Beeinträchtigende Schenkung des Erblassers – BGH Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15

Juni 8, 2020

Beeinträchtigende Schenkung des Erblassers – BGH Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28. September 2016 befasst sich mit den Voraussetzungen und der Anwendung des § 2287 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit beeinträchtigenden Schenkungen durch einen Erblasser.

Der Fall dreht sich um die Übertragung eines Grundstücks vom Erblasser an seine Tochter, wobei dem Sohn des Erblassers, dem Kläger, ein Pflichtteilsanspruch zusteht.

Tatbestand

Der Kläger, der Sohn des Erblassers, verlangt von seiner Schwester, der Beklagten, eine Zahlung von 60.000 Euro aufgrund einer beeinträchtigenden Schenkung.

Die Eltern der Parteien hatten sich gegenseitig und ihre Kinder zu gleichen Teilen als Erben des Längstlebenden eingesetzt.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1995 übertrug der Vater, der 1928 geboren wurde, mit Vertrag vom 26. Januar 1999 sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück auf die Beklagte.

Dabei behielt er sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht und ein vertragliches Rücktrittsrecht vor.

Die Beklagte verpflichtete sich, den Erblasser bei Bedarf unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen.

Der Verkehrswert des Grundstücks wurde auf 140.000 DM geschätzt.

Beeinträchtigende Schenkung des Erblassers – BGH Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15

Der Erblasser verstarb 2012, ohne pflegebedürftig geworden zu sein. Später veräußerte die Beklagte das Grundstück für 120.000 Euro.

Der Kläger forderte daraufhin einen Ausgleich in Höhe von 60.000 Euro.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht Berlin und das Kammergericht Berlin-Schöneberg hatten der Klage des Klägers stattgegeben.

Die Beklagte legte Revision ein, die schließlich zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht führte.

Beeinträchtigende Schenkung des Erblassers – BGH Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15

Zentrale rechtliche Aspekte:

  1. Schenkungsbegriff und Beeinträchtigungsabsicht:
    • Die Prüfung einer beeinträchtigenden Schenkung gemäß § 2287 Abs. 1 BGB erfordert zwei voneinander unabhängige Voraussetzungen: das Vorliegen einer Schenkung und die Absicht des Erblassers, den Vertragserben zu beeinträchtigen.
    • Das Berufungsgericht hatte versäumt, zwischen diesen beiden Voraussetzungen zu unterscheiden.
  2. Nießbrauch und Pflegeverpflichtung:
    • Der Wert des Grundstücks ist unter Berücksichtigung des vorbehaltenen Nießbrauchs zu ermitteln, da dieser den Wert der Schenkung mindert.
    • Ebenso ist die Pflegeverpflichtung bei der Wertberechnung zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei die Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht die spätere tatsächliche Pflegebedürftigkeit.
  3. Lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers:
    • Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers, wie etwa die Sicherstellung seiner Pflege im Alter, schließt die Annahme einer missbräuchlichen Beeinträchtigungsabsicht aus.
    • Das Berufungsgericht muss klären, ob ein solches Eigeninteresse vorlag und ob es die Schenkung rechtfertigte.
  4. Zeitpunkt der Wertberechnung:
    • Die Wertberechnung der Schenkung erfolgt zum Zeitpunkt der Zuwendung und nicht zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers.

Beeinträchtigende Schenkung des Erblassers – BGH Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15

Zusammenfassung der Revisionserwägungen

Der BGH hebt hervor, dass die Vorinstanzen wesentliche rechtliche Fehler begangen haben:

  • Fehlerhafte Schenkungsprüfung: Das Berufungsgericht trennte nicht klar zwischen Schenkung und Beeinträchtigungsabsicht. Beides sind eigenständige Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 BGB.
  • Unberücksichtigter Nießbrauch: Der vorbehaltene Nießbrauch muss bei der Schenkungsbewertung einfließen, da er den Wert der Zuwendung mindert.
  • Falsche Bewertung der Pflegeverpflichtung: Die Pflegeverpflichtung der Beklagten ist im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu bewerten, nicht anhand der späteren tatsächlichen Umstände.
  • Eigeninteresse des Erblassers: Das lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers, z.B. seine Versorgung und Pflege, muss detaillierter geprüft werden. Ein solches Interesse kann eine Schenkung rechtfertigen und die Annahme einer missbräuchlichen Beeinträchtigungsabsicht ausschließen.
  • Wertberechnung: Der Wert der Schenkung ist zum Zeitpunkt der Zuwendung zu berechnen, nicht zum Todeszeitpunkt des Erblassers.

Beeinträchtigende Schenkung des Erblassers – BGH Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15

Konsequenzen und Rückverweisung

Das Urteil des Kammergerichts wurde aufgehoben, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Dieses muss die oben genannten Punkte genauer prüfen und die erforderlichen Feststellungen zur Höhe des Jahresnutzungswerts des Nießbrauchs, zur Pflegeverpflichtung und zum Eigeninteresse des Erblassers treffen.

Das Berufungsgericht muss klären, ob tatsächlich eine Schenkung vorlag und ob der Erblasser den Kläger durch diese Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse benachteiligt hat.

Rechtliche Implikationen

Das Urteil verdeutlicht die komplexen rechtlichen Anforderungen an die Prüfung von Schenkungen und deren Auswirkungen auf die Erbenstellung im Rahmen des § 2287 BGB.

Es betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung und der Berücksichtigung aller relevanten Umstände, einschließlich dinglicher Belastungen und vertraglicher Verpflichtungen, bei der Bewertung einer möglichen beeinträchtigenden Schenkung.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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