Beeinträchtigung eines Geh- und Fahrrechts durch die Errichtung eines Tores

Juni 11, 2025

Beeinträchtigung eines Geh- und Fahrrechts durch die Errichtung eines Tores

RA und Notar Krau

Dieser Fall vor dem Saarländischen Oberlandesgericht (Urteil vom 02.10.2019 – 5 U 15/19) dreht sich um einen Nachbarschaftsstreit und ein Geh- und Fahrrecht auf einem Grundstück. Es geht darum, wie weit dieses Recht reicht und welche Einschränkungen der Grundstückseigentümer vornehmen darf.


Die Situation der Nachbarn

Die Kläger und die Beklagten sind Nachbarn. Die Kläger besitzen ein Grundstück, das nicht direkt an eine öffentliche Straße grenzt. Um dorthin zu gelangen, haben sie ein Geh- und Fahrrecht auf dem Grundstück der Beklagten. Das bedeutet, sie dürfen einen bestimmten Bereich auf dem Grundstück der Beklagten nutzen, um zu ihrem eigenen Grundstück zu gehen oder zu fahren. Dieses Recht ist im Grundbuch eingetragen und besteht schon seit 1964.


Die Probleme: Tor, Kamera und Schilder

Die Beklagten haben auf ihrem Grundstück, genau an der Grenze zum Grundstück der Kläger, ein zweiflügeliges Tor errichtet. Dieses Tor ist nicht zur Straßenseite hin, sondern mitten auf dem Weg, den die Kläger nutzen. Es hat einen automatischen Schließmechanismus, und man muss aus dem Fahrzeug aussteigen, um es über ein Tastenfeld zu öffnen. Dann hat man nur 30 Sekunden Zeit, um durchzufahren, bevor es sich wieder schließt. Die Beklagten haben eine Fernbedienung für das Tor, die Kläger nicht.

Zusätzlich haben die Beklagten eine Videokamera unter dem Dach ihres Hauses angebracht, die den gesamten Hofbereich erfasst, über den die Kläger fahren müssen.

Außerdem haben die Beklagten Schilder aufgestellt, unter anderem eines mit der Aufschrift „Zufahrt für Lkw verboten!„.

Die Kläger sehen all das als eine unzumutbare Beeinträchtigung ihres Geh- und Fahrrechts und ihres Persönlichkeitsrechts an und haben geklagt. Sie argumentieren, dass das Tor reiner „Schikane“ diene, die Kamera sie überwacht und die Schilder Lieferverkehr zu ihrem Grundstück behindern.


Die Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht Saarbrücken hat in erster Instanz den Klägern weitgehend Recht gegeben:

  • Die Beklagten müssen das Tor entfernen.
  • Die Beklagten müssen die Kamera entfernen.
  • Die Beklagten müssen das Schild „Zufahrt für Lkw verboten!“ entfernen.

Die Berufung der Beklagten und die Gründe des OLG

Die Beklagten gingen in Berufung und wollten erreichen, dass die Klage komplett abgewiesen wird. Sie meinten, die Verhältnisse hätten sich geändert, es gäbe Gefahren durch den Verkehr auf ihrem Hof, und die Kläger könnten ja auch einen anderen Zugang zu ihrem Grundstück nutzen. Auch die Kamera sei aus Sicherheitsgründen angebracht worden.

Das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) hat die Entscheidung des Landgerichts teilweise bestätigt und präzisiert:

1. Das Tor muss weg

Das OLG hat entschieden, dass das Tor eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung des Geh- und Fahrrechts darstellt.

  • Kein legitimer Grund: Das Tor ist nicht an der Straßenseite angebracht, wo es Unbefugte abhalten könnte, sondern genau dort, wo die Kläger ihr Recht ausüben. Das Tor dient also nicht dazu, unbefugtes Betreten zu verhindern, sondern erschwert nur den Klägern die Nutzung. Das OLG sah darin den Versuch der Beklagten, die Behinderung auf die Kläger abzuwälzen.
  • Erschwernisse für die Kläger: Die Kläger müssen aus dem Auto steigen, um das Tor zu öffnen, und haben nur ein kurzes Zeitfenster zur Durchfahrt. Die Beklagten hingegen können es bequem per Fernbedienung öffnen. Auch bei Stromausfall ist das Tor schwer zu öffnen.
  • Keine Rechtfertigung durch angebliche Gefahren: Die Beklagten konnten keine konkreten Gefahrensituationen nachweisen, die die Errichtung des Tores an dieser Stelle rechtfertigen würden. Auch wenn es in der Vergangenheit kleinere Vorfälle gab, würden diese durch das Tor an der gewählten Stelle nicht verhindert, da Fahrzeuge immer noch schnell auf den Hof fahren könnten.
  • Schikane: Das OLG sah in der Errichtung des Tores eine unzulässige Schikane, da es offensichtlich nur dazu diente, den Klägern Nachteile zuzufügen.

Das OLG stellte klar, dass beide Beklagten als Miteigentümer des dienenden Grundstücks für die Entfernung des Tores verantwortlich sind, da es sich um einen fest verbundenen Bestandteil des Grundstücks handelt.

Beeinträchtigung eines Geh- und Fahrrechts durch die Errichtung eines Tores

2. Kein generelles Verbot von Absperrungen

Das OLG hat jedoch den weitergehenden Antrag der Kläger auf ein generelles Verbot jeglicher Absperrvorrichtungen abgewiesen. Das Gericht erklärte, dass die Beklagten als Eigentümer grundsätzlich das Recht haben, ihr Grundstück einzuzäunen oder ein Tor anzubringen. Dies muss aber so geschehen, dass die Kläger ihr Geh- und Fahrrecht weiterhin angemessen ausüben können. Ein pauschales Verbot wäre eine zu große Einschränkung für die Beklagten.

3. Die Kamera muss weg

Auch die Anweisung des Landgerichts zur Entfernung der Kamera wurde vom OLG bestätigt.

  • Verletzung des Persönlichkeitsrechts: Die Kamera ist weithin sichtbar unter dem Dach der Beklagten angebracht und erfasst den Hofbereich, den die Kläger nutzen. Angesichts des schon lange schwelenden Nachbarschaftsstreits erzeugt dies bei den Klägern einen unzulässigen „Überwachungsdruck“. Sie müssen objektiv ernsthaft befürchten, ständig überwacht zu werden, was ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.
  • Keine Rechtfertigung: Die Beklagten konnten keine ausreichenden Gründe nennen, die diesen massiven Eingriff rechtfertigen würden. Auch wenn sie die Kamera aus Sicherheitsgründen angebracht haben, kommt es nicht darauf an, ob sie tatsächlich überwachen wollen, sondern darauf, dass die Kläger sich überwacht fühlen müssen. Es gäbe andere, weniger einschneidende Möglichkeiten zum Schutz des Eigentums. Dass die Kläger selbst eine Kamera angebracht haben, ändert nichts an der Rechtswidrigkeit der Kamera der Beklagten.

4. Das Lkw-Verbotsschild muss weg

Das OLG hat auch entschieden, dass das Schild „Zufahrt für LKW verboten!“ entfernt werden muss.

  • Beeinträchtigung des Geh- und Fahrrechts: Das Geh- und Fahrrecht der Kläger ist zwar nicht unbegrenzt, aber die Breite des eingetragenen Bereichs deutet darauf hin, dass auch größere Fahrzeuge dort fahren dürfen. Ein generelles Lkw-Verbot ohne Einschränkungen (z.B. für notwendigen Anliegerverkehr) ist eine zu starke Beschränkung des Rechts.
  • Missverständnisse möglich: Das Schild ist so gestaltet, dass es auch notwendigen Lieferverkehr für die Kläger abhalten könnte. Es besteht das Risiko, dass Ortsunkundige ihr Anwesen nicht finden oder eine Anfahrt ganz vermeiden.
  • Andere Möglichkeiten: Es gäbe andere, weniger einschränkende Wege, um übermäßigen Schwerlastverkehr zu verhindern, zum Beispiel durch Schilder mit einschränkenden Zusätzen.

Das OLG hat hier die Formulierung des Urteils des Landgerichts präzisiert, damit klar ist, dass das konkrete Schild entfernt werden muss und nicht nur „geeignete Maßnahmen“ ergriffen werden sollen.


Fazit des Urteils

Das OLG hat klargestellt, dass ein Grundstückseigentümer, der ein Geh- und Fahrrecht auf seinem Grundstück gewähren muss, dieses Recht nicht durch Maßnahmen erschweren oder behindern darf, die im Wesentlichen nur dazu dienen, dem Berechtigten die Ausübung seines Rechts zu verleiden oder zu erschweren. Eine solche Vorgehensweise kann als Schikane angesehen werden und ist unzulässig. Auch Überwachungskameras, die einen „Überwachungsdruck“ erzeugen, sind eine unzulässige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, besonders in einem angespannten Nachbarschaftsverhältnis. Generelle Verbote auf Schildern, die den zulässigen Umfang eines Geh- und Fahrrechts unangemessen einschränken, sind ebenfalls nicht erlaubt.


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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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