BAG 9 AZR 71/24 Inflationsausgleichsprämie und Altersteilzeit

Dezember 7, 2024

BAG 9 AZR 71/24 Inflationsausgleichsprämie und Altersteilzeit

Urteil vom 12. November 2024

RA und Notar Krau

Inflationsausgleichsprämie und Altersteilzeit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem wegweisenden Urteil vom 12. November 2024 entschieden, dass der Ausschluss

von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit vom Bezug einer Inflationsausgleichsprämie unwirksam ist.

Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für die Praxis und wirft ein Schlaglicht auf die Rechte von Arbeitnehmern in Altersteilzeit.

Der Sachverhalt:

BAG 9 AZR 71/24 Inflationsausgleichsprämie und Altersteilzeit

Ein Arbeitnehmer eines Energieversorgungsunternehmens hatte mit seinem Arbeitgeber Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart.

Die Passivphase begann am 1. Mai 2022.

Im Rahmen der Tarifrunde 2023 einigten sich die Tarifpartner auf die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro, um die gestiegenen Verbraucherpreise abzufedern.

Der Tarifvertrag sah jedoch explizit den Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit von dieser Prämie vor.

Der Arbeitnehmer klagte daraufhin auf Zahlung der Prämie.

Die Entscheidung des BAG:

Das BAG gab der Klage statt und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung der Prämie.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verstößt.

BAG 9 AZR 71/24 Inflationsausgleichsprämie und Altersteilzeit

Zentrale rechtliche Aspekte:

  • Gleichbehandlungsgrundsatz: § 4 Abs. 1 TzBfG besagt, dass Teilzeitbeschäftigte wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden dürfen als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung.
  • Verhältnismäßigkeit: Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten ist nur dann zulässig, wenn sie verhältnismäßig ist und sich aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt.
  • Tarifautonomie: Die Tarifvertragsparteien haben bei der Bestimmung des Leistungszwecks zwar einen großen Gestaltungsspielraum, dieser ist jedoch durch den Gleichbehandlungsgrundsatz begrenzt.

Die Begründung des BAG im Detail:

Das BAG stellte fest, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Ausschluss der Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit ihre Rechtsetzungsbefugnis überschritten haben.

BAG 9 AZR 71/24 Inflationsausgleichsprämie und Altersteilzeit

Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmergruppe gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten

lasse sich aus den erkennbaren Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten.

  • Kein arbeitsleistungsbezogener Zweck: Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen spreche dagegen, dass die Inflationsausgleichsprämie auch eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit sei.
  • Keine Relevanz der vergangenen Betriebstreue: Auch in Bezug auf die vergangene Betriebstreue seien keine Aspekte ersichtlich, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.
  • Keine Abhängigkeit von zukünftiger Betriebstreue: Die Tarifvertragsparteien haben den Anspruch nicht von zukünftiger Betriebstreue abhängig gemacht.
  • Kein unterschiedlicher Bedarf: Es seien keine Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten in der Freistellungsphase der Altersteilzeit erkennbar.

Folgen des Urteils:

Das Urteil des BAG hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis.

Arbeitgeber, die in ihren Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit von der Inflationsausgleichsprämie ausgeschlossen haben,

müssen diese nun nachzahlen. Zudem stärkt das Urteil die Rechte von Arbeitnehmern in Altersteilzeit und unterstreicht den Grundsatz der Gleichbehandlung.

BAG 9 AZR 71/24 Inflationsausgleichsprämie und Altersteilzeit

Fazit:

Das BAG hat mit seinem Urteil klargestellt, dass Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit nicht ohne sachlichen

Grund von Leistungen ausgeschlossen werden dürfen, die an alle anderen Arbeitnehmer gewährt werden.

Die Entscheidung trägt dazu bei, die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten zu verhindern und den Schutz dieser Arbeitnehmergruppe zu stärken.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Das Urteil betrifft nicht nur die Inflationsausgleichsprämie, sondern ist auf alle vergleichbaren Leistungen anwendbar.
  • Arbeitgeber sollten ihre Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um sicherzustellen, dass sie mit dem Urteil des BAG in Einklang stehen.
  • Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit, die von einer Leistung ausgeschlossen wurden, sollten sich an ihren Arbeitgeber wenden und die Nachzahlung verlangen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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