Befangenheit eines Richters wegen Äußerungen über Rechtsschutz gedeckte Klagen des Prozessbevollmächtigten
Datum: 06.03.2019
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper: 20. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 20 W 1/19
Vorinstanz: Landgericht Bonn, 9 O 365/17
Hier ist eine Zusammenfassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 06.03.2019 (Az.: 20 W 1/19), die sich mit dem Ablehnungsrecht eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit befasst.
Dieser Beschluss des OLG Köln behandelt die Ablehnung eines Richters durch eine Prozesspartei (den Kläger), weil diese befürchtete, der Richter sei ihr gegenüber nicht unvoreingenommen und damit befangen.
Der Kläger hatte das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit des vorsitzenden Richters abgelehnt. Das Landgericht (Vorinstanz) hatte diesen Ablehnungsantrag zunächst als unzulässig verworfen. Der Kläger legte daraufhin eine sofortige Beschwerde beim OLG Köln ein.
Das OLG Köln musste im Wesentlichen zwei Fragen klären:
Das Landgericht meinte, der Kläger habe sein Ablehnungsrecht verloren, weil er nach Einreichung des Ablehnungsantrags noch Anträge zur Sache (zum eigentlichen Streitgegenstand) gestellt hatte.
Das OLG widersprach dem Landgericht und erklärte den Antrag für zulässig.
Ein Verlust des Ablehnungsrechts tritt nicht dadurch ein, dass eine Partei sich nach Ablehnung des Richters auf die weitere Verhandlung einlässt. Das Gesetz will verhindern, dass man erst Anträge stellt und danach einen bereits bekannten Ablehnungsgrund geltend macht. Hat man den Richter aber bereits abgelehnt, ist es erlaubt, am Termin mitzuwirken – auch weil das Gericht die Verhandlung trotz des Antrags fortsetzen darf.
Der Kläger fühlte sich vom vorsitzenden Richter unter Druck gesetzt, um die Klage zurückzunehmen. Der Richter soll u.a. auf die bestehende Rechtsschutzversicherung hingewiesen und damit gedroht haben, dass eine Fortsetzung des aussichtslosen Prozesses zu Problemen mit der Versicherung führen könnte.
Das OLG sah die Besorgnis der Befangenheit des vorsitzenden Richters als begründet an.
Zwar darf ein Richter gemäß §139 ZPO die Parteien auf die Rechtslage hinweisen und auch seine vorläufige Meinung äußern, dass die Klage unbegründet sei. Diese Hinweise müssen jedoch sachgerecht und distanziert erfolgen.
Der vorsitzende Richter hat die Grenze der zulässigen Prozessleitung überschritten. Das Gericht stellte fest, dass der Richter gegenüber dem Kläger eine „Drohkulisse“ aufgebaut hat. Indem er wiederholt und in verschiedenen Zusammenhängen die Rechtsschutzversicherung thematisierte und die Möglichkeit von Konsequenzen in den Raum stellte, setzte er den Kläger unter Druck, um eine Klagerücknahme zu erzwingen.
Es steht dem Gericht nicht zu, eine Partei, die trotz gerichtlichen Hinweises an ihrer Klage festhält und ein Urteil möchte, unter Druck zu setzen. Dies rechtfertigt aus der Sicht einer besonnenen Partei den Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters.
Das OLG Köln änderte den Beschluss der Vorinstanz ab:
Das Ablehnungsgesuch gegen den vorsitzenden Richter wurde für begründet erklärt. Er darf an diesem Verfahren nicht mehr mitwirken.
Das Gesuch gegen die beiden beisitzenden Richter wurde als unbegründet abgewiesen. Das OLG urteilte, dass aus dem bloßen Schweigen der Beisitzer während der beanstandeten Äußerungen des Vorsitzenden nicht automatisch geschlossen werden kann, dass sie dessen Verhalten billigten oder selbst befangen seien.
Das OLG Köln hat klargestellt, dass Richter ihre Pflicht zur Prozessleitung und zur Erteilung von Hinweisen nicht dazu nutzen dürfen, eine Partei durch psychologischen Druck und Drohungen (hier: Hinweis auf Probleme mit der Rechtsschutzversicherung) zu einer Klagerücknahme zu bewegen.
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