BAG Urteil vom 6.10.2011 – 6 AZR 732/10 Zahlung rückständiger Vergütung – Insolvenzanfechtung

September 9, 2019

BAG Urteil vom 6.10.2011 – 6 AZR 732/10 Zahlung rückständiger Vergütung – Insolvenzanfechtung

Zusammenfassung RA und Notar Krau


Der Kläger, ein Insolvenzverwalter, fordert von einem ehemaligen Mitarbeiter (dem Beklagten) die Rückzahlung von Arbeitsvergütungen, die kurz vor der Insolvenzeröffnung an ihn gezahlt wurden.

Diese Zahlungen sollen gemäß den Regelungen der Insolvenzanfechtung zurückerstattet werden, da sie angeblich in der Phase der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (Schuldner) erfolgt sind.

Hintergrund


Der Schuldner betrieb ein Elektroanlagenbauunternehmen mit etwa 40 Mitarbeitern und geriet ab Oktober 2003 zunehmend in Zahlungsverzug mit den Löhnen und Gehältern seiner Mitarbeiter.

Spätestens ab Mai 2004 war der Schuldner zahlungsunfähig.

Am 2. August 2004 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, das am 14. Oktober 2004 eröffnet wurde.

Der Beklagte, ein langjähriger Mitarbeiter des Unternehmens, erhielt während dieser Zeit mehrere verspätete Lohnzahlungen.

Zahlungen und Anfechtung


Im Mittelpunkt des Streits stehen zwei Zahlungen:

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Am 21. Juni 2004 erhielt der Beklagte Lohn für Januar 2004 in Höhe von 1.317,81 Euro.


Am 30. Juli 2004 erhielt er Lohn für Februar 2004 in Höhe von 1.238,51 Euro.


Der Kläger argumentiert, dass diese Zahlungen nach § 130 InsO (Insolvenzordnung) anfechtbar seien, da sie in einer Zeit erfolgten, als der Schuldner bereits zahlungsunfähig war und der Beklagte Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens hatte.

Argumentation des Klägers


Der Kläger behauptet, der Beklagte habe von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gewusst oder hätte zumindest von Umständen Kenntnis haben müssen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hinwiesen.

Diese Kenntnis setze die Anfechtbarkeit der Zahlungen gemäß § 130 Abs. 1 InsO voraus.

Der Kläger führt weiter aus, dass der Beklagte durch seine Teilnahme an betrieblichen Besprechungen und durch Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Schuldners ausreichend informiert war, um die Zahlungsunfähigkeit zu erkennen.

Argumentation des Beklagten


Der Beklagte bestreitet die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit.

Er gibt an, lediglich seine eigenen Lohnrückstände gekannt zu haben, nicht jedoch die umfassende finanzielle Lage des Unternehmens.

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Er habe darauf vertraut, dass der Schuldner die Liquiditätsschwäche überwinden würde, wie es in betrieblichen Besprechungen kommuniziert wurde.

Zudem habe er keine Informationen über die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen erhalten.

Entscheidungen der Vorinstanzen


Die Vorinstanzen (ArbG und LAG) haben die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen, da sie keine ausreichenden Beweise für die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit gesehen haben.

Das LAG Thüringen hat zudem festgestellt, dass die Zahlungen keine anfechtbaren Rechtshandlungen im Sinne der §§ 130, 133 InsO darstellen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts


Das Bundesarbeitsgericht weist die Revision des Klägers zurück. Es stützt seine Entscheidung auf mehrere wesentliche Punkte:

Keine positive Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit:

Der Beklagte hatte keine positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Zahlungen.

Die bloße Kenntnis der eigenen Lohnrückstände und allgemeinen finanziellen Schwierigkeiten reicht nicht aus, um eine Anfechtbarkeit gemäß § 130 InsO zu begründen.

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Keine zwingenden Schlüsse auf Zahlungsunfähigkeit:

Die vom Kläger vorgebrachten Indizien (Teilnahme an Besprechungen, Presseberichte) sind nicht ausreichend, um zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen zu lassen.

Keine grobe Fahrlässigkeit:

Die Vermutung der Kenntnis von Umständen, die auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO), greift nicht, da grobe Fahrlässigkeit nicht ausreicht.

Es muss positive Kenntnis vorliegen, die der Beklagte nicht hatte.

Kein Benachteiligungsvorsatz:

Auch die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO sind nicht erfüllt, da der Beklagte nicht wusste, dass die Zahlungen die Gläubiger benachteiligen würden.

Kostenentscheidung


Die Kosten der Revision trägt der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

Fazit


Das Bundesarbeitsgericht bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanzen und stellt fest, dass der Beklagte nicht zur Rückzahlung der erhaltenen Löhne verpflichtet ist.

Die Anfechtung der Lohnzahlungen scheitert an der fehlenden positiven Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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