Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

September 14, 2017

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92 Mitunterzeichnung durch den anderen Ehegatten mit Zusätzen versehen

Zur Abschlußfunktion der neben dem Text eines gemeinschaftlichen Testaments seitlich am unteren Blattrand angebrachten Unterschriften der testierenden Ehegatten.

  1. Zur Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments, das von dem die Niederschrift verfassenden Ehegatten in mehrere Abschnitte gegliedert wurde, von denen nur ein Teil von beiden Ehegatten unterzeichnet worden ist.
  2. Zusätze, die vom Verfasser der Testamentsniederschrift nach der Mitunterzeichnung durch den anderen Ehegatten angebracht wurden und von dessen Willen nicht gedeckt sind, sind nicht Bestandteil des gemeinschaftlichen Testaments.

Gründe Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

I.

Die im Alter von 90 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet; ihr Ehemann ist am 15.5.1983 vorverstorben. Aus der Ehe sind zwei Töchter – die Beteiligten zu 1 und 11 – sowie zwei Söhne – die Beteiligten zu 19 und 22 hervorgegangen. Die Beteiligten zu 2 bis 10 sind die Kinder und Kindeskinder der Beteiligten zu 1; die Beteiligten zu 12 bis 18 sind die Töchter der Beteiligten zu 11 und deren Abkömmlinge. Die Beteiligten zu 20 und 21 sind die Kinder des Beteiligten zu 19, die Beteiligten zu 23 und 24 die Kinder des Beteiligten zu 22.

Die Erblasserin hat mehrere letztwillige Verfügungen hinterlassen. Eine von ihrem Ehemann auf drei Doppelbogen eigenhändig niedergeschriebene und mit den Seitenzahlen 1 bis 8 versehene Erklärung trägt auf der Seite 1 und der Seite 4 die Unterschrift beider Ehegatten.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Der Text beginnt mit der Überschrift:

Wille: (privat Testament) /: bestehend aus Seite 1 bis 8 u. Anlage I II III.:/

und lautet:

Wir setzen uns gegenseitig zum Alleinerben ein.

Nach dem Tode des zuletzt Sterbenden soll der beiderseitige Nachlaß an unsere Kinder verteilt werden u. zwar: W., 20. Mai 82. (Unterschriften des Ehemanns und der Erblasserin)

  1. Immobilien:

a.) Tochter L. (Beteiligte zu 1) hat als Voraus-Erbabfindung das Wohngrundstück in A. am 1.1.1977 erhalten u. ist damit im Bezug auf Immobilien u. Kapitalabfindung aus dem Nachlaß abgefunden. – /:Einverständnis Erklärung v. 15.IV.82.:/ Anlage I.

b.) Tochter E. (Beteiligte zu 11) bekommt das Wohngrundstück in W. Der Besitz ist zu erhalten u. soll, nach Nutznießung Ihrerseits, an die Enkel … (Beteiligte zu 12, 16 und 18) zu gleichen Teilen u. Rechten vererbt werden. – siehe Vorschlag Anlage III

c.) Sohn K. (Beteiligter zu 19) erhielt Beihilfe zum Kauf seines Hauses in H. u. wird Ausgleich bei Kapitalabfindung berücksichtigt. …

d.) Sohn F. (Beteiligter zu 22) erhielt Beihilfe zum Kauf seines Haus in R. …

  1. Kapital:

Das Kapital ist angelegt: …

Zur Abwicklung der Zahlungen u. Bankgeschäfte nach folgenden Bestimmungen sollen Söhne K. u. F. (Beteiligte zu 19 und 22) die Verteilung u. Abrechnung übernehmen. – …

Wenn Alles bezahlt ist wie: …

ist das bleibende Kapital wie folgt zu teilen: L. (Beteiligte zu 1) mit A. abgefunden. E. (Beteiligte zu 11) hat im Voraus erhalten: 20.V.82 … K. (Beteiligter zu 19) F. (Beteiligter zu 22) … An die 10 Enkel u. Urenkel.

Der erste Doppelbogen endet mit den an das untere Ende der Seite 4 gesetzten Worten: “folgt Seite 5 Mobilien.”

Im unteren Viertel des linken Seitenrandes sind untereinander die Datumsangabe, die Unterschrift des Ehemanns und die Unterschrift der Erblasserin angebracht. Am rechten Seitenrand sind einige Prozentzahlen untereinander angeordnet.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Der zweite, dreiseitig beschriebene Doppelbogen beginnt mit den Worten “Seite 5 zum Testament vom 20.V.82”. Nach der Überschrift “3 Mobilien:” folgen Anordnungen über Bilder, Bücher, Kleidung, Einrichtungsgegenstände und Möbel. Unter “d.) Schmuck.” heißt es: “darüber entscheidet meine Frau”. Es folgt auf den Seiten 6 und 7 eine durchnumerierte und mit Zeichnungen versehene Auflistung der vorhandenen Gegenstände, an deren rechtem Rand eine Spalte mit der Überschrift “bestimmt für.-” entlangläuft, die keine Einträge enthält.

Die Aufzählung endet auf dem mit Seite 8 überschriebenen dritten Doppelbogen, der das Datum “27.V.82” trägt und nur vom Ehemann der Erblasserin unterzeichnet ist. Als Anlage I ist dem Testament eine Erklärung der Beteiligten zu 1 beigefügt. Anlage II enthält eine vom Ehemann der Erblasserin gefertigte Aufstellung betreffend “Überweisungen und Einnahmen”. Anlage III enthält den Hinweis: “Zu Seite 2./b” und knüpft an die Verfügung über den Grundbesitz in W. an. Sie trägt das Datum 20.V.82 und die Unterschrift des Ehemanns der Erblasserin.

Die Erblasserin selbst hat auf einer Ablichtung der Seiten 6 bis 8 des Testaments vom 20.V.1982 die Aufstellung der Wertgegenstände bei einzelnen Gegenständen in der Spalte “”bestimmt für.-” handschriftlich mit Einträgen versehen und am Ende den Vermerk angebracht sowie unterzeichnet: “‘Ich bestimme wie eingetragen. 20.VII.85”.

Ferner hat die Erblasserin das folgende eigenhändig geschriebene und unterzeichnete Testament vom 1.10.1986 hinterlassen:

Ich bestimme, daß die von mir seit dem 15.3.1983 ersparten Vermögenswerte … an meinen Sohn F. (Beteiligter zu 22) vererbt werden sollen.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Die Beteiligte zu 11 hat beim Nachlaßgericht aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 20.5.1982, die bis einschließlich der Seite 4 als formwirksames gemeinschaftliches Testament anzusehen sei, einen Erbschein als Alleinerbin beantragt, weil das ihr zugewendete Hausgrundstück den wesentlichen Teil des Nachlasses ausmache.

Hilfsweise hat sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der für sie eine Erbquote von 336/480, für den Beteiligten zu 19 eine solche von 90/480. für den Beteiligten zu 22 eine Quote von 36/480 und für die Enkel und Urenkel der Erblasserin, jeweils zu gleichen Teilen, insgesamt eine Quote von 18/480 ausweisen sollte. Der Beteiligte zu 22 ist diesen Anträgen entgegengetreten.

Er hat eine Erklärung der Erblasserin vom 3.8.1983 vorgelegt, worin sie sich anläßlich der Testamentseröffnung nach dem Tod ihres Ehemanns zum Inhalt des Testaments vom 20.5.1982 geäußert hat. Der Beteiligte zu 22 meint, das Testament vom 20.5.1982 enthalte keine wirksamen letztwilligen Verfügungen der Erblasserin. Er hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge von ihren vier Kindern zu jeweils 1/4 beerbt worden sei.

Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 3.12.1991 die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 11 zurückgewiesen und im Weg des Vorbescheids die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, wonach die Erblasserin aufgrund des Testaments vom 20.5.19821 das nur in dem von beiden Ehegatten unterzeichneten Eingangsabschnitt der Seite 1 gültig sei, von ihren vier Kindern zu jeweils 1/4 beerbt worden sei.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Hiergegen hat die Beteiligte zu 11 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Entscheidung des Nachlaßgerichts aufzuheben und dieses zur Erteilung eines ihr Alleinerbrecht bezeugenden Erbscheins anzuweisen, hilfsweise eines Erbscheins, der sie als Miterbin zu 345/480, weiterhin hilfsweise als Miterbin zu 336/480 ausweise. Das Nachlaßgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Der Beteiligte zu 22 und die Beteiligte zu 1 sind der Beschwerde entgegengetreten. Mit Beschluß vom 22.9.1992 hat das Landgericht die Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an dieses zurückgegeben.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 22, der die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Erteilung des im Vorbescheid des Nachlaßgerichts angekündigten Erbscheins anstrebt. Die Beteiligte zu 11 tritt dem Rechtsmittel entgegen.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

  1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 11 sei die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Nachlaßgericht zurückzugeben, denn weder der im Vorbescheid vom 3.12.1991 angekündigte Erbschein und der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 22 noch der Hauptantrag und die Hilfsanträge der Beteiligten zu 11 entsprächen der Erbrechtslage, wie die Kammer sie sehe. Das Testament vom 20.5.1982 stelle in seinen ersten vier Seiten ein wirksames gemeinschaftliches Testament der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemanns dar.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Die Namenszeichnung der Erblasserin auf Seite 4 links unten sei als Unterschrift mit Abschlußfunktion anzusehen. Auch der Erklärung der Erblasserin vom 3.8.1983 lasse sich entnehmen, daß sie den Inhalt der Seite 4 des Testaments als durch ihre Unterschrift gedeckt angesehen habe, ausgenommen die von ihrem Ehemann nachträglich hinzugefügten Prozentsätze.

Das Testament sei zwar von seinem Verfasser einheitlich und über die Seite 4 hinausgehend konzipiert worden, den Ehegatten sei es jedoch offensichtlich darauf angekommen, ihnen besonders wichtige bereits fertiggestellte Teile durch die gemeinsame Unterschrift in Wirksamkeit zu setzen.

Zum Inhalt des Testaments gehörten nicht die im unteren Viertel der Seite 4 an den rechten Rand neben senkrechte Striche gesetzten Prozentzahlen, die der schriftlichen Erklärung der Erblasserin vom 3.8.1983 zufolge erst nach ihrer Unterschrift eingesetzt worden seien und nicht ihrem Willen entsprochen hätten. Die Kammer habe keinen Anlaß, die Richtigkeit dieser Erklärung zu bezweifeln.

Das gemeinschaftliche Testament vom 20.5.1982 enthalte eine Enterbung der Beteiligten zu 1. Die anderen drei Kinder seien zu Erben eingesetzt worden. Nach dem Wortlaut des Testaments seien nicht bestimmte Quoten zugewendet worden, sondern Nachlaßgegenstände. Je nach den Wertverhältnissen könne darin eine Erbeinsetzung liegen. Bei der Zuwendung des Hausgrundstücks in W. an die Beteiligte zu 11 handle es sich in jedem Fall um eine Erbeinsetzung, gleichgültig ob der Wert 300 000 DM oder nur 165 000 DM betrage. Der diese Zuwendung betreffende Abschnitt 1 b des Testaments enthalte den Zusatz, der Besitz solle erhalten und den drei Kindern der Beteiligten zu 11 vererbt werden, der die Anordnung einer Nacherbfolge enthalte.

Zum Kapitalvermögen, dessen Wert rund 180 000 DM betrage, enthalte das Testament nur sehr unvollständige Bestimmungen. Ihnen sei zu entnehmen, daß das Kapitalvermögen unter die Beteiligten zu 11, 19 und 22 aufgeteilt werden solle und zu Lebzeiten erhaltene Zuwendungen zu berücksichtigen seien, wohl auch mit dem Zeitpunkt ihres Zuflusses und eingetretenen Kaufkraftänderungen.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Die Bedeutung dieser Faktoren lasse sich dem Testament nicht entnehmen. Die am rechten unteren Rand der Seite 4 angebrachten Prozentzahlen, die mit den danebenstehenden Beträgen ohnehin nicht in Einklang zu bringen seien, könnten nicht herangezogen werden, da sie nicht Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments seien.

Unter diesen Umständen sei von einer Zuwendung des Kapitals an die Beteiligten zu 11, 19 und 22 zu je gleichen Teilen auszugehen. Damit seien auch die Beteiligten zu 19 und 22 zu Erben eingesetzt. Wenn der Wert des Hausgrundstücks mit 300 000 DM anzusetzen wäre, mache der den beiden Söhnen zugewendete Kapitalanteil jeweils 1/8 des Gesamtnachlasses aus, während der Beteiligten zu 11 3/4 zugewendet seien.

Diese Anteile der Söhne seien nicht nur als Vermächtnisse und die Tochter nicht als Alleinerbin anzusehen. Für eine Erbeinsetzung der Söhne spreche auch der Umstand, daß sie gemeinsam die Verteilung und Abrechnung des Kapitalvermögens zu übernehmen hätten. Die Erwähnung der zehn Enkel und Urenkel sei nicht als ihre Erbeinsetzung anzusehen; es sei anzunehmen, daß sie mit Vermächtnissen hätten bedacht werden sollen, deren Höhe aber jedenfalls vor der Mitunterzeichnung durch die Erblasserin nicht festgelegt worden sei.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren sei es nicht erforderlich, die Erbquoten der Beteiligten zu 11, 19 und 22 durch die Ermittlung des Wertes des Hausgrundstücks in W. festzustellen. Bislang sei nämlich kein Erbscheinsantrag gestellt, der der dargestellten Erbrechtslage entspreche und ein erstmals im Beschwerdeverfahren gestellter Erbscheinsantrag könnte nicht berücksichtigt werden.

Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

a) Das Landgericht hat angenommen, daß die Seiten 1 bis 4 der vom Ehemann der Erblasserin niedergeschriebenen letztwilligen Verfügung, die die Unterschrift beider Ehegatten und das Datum des 20.5.1982 tragen, ein formgerecht errichtetes gemeinschaftliches Testament i.S. von § 2265, 2267, 2247 BGB darstellen. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

aa) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die auf Seite 4 der Urkunde angebrachten Namenszüge des Ehemanns und der Erblasserin als wirksame Testamentsunterschriften i.S. von 2247 Abs. 1 bis 3, § 2267 Satz 1 BGB angesehen. Zwar ist die Unterschrift zum Schutz des vorangehend Niedergelegten grundsätzlich an den Schluß der Urkunde zu setzen. Sie muß aber nicht notwendig räumlich tiefer stehen als der letzte Satz der Erklärung (Soergel/Harder BGB 12. Aufl. § 2247 Rn. 28).

Bei einem vollbeschriebenen Blatt kann die Unterschrift auch quer geschrieben sein oder mangels freien Raums am Textende daneben stehen. Es reicht eine solche räumliche Beziehung der Namensschrift zum Text aus, daß sie diesen nach der Verkehrsauffassung deckt (BayObLG FamRZ 1986, 728/730 und BayObLGZ 1981, 79/85; Palandt/Edenhofer BGB 52. Aufl. § 2247 Rn. 13).

Die Entscheidung der Frage, ob im Einzelfall eine Erklärung durch die Unterschrift gedeckt ist, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie obliegt daher, wie die Testamentsauslegung, dem Gericht der Tatsacheninstanz und kann vom Gericht der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler nachgeprüft werden (BayObLGZ 1982, 131/133 und BayObLG FamRZ 1988, 1211/1212). Solche sind dem Landgericht nicht unterlaufen.

(1) Das Landgericht hat die Abschlußfunktion der Unterschriften aufgrund des räumlichen Erscheinungsbilds der Urkunde bejaht. Die Seiten 1 bis 4 des Testaments sind auf einem Doppelbogen niedergeschrieben, der Text reicht bis zum unteren Blattrand. Die Namenszüge des Ehemanns und der Erblasserin sind im unteren Bereich des linken Seitenrandes untereinander angeordnet und mit einer Datumsangabe versehen. Angesichts dieses äußeren Bildes begegnet die Wertung des Landgerichts keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BayObLGZ 1981, 79/85).

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

(2) Das Landgericht hat sich außerdem auf die schriftliche Erklärung der Erblasserin vom 3.8.1983 gestützt, die sie am Tag nach der Eröffnung der von ihrem vorverstorbenen Ehemann getroffenen letztwilligen Verfügungen des Testaments vom 20.5.1982 verfaßt hat. Das Beschwerdegericht hat dem Inhalt dieser Erklärung Glauben geschenkt und ihr entnommen, die Erblasserin habe den Text der Seiten 1 bis 4 mit Ausnahme der nach der Unterzeichnung von ihrem Ehemann hinzugefügten Prozentsätzen als durch ihre Unterschrift gedeckt angesehen. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Erblasserin geht auch in ihren späteren letztwilligen Verfügungen ersichtlich von der Wirksamkeit des Testaments vom 20.5.1982 aus, denn die am 2.7.1985 unter Verwendung einer Ablichtung der Seiten 6 bis 8 getroffenen Bestimmungen befassen sich nur mit einigen Gegenständen des beweglichen Vermögens und das Testament vom 1.10.1986 enthält nur Verfügungen über das der Erblasserin nach einem bestimmten Zeitpunkt (der möglicherweise dem Todestag ihres Ehemanns entsprechen sollte) zugeflossene Geldvermögen.

(3) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, daß die Abschlußfunktion der am linken unteren Seitenrand angebrachten Unterschriften auch nicht deswegen zu verneinen ist, weil der Ehemann nach der Unterschriftsleistung am rechten unteren Seitenrand ohne Wissen und ohne Einverständnis der Erblasserin mehrere Prozentzahlen hinzugefügt hat. Die Abschlußfunktion einer Unterschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß nachträgliche Zusätze räumlich möglich sind (vgl. Soergel/Harder § 2247 Rn. 28).

bb) Das Landgericht hat die von beiden Ehegatten unterzeichneten Seiten 1 bis 4 der Urkunde vom 20.5.1982 als abgeschlossenes gemeinschaftliches Testament angesehen, obwohl der Verfasser im Eingang der Urkunde zum Ausdruck gebracht hatte, das Testament bestehe aus den Seiten 1 bis 8 und mehreren Anlagen, und ungeachtet dessen, daß er am Ende der Seite 4 auf die folgende “Seite 5 Mobilien” hingewiesen hatte.

Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Um als wirksame letztwillige Verfügung gelten zu können, muß die niedergelegte Erklärung auf einem ernstlichen Testierwillen beruhen. Daher muß außer Zweifel stehen, daß die Testierenden die Urkunde als ihre rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen haben und sich dessen bewußt waren, diese könne als ihr Testament angesehen werden (vgl. BayObLG FamRZ 1989, 1124 f. m.w.Nachw.).

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Die Frage, ob ein Erblasser im Einzelfall ernstlich eine letztwillige Verfügung hat treffen wollen, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist vom Gericht der Tatsacheninstanz im Weg der Auslegung ( 133 BGB) unter Heranziehung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen.

Die Feststellung des Landgerichts, den Ehegatten sei es darauf angekommen, ihnen besonders wichtige, bereits fertiggestellte Teile des Testaments in Wirksamkeit zu setzen, kann daher vom Gericht der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler nachgeprüft werden (BayObLGZ 1982, 59/64 m.w.Nachw.).

Solche sind dem Landgericht nicht unterlaufen. Es hat den Umstand hervorgehoben, daß die Ehegatten auch auf Seite 1 des Testaments denjenigen Teil der letztwilligen Verfügung mit Orts- und Datumsangabe unterzeichnet hätten, der die gegenseitige Erbeinsetzung enthielt, obwohl der vor der Unterschriftszeile stehende Text unmittelbar danach fortgeführt worden sei. Außerdem hat das Landgericht festgestellt, daß das im Abschnitt “1. Immobilien” erwähnte Hausgrundstück in W. und das im Abschnitt “2. Kapital” behandelte Geldvermögen den wesentlichen Teil des Nachlasses ausmachten.

Die auf Seite 4 des Testaments angebrachten Unterschriften befinden sich am Ende des zweiten, das Kapital betreffenden Abschnitts und decken somit die Verfügungen über Immobilien und Kapitalvermögen. In Anbetracht dessen ist die Schlußfolgerung des Landgerichts jedenfalls möglich, wenn nicht sogar naheliegend, es sei der Wille der Testierenden gewesen, die ihnen besonders wichtig erscheinenden Teile des Testaments durch die gemeinsame Unterschrift in Wirksamkeit zu setzen.

Für diese Beurteilung spricht auch der bereits erwähnte Umstand, daß die Erblasserin in ihrer Erklärung vom 3.8.1983 sowie ihren späteren letztwilligen Verfügungen von der Geltung des gemeinschaftlichen Testaments ausgeht und an dieses anknüpft.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, daß die vom Ehemann der Erblasserin im unteren Bereich der Seite 4 rechtsseitig angebrachten Prozentzahlen nicht Bestandteil des gemeinschaftlichen Testaments der Ehegatten sind. Hierzu hat es aufgrund der schriftlichen Erklärung der Erblasserin vom 3.8.1983 festgestellt, diese Zusätze seien durch den Ehemann der Erblasserin nach der Unterzeichnung angebracht worden und von ihrem Willen nicht gedeckt.

Eine wirksame Änderung der Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments liegt daher nicht vor (vgl. BayObLG FamRZ 1984, 1270 (Ls); BGB-RGRK/ Johannsen 12. Aufl. Rn. 14, Staudinger/Kanzleiter BGB 12. Aufl. Rn. 18, jeweils zu § 2267).

c) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das gemeinschaftliche Testament vom 20.5.1982 der Auslegung bedarf. Die Auslegung selbst obliegt grundsätzlich dem Gericht der Tatsacheninstanz und darf im Verfahren der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler nachgeprüft werden (BayObLGZ 1991, 173/176). Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Inhalts der letztwilligen Verfügung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

aa) Der in Abschnitt 1a des Testaments enthaltenen Erklärung, die Beteiligte zu 1 habe als “Voraus-Erbabfindung” ein Hausgrundstück erhalten und sei damit “im Bezug auf Immobilien und Kapitalabfindung aus dem Nachlaß abgefunden”, sowie dem in Abschnitt 2 (Kapitalvermögen) enthaltenen Vermerk, die Beteiligte zu 1 sei “mit A. abgefunden” durfte das Landgericht entnehmen, daß die Beteiligte zu 1 enterbt werden sollte ( 1938 BGB).

Soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang der letztwilligen Verfügung ergibt, daß die Beteiligte zu 1 bei der Verteilung der “Mobilien” berücksichtigt werden sollte, hat das Landgericht ohne Rechtsfehler angenommen, angesichts des Wertverhältnisses zwischen Grundbesitz und Kapitalvermögen einerseits sowie der beweglichen Habe andererseits wäre nur die Zuwendung eines Vermächtnisses in Betracht gekommen (§§ 1939, 2087 Abs. 2 BGB).

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

bb) Das Landgericht hat festgestellt, daß die Testierenden ihren drei anderen Kindern das wesentliche Vermögen zugewendet hätten. Es hat dem Gesamtinhalt der letztwilligen Verfügung entnommen, daß die Beteiligte zu 11 das Hausgrundstück als wertvollsten Nachlaßgegenstand und einen Anteil am Kapitalvermögen erhalten sollte. Die Beteiligten zu 19 und 22, denen ebenfalls Anteile am Kapitalvermögen zugewendet seien, hätten die Tilgung der Nachlaßschulden und die Regulierung des Nachlasses übernehmen sollen.

Diese Bestimmungen hat das Landgericht unter Heranziehung der allgemeinen Auslegungsregel des 2087 Abs. 1 BGB und ohne Rechtsfehler als Erbeinsetzung aller drei Kinder gewertet (vgl. BayObLG FamRZ 1986, 728/731 und BayObLG NJW-RR 1993, 581/582; Palandt/Edenhofer § 2087 Rn. 3 und 5).

cc) Eine Erbeinsetzung der Enkel und Urenkel hat das Landgericht verneint, weil im Eingang des Testaments nur von einer Verteilung des Nachlasses an die Kinder die Rede sei, die Enkel und Urenkel nicht namentlich erwähnt würden und ihre große Zahl dagegen spreche, daß sie neben den Kindern der Testierenden gleichermaßen Anteil am Kapitalvermögen haben sollten. Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen und ist vom Rechtsbeschwerdeführer auch nicht in Frage gestellt worden.

dd) Die auf die Beteiligten zu 11, 19 und 22 entfallenden Erbquoten brauchte das Landgericht nicht zu ermitteln, weil alle Erbscheinsanträge, über die das Nachlaßgericht im Beschluß vom 3.12.1991 oder im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung vom 19.12.1991 entschieden hatte (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 988/989), zu Unrecht vom Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgingen oder auf einer unrichtigen Auslegung des Testaments vom 20.5.1982 beruhten. Es genügte daher, den Vorbescheid aufzuheben und die Sache an das Nachlaßgericht zur weiteren Sachbehandlung zurückzugeben (BayObLG FamRZ 1991, 1114/1116 und BayObLGZ 1981, 69/71).

Aus dem Umstand, daß das gemeinschaftliche Testament vom 20.5.1982 für die Erbfolge maßgebend ist und dieses eine Enterbung der Beteiligten zu 1 enthält, folgt die Unrichtigkeit des im Vorbescheid des Nachlaßgerichts angekündigten Erbscheins, der von einer testamentarischen Erbeinsetzung aller vier Kinder ausgeht, und die Unbegründetheit des vom Beteiligten zu 22 mit der Rechtsbeschwerde weiterverfolgten Erbscheinsantrags, wonach die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge von ihren vier Kindern zu je 1/4 beerbt worden sei. Die Rechtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Gerichtskosten sind im Beschwerdeverfahren nicht angefallen (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht von einer Kostenerstattungsanordnung gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG abgesehen.

Eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nicht veranlaßt. Gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 22 die der Beteiligten zu 11 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten. Hinsichtlich der Beteiligten zu 1, 2, 6 und 8 kommt die Anordnung einer Kostenerstattung nicht in Betracht, weil sie weder selbst eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung erstrebt haben (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 6. Aufl. § 13 a FGG Anm. 2 a), noch dem Rechtsmittel des Beteiligten zu 22 entgegengetreten sind (Jansen FGG 2. Aufl. § 13 a Rn. 7).

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO auf 40 000 DM festgesetzt.

Maßgebend ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats das Interesse des Rechtsbeschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels, mit dem er eine Erbquote von 1/4 anstelle der vom Beschwerdegericht angenommenen Quote von 1/8 anstrebt.

Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen schätzt der Senat den Wert des gesamten Reinnachlasses (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO) auf 480 000 DM, wobei der Wert des Hausgrundstücks in W. mit 300 000 DM zugrunde gelegt worden ist, entsprechend den Angaben der Beteiligten zu 11 und den damit übereinstimmenden Angaben der Erblasserin im Nachlaßverfahren ihres vorverstorbenen Ehemanns.

In Anbetracht dessen beträgt der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens 40 000 DM.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 119/92

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

cemetery with bare trees

Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22

April 18, 2024
Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22Zusammenfassun…
paragraph, a book, law

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

April 18, 2024
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 232…
paragraph, gold, law

Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23

April 18, 2024
Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23Inhaltsverzeichnis:…