Beeinträchtigung einer Pauschalreise durch vorhersehbare Umstände
Eine Beeinträchtigung einer Pauschalreise durch vorhersehbare Umstände schließt in der Regel ein kostenloses Rücktrittsrecht des Reisenden aus.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 23. April 2024 (X ZR 58/23) klargestellt, dass eine neue Situation, die nach Vertragsschluss eintritt, nicht als „unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne des Reiserechts (§ 651h III BGB) gilt, wenn damit bereits zum Zeitpunkt der Buchung gerechnet werden musste.
Der Entscheidung lag der Fall eines Klägers zugrunde, der im Januar 2021 – also nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie – eine Pauschalreise nach Thailand für November/Dezember 2021 buchte.
20. Januar 2021 (mitten in der Pandemie).
Reiseziel: Thailand.
Reisezeitraum: 25. November bis 9. Dezember 2021.
Am 8. August 2021 stufte das Robert-Koch-Institut Thailand als Hochrisikogebiet ein.
Der Kläger stornierte die Reise am 24. Oktober 2021.Der Kläger forderte die Rückzahlung seiner Anzahlung (25% des Reisepreises), die der Veranstalter als Stornierungsgebühr einbehielt.
Grundsätzlich kann ein Reisender gemäß § 651h Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kostenlos von einer Pauschalreise zurücktreten, wenn am Reiseziel oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. In einem solchen Fall verliert der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den Reisepreis.
Die COVID-19-Pandemie wurde vom BGH und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) grundsätzlich als ein solcher „unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand“ eingestuft.
Der BGH hat entschieden, dass der Reiseveranstalter die Anzahlung als Entschädigung (Stornierungsgebühr) behalten durfte, da die Durchführung der Reise nicht erheblich beeinträchtigt war im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB.
Entscheidend ist der Zeitpunkt der Buchung:
Wenn die Reise nach Ausbruch der Pandemie gebucht wurde, muss ein durchschnittlich informierter und verantwortungsbewusster Reisender damit rechnen, dass es auch bei der beabsichtigten Reise weiterhin zu pandemiebedingten Beeinträchtigungen und wechselnden Maßnahmen kommen kann.
Die Gefahr einer Reisewarnung oder der Einstufung als Risikogebiet war für den Kläger im Januar 2021 vorhersehbar. Im Zeitpunkt der Buchung war die weltweite pandemische Lage ungewiss, und es bestand eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für gravierende Veränderungen wie z.B. die Einstufung als Hochrisikogebiet.
Der BGH betont, dass die spätere Einstufung Thailands als Hochrisikogebiet zwar erst nach der Buchung erfolgte, sich aber im Rahmen dessen hielt, womit schon im Zeitpunkt der Buchung zu rechnen war.
Es ist keine neue Situation entstanden, die als solche unvorhersehbar gewesen wäre.
Auch der Umstand, dass neue Virusvarianten oder Rekombinate den Anstieg der Infektionszahlen verursacht haben, ist unerheblich. Entscheidend ist, ob die tatsächlichen Umstände und die Kenntnis des Reisenden sich erheblich von der Situation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschieden haben. Da die Gefahr einer solchen Entwicklung bereits bei Buchung bestand, wurde keine neue, unvorhersehbare Situation geschaffen.
Der BGH bestätigte, dass der Kläger nicht kostenlos vom Vertrag zurücktreten konnte. Ihm war es zuzumuten, die Reise trotz der im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken anzutreten, da sich die Situation nicht über das erwartbare Maß hinaus verschlechtert hatte. Dem Reiseveranstalter stand daher die vereinbarte Stornierungsgebühr zu.
Wird eine Pauschalreise in einer bereits ungewissen oder von Risiken geprägten Lage gebucht (z.B. Pandemie, Region mit Konfliktpotenzial), muss der Reisende das Risiko in Kauf nehmen, dass sich diese absehbaren Risiken verwirklichen.
Eine spätere Verschlechterung, die im Rahmen der anfänglichen Ungewissheit liegt (z.B. die Einstufung als Hochrisikogebiet im Verlauf einer Pandemie), begründet kein kostenloses Rücktrittsrecht wegen „unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände“ .
Was im Zeitpunkt der Buchung bereits vorhersehbar war, kann später nicht als unvorhersehbarer, außergewöhnlicher Umstand für einen kostenlosen Rücktritt geltend gemacht werden.
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