BAG Urteil 24.9.2019 – 9 AZR 273/18 – Ausschlussklausel – Altvertrag – ergänzende Vertragsauslegung

Februar 14, 2020

BAG Urteil 24.9.2019 – 9 AZR 273/18 – Ausschlussklausel – Altvertrag – ergänzende Vertragsauslegung

RA und Notar Krau

Die vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis umfasst, ist durch ergänzende Vertragsauslegung so einzuschränken, dass sie keine Haftungsansprüche im Sinne von § 202 Abs. 1 BGB und § 309 Nr. 7 BGB erfasst.

Sachverhalt

Der Kläger, seit dem 6. März 1997 als Techniker bei der Beklagten angestellt, fordert die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für das Jahr 2015.

Laut Anstellungsvertrag von 1997 werden diese Zahlungen im „betriebsüblichen Rahmen“ gewährt.

Eine Verfallfrist im Vertrag legt fest, dass alle Ansprüche binnen drei Monaten nach Fälligkeit verfallen, sofern sie nicht schriftlich geltend gemacht werden.

Der Kläger, dessen Monatsgehalt 2015 brutto 3.234,10 Euro betrug, beruft sich auf betriebliche Übung und hält das Gehalt für sittenwidrig niedrig.

Er verlangt Nachzahlungen, argumentiert, dass sein Anspruch nicht verfallen sei, da die Klausel unzulässig sei.

BAG Urteil 24.9.2019 – 9 AZR 273/18 – Ausschlussklausel – Altvertrag – ergänzende Vertragsauslegung

Prozessverlauf

  1. Anträge des Klägers:
    • Zahlung von 3.303,11 Euro brutto als Weihnachtsgeld und 2.752,60 Euro brutto als Urlaubsgeld für 2015, jeweils zuzüglich Zinsen.
  2. Argumente der Beklagten:
    • Die Ansprüche sind gemäß der Ausschlussklausel im Vertrag verfallen.
  3. Entscheidung der Vorinstanzen:
    • Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
    • Das Landesarbeitsgericht bestätigte dies.
    • Die Revision des Klägers wurde abgewiesen.

Entscheidungsgründe

  1. Wirksamkeit der Verfallklausel:
    • Die Klausel, die Ausschlussfristen regelt, ist gemäß § 305 ff. BGB gültig, da sie nicht überraschend ist und allgemein im Arbeitsleben üblich.
    • Die Klausel erfasst alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, außer Haftungsansprüche nach § 202 Abs. 1 BGB, da diese nicht im Voraus eingeschränkt werden dürfen.
  2. Ausschluss der Haftungsansprüche:
    • Vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz war die Begrenzung der Verjährung auch für vorsätzliche Handlungen zulässig. Die Klausel muss ergänzend so ausgelegt werden, dass sie solche Haftungsansprüche nicht erfasst.
    • BAG Urteil 24.9.2019 – 9 AZR 273/18 – Ausschlussklausel – Altvertrag – ergänzende Vertragsauslegung

  3. Betriebliche Übung:
    • Die Zahlungen in der Vergangenheit begründeten einen Anspruch des Klägers auf Urlaubsgeld (50 %) und Weihnachtsgeld (60 % des Bruttomonatsgehalts).
    • Es gibt keinen weitergehenden vertraglichen Anspruch, da Ziff. 3 des Vertrags dies nicht hergibt und betriebliche Übung ohne ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt bestand.
  4. Verjährung und Ausschlussfristen:
    • Der gesetzliche Schutz gegen Haftungseinschränkungen gilt seit 2003 auch für Ausschlussfristen. Ohne eine entsprechende Vertragsauslegung wäre die Klausel nicht wirksam.
    • Die Ausschlussfrist im Vertrag führte zum Verfall der Ansprüche, da der Kläger sie nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
  5. Keine Anpassung an neue gesetzliche Anforderungen:
    • Die Regelungen des MiLoG und § 309 Nr. 13 BGB gelten erst für Verträge nach 2016 und betreffen nicht den hier maßgeblichen Altvertrag.

Fazit

Die Ansprüche des Klägers auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für 2015 sind nach Ziff. 9 des Arbeitsvertrags verfallen, da sie nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht wurden.

Die Klausel wurde durch ergänzende Vertragsauslegung so interpretiert, dass sie keine Haftungsansprüche erfasst, die nach § 202 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden müssen.

Die Revision des Klägers wurde abgewiesen, und er trägt die Kosten des Verfahrens.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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