur eine auf das Schulhalbjahr bezogene Prognose zu. Außerdem bestehe ein berechtigtes Interesse der Schulverwaltung, nur solche Lehrkräfte unbefristet einzustellen, die über eine Lehramtsbefähigung verfügen und zwei Fächer unterrichten können. Eine unbefristete Einstellung des Klägers, der die Voraussetzungen zur Erteilung von Unterricht an Gymnasien nicht aufweise, die sonstigen Einstellungsvoraussetzungen nicht erfülle und zudem nur das Fach Sport unterrichten könne, sei nicht in Betracht gekommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land den Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2013 vereinbarten Befristung am 7. Februar 2014 geendet.
Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. Es ist deshalb aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Die Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung (BAG 24. August 2016 – 7 AZR 41/15 – Rn. 19; 11. Februar 2015 – 7 AZR 113/13 – Rn. 17; 6. November 2013 – 7 AZR 96/12 – Rn. 21; 10. Oktober 2012 – 7 AZR 462/11 – Rn. 16; 6. Oktober 2010 – 7 AZR 397/09 – Rn. 20 mwN, BAGE 136, 17; 10. März 2004 – 7 AZR 402/03 – zu III 2 der Gründe, BAGE 110, 38). Der Kausalzusammenhang besteht nicht nur, wenn der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt (unmittelbare Vertretung). Der Kausalzusammenhang kann auch gegeben sein, wenn der Vertreter nicht unmittelbar die Aufgaben des vertretenen Mitarbeiters übernimmt. Die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt. Wird die Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder von mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare Vertretung) und deren Tätigkeit dem Vertreter übertragen, hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen (BAG 24. August 2016 – 7 AZR 41/15 – Rn. 20; 11. Februar 2015 – 7 AZR 113/13 – Rn. 19 mwN).
(1) Frau W hätte im Fall ihrer Anwesenheit das Fach Geschichte im Umfang von drei Stunden in der Jahrgangsstufe 11 sowie im Umfang von jeweils zwei Stunden in den Klassen 6c, 6d und 9a unterrichten können. Dieses Unterrichtsdeputat übernahm der Lehrer M (Fächer Geschichte und Latein). Für Herrn M unterrichtete Frau J (Fächer Latein und evangelische Religion) jeweils drei Stunden Latein in den Jahrgangsstufen 10, 11 und der Klasse 8a. Den evangelischen Religionsunterricht von Frau J übernahm Frau Wi mit jeweils zwei Stunden in den Klassen 5a und 9a sowie mit drei Stunden in der Jahrgangsstufe 12. Im Umfang von zwei Stunden erteilte den evangelischen Religionsunterricht von Frau J der Lehrer L (Fächer Deutsch und evangelische Religion) in der Klasse 6a. Frau Wi wurde dafür von der Lehrerin Sc (Fächer Deutsch und Sport) mit drei Stunden Deutsch in der Jahrgangsstufe 10 vertreten. Die verbleibenden sechs Stunden Deutschunterricht von Frau Wi und Herrn L wurden von Herrn Wir (Fächer Deutsch und Sport) in der Jahrgangsstufe 10 erteilt. Der Kläger konnte dadurch die Sportstunden von Frau Sc in der Jahrgangsstufe 11 mit drei Stunden und von Herrn Wir in der Jahrgangsstufe 12 mit sechs Stunden übernehmen.
(2) Zudem wären der Lehrerin W weitere neun Stunden Geschichte in der Nachfolge des Lehrers G (Fächer Geschichte und katholische Religion) zugewiesen worden, der fünf Stunden Geschichte in der Jahrgangsstufe 11 und je zwei Stunden in den Klassen 6a und 8c unterrichtete. Dessen Religionsunterricht übernahm stattdessen der Lehrer C (Fächer katholische Religion und Mathematik) mit je zwei Stunden in den Klassen 5a, 7a und 8a sowie mit drei Stunden in der Jahrgangsstufe 12. Herr C wiederum wurde von Herrn Kö (Fächer Mathematik und Sport) im Fach Mathematik in der Jahrgangsstufe 12 mit fünf Stunden und in der Klasse 5c mit vier Stunden vertreten. Der Sportunterricht von Herrn Kö konnte damit dem Kläger mit jeweils drei Stunden in den Klassen 5d und 6d und mit zwei Stunden in der Klasse 9b sowie mit einer Stunde Volleyball-AG übertragen werden.
(1) Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen hat der Senat an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds besteht kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind (vgl. hierzu etwa BAG 24. August 2016 – 7 AZR 41/15 – Rn. 31 f.; 11. Februar 2015 – 7 AZR 113/13 – Rn. 31; 11. Februar 2015 – 7 AZR 17/13 – Rn. 46, BAGE 150, 366; 14. Januar 2015 – 7 AZR 2/14 – Rn. 47; 6. November 2013 – 7 AZR 96/12 – Rn. 35; 10. Juli 2013 – 7 AZR 833/11 – Rn. 25; 16. Januar 2013 – 7 AZR 661/11 – Rn. 25, BAGE 144, 193; 10. Oktober 2012 – 7 AZR 462/11 – Rn. 31; 18. Juli 2012 – 7 AZR 783/10 – Rn. 44). Davon ist auszugehen, wenn nicht mindestens das Vierfache eines der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bestimmten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist. Liegt ein Sachgrund vor, kann also von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht werden, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt bereits acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart.
(2) Werden die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG alternativ oder kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten (vgl. hierzu etwa BAG 18. März 2015 – 7 AZR 115/13 -; 13. Februar 2013 – 7 AZR 225/11 -). Hiervon ist idR auszugehen, wenn einer der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG mehr als das Vierfache beträgt oder beide Werte das Dreifache übersteigen. Überschreitet also die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre oder wurden mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart, hängt es von den weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist. Gleiches gilt, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden.
(3) Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein (vgl. etwa BAG 7. Oktober 2015 – 7 AZR 944/13 – Rn. 16; 29. April 2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 26; 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 48, BAGE 142, 308). Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist idR auszugehen, wenn durch die befristeten Verträge einer der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG um mehr als das Fünffache überschritten wird oder beide Werte mehr als das jeweils Vierfache betragen. Das bedeutet, dass ein Rechtsmissbrauch indiziert ist, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften.
(1) Die durchgängige Beschäftigung des Klägers als Lehrer in nahezu unverändertem Stundenumfang an derselben Schule im Fach Sport begründet keinen Rechtsmissbrauch.
(a) Zwar kann der Umstand, dass ein Arbeitnehmer wiederholt befristet über einen längeren Zeitraum in derselben Dienststelle mit einem im Wesentlichen gleichen zeitlichen Umfang mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde, als Indiz für den Bedarf an einer unbefristeten Beschäftigung auf diesem Arbeitsplatz anzusehen sein. Auch wenn der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine Personalreserve in Form unbefristet beschäftigter Vertretungskräfte vorzuhalten, um Vertretungsfälle abzudecken (EuGH 14. September 2016 – C-16/15 – [Pérez López] Rn. 55 f.; 26. Januar 2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 54; BAG 24. August 2016 – 7 AZR 41/15 – Rn. 26; 7. Oktober 2015 – 7 AZR 944/13 – Rn. 15; 13. Februar 2013 – 7 AZR 225/11 – Rn. 33; 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 15, BAGE 142, 308), darf die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse nicht eingesetzt werden, um in Wirklichkeit einen ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken. Mit der zusätzlichen Missbrauchskontrolle soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer, an dessen Beschäftigung ein dauerhafter Bedarf besteht, von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, das den Normallfall der Beschäftigung bildet, durch aneinandergereihte, jeweils für sich betrachtet zulässige Sachgrundbefristungen ausgeschlossen wird.
(b) Die unveränderte Beschäftigung des Klägers als im Wesentlichen vollzeitbeschäftigter Sportlehrer an derselben Schule lässt hier jedoch nicht auf einen dauerhaften Beschäftigungsbedarf und damit auf einen Rechtsmissbrauch schließen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrags am Gymnasium in R ein dauerhafter Bedarf an der Beschäftigung des Klägers als Sportlehrer bestand. Dagegen spricht der Umstand, dass eine Beschäftigung des Klägers als Vollzeitkraft im Fach Sport umfangreiche Umverteilungen von Unterrichtsstunden innerhalb der Schule voraussetzte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass hierfür auch in Zukunft ein dauerhafter Bedarf bestehen wird. Die beschränkte fachliche Flexibilität des Klägers, die einen erhöhten Organisationsaufwand nach sich zieht, spricht gegen die Annahme eines Rechtsmissbrauchs (vgl. auch BAG 7. Oktober 2015 – 7 AZR 944/13 – Rn. 24).
(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es spreche für eine missbräuchliche Ausnutzung der Befristungsmöglichkeit, dass die vereinbarten Laufzeiten der befristeten Arbeitsverträge verschiedentlich auf das Ende des Schulhalbjahrs befristet worden sind, obwohl bei Vertragsschluss feststand, dass ein Vertretungsbedarf über diesen Zeitpunkt hinaus gegeben war.
(a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat das beklagte Land wegen des zeitweisen Ausfalls der Lehrkräfte S, D, H und Ho befristete Arbeitsverträge mit dem Kläger abgeschlossen, ohne dass sich die jeweilige Laufzeit des Arbeitsvertrags an der prognostizierten Dauer des Vertretungsbedarfs orientiert hätte. Die Arbeitsverträge endeten teilweise mit dem Schuljahr, Schulhalbjahr bzw. mit den anschließenden Ferien und nicht mit der prognostizierten vorübergehenden Abwesenheit der Lehrkräfte, mit der das beklagte Land den Vertretungsbedarf gerechtfertigt hat.
(b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die „schlichte Anknüpfung an das Schulhalbjahr“ besage nichts über die tatsächliche Dauer des Vertretungsbedarfs und könne deshalb nicht als eine die Befristungspraxis rechtfertigende Besonderheit des Schulbetriebs anerkannt werden. Dass für die Schulleitung möglicherweise nicht absehbar gewesen sei, ob eine andere Lehrkraft zur Übernahme des vom Kläger erteilten Unterrichts zur Verfügung stehen würde, belege nur die Annahme, dass das Land kein hinreichend tragfähiges, auf die Erfordernisse des Schulbetriebs abgestelltes und die Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs ausschließendes Vertretungskonzept entwickelt habe.
(c) Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat damit die Besonderheit einer auf das Schulhalbjahr bezogenen Personalplanung der Lehrkräfte, auf die sich das beklagte Land berufen hat, unzutreffend gewürdigt.
(aa) Zwar hat das Landesarbeitsgericht im Grundsatz zutreffend angenommen, die wiederholte Inkongruenz von Befristungsgrund und Befristungsdauer könne den Schluss darauf zulassen, dass das befristete Arbeitsverhältnis genutzt werde, um in Wahrheit einen dauerhaften Beschäftigungsbedarf abzudecken. Dieser Umstand ist bei einer Gesamtwürdigung aneinandergereihter befristeter Arbeitsverhältnisse regelmäßig von Bedeutung, selbst wenn die vereinbarte Vertragslaufzeit für sich betrachtet nicht mit dem prognostizierten Beschäftigungsbedarf für den befristet eingestellten Arbeitnehmer übereinstimmen, sondern sich daran lediglich orientieren muss (vgl. BAG 21. Januar 2016 – 7 AZR 340/14 – Rn. 17; 21. Januar 2009 – 7 AZR 630/07 – Rn. 10 mwN).
(bb) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht hinreichend gewürdigt, dass die Personalplanung im Schulbereich eine komplexe Unterrichtsplanung voraussetzt, die sich nach den Anforderungen des jeweiligen Jahrgangs und Lehrplans richtet. Das beklagte Land hat sich zu Recht auf die schultypische Besonderheit berufen, dass der Vertretungsbedarf an Schulen von verschiedenen, sich ständig verändernden tatsächlichen Umständen abhängt, die eine schulhalbjahresbezogene Personalplanung für den Unterricht durch die Bezirksregierungen und Schulen rechtfertigen. Nicht nur das Schuljahr, sondern auch das Schulhalbjahr stellt eine „branchentypische“ organisatorische Zäsur dar, um für das folgende Halbjahr eine volle und möglichst fachbezogene Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Jeweils zum Schulhalbjahr müssen die verfügbaren Lehrkräfte unter Berücksichtigung von Einstellungen, selbständig unterrichtenden Lehramtsanwärtern und Abwesenheiten eingeplant werden. Für die Personalplanung ist dabei nicht nur entscheidend, in welchem Umfang Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Maßgeblich ist außerdem, welche Fächer durch die verfügbaren Lehrkräfte abgedeckt werden. Diese komplexen Planungsvorgaben rechtfertigen es, den jeweiligen Vertretungsbedarf im Schulbereich nicht nur am voraussichtlichen Ende des Vertretungsbedarfs (zB durch den Ablauf der Mutterschutzfrist, die Beendigung der Elternzeit oder das Ende eines Sonderurlaubs) zu orientieren, sondern in erster Linie am Ende eines Schulhalbjahrs auszurichten. Angesichts dieser Besonderheiten des Schulbereichs kann ein weiter gehendes Vertretungskonzept entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht verlangt werden.
(cc) § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung gebietet keine andere Beurteilung. Der EuGH hat anerkannt, dass der Schulbereich von der Notwendigkeit besonderer Flexibilität zeugt, die den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge objektiv rechtfertigen kann, um dem Bedarf der Schulen angemessen gerecht zu werden und um zu verhindern, dass der Staat als Arbeitgeber dem Risiko ausgesetzt wird, erheblich mehr feste Lehrkräfte anzustellen als zur Erfüllung seiner Verpflichtungen auf diesem Gebiet tatsächlich notwendig sind. Dabei zwingt das Recht auf Bildung als ein durch die Verfassung des Mitgliedstaats garantiertes Grundrecht den Staat, den Schuldienst so einzurichten, dass zwischen der Zahl der Lehrkräfte und der Zahl der Schüler ein stets angemessenes Verhältnis besteht. Dieses Verhältnis hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, von denen einige in gewissem Umfang schwer zu kontrollieren oder vorherzusehen sind (EuGH 26. November 2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 94 f.). Damit ist zwar eine Rechtsmissbrauchsprüfung im Schulbereich nicht entbehrlich (vgl. EuGH 26. November 2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 104). Jedoch stellt die schulhalbjahresbezogene Personalplanung eine nachvollziehbare branchentypische Besonderheit des Schulbetriebs dar, die es rechtfertigt, dass befristete Arbeitsverträge mit Vertretungslehrkräften trotz eines darüber hinaus bestehenden konkreten Vertretungsbedarfs einer einzelnen Stammkraft schulhalbjahresbezogen abgeschlossen werden.
(dd) Eine wiederholte Abkopplung der Vertretungsdauer von dem Vertretungsgrund kann daher im Schulbereich nur dann für einen institutionellen Rechtsmissbrauch sprechen, wenn die befristeten Arbeitsverträge weder dem konkreten Vertretungsbedarf entsprechen noch mit dem jeweiligen Schulhalbjahr enden. Nur wenn es für die kürzere Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags keinen solchen rechtfertigenden Anlass gibt, ließe sich daraus der Schluss ziehen, dass das beklagte Land in rechtsmissbräuchlicher Weise wiederholt auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift.
(3) Weitere für einen Gestaltungsmissbrauch sprechende Umstände sind weder vom Landesarbeitsgericht festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Auf die vom beklagten Land angeführten Umstände, die aus seiner Sicht gegen einen institutionellen Rechtsmissbrauch sprechen, kommt es daher nicht an.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.