Befangenheitsantrag muss sofort begründet werden!
Zusammenfassung der Entscheidung 1 W 33/20 des OLG Brandenburg vom 06.01.2021
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg betrifft ein Verfahren, das sich hauptsächlich um einen Befangenheitsantrag gegen einen Richter des Landgerichts Frankfurt (Oder) drehte.
Das eigentliche Hauptverfahren war ein Zivilprozess zwischen einer Klägerin (einem Bauunternehmen) und den Beklagten (Auftraggeber), der bereits im Juli 2014 begann:
Das Bauunternehmen forderte von den Auftraggebern die Zahlung von Restwerklohn für Rohbau- und Fassadenarbeiten an einem Mehrfamilienhaus.
Die Auftraggeber forderten ihrerseits einen Kostenvorschuss für die Beseitigung angeblicher Mängel an den Bauarbeiten.
Der Prozess zog sich extrem lange hin, da wiederholt Sachverständigengutachten eingeholt werden mussten:
2015: Erstes Gutachten des Sachverständigen (mit Bauteilöffnung).
2015–2017: Einholung eines Ergänzungsgutachtens, da der Gutachter zwischenzeitlich einen Schlaganfall erlitt.
2018–2020: Einholung eines Obergutachtens aufgrund von Streitigkeiten über die Ergebnisse. Dabei gab es Schwierigkeiten, weil die Auftraggeber (Beklagte) die nötige Einwilligung des Hauseigentümers für erneute bauteilzerstörende Untersuchungen nicht vorlegten. Der Obergutachter konnte daher keine neuen Proben von der Fassade nehmen.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2020 wurde der Obergutachter angehört. Unmittelbar nach seiner Entlassung stellte die Beklagte zu 1.) (eine der Auftraggeberinnen) zwei Ablehnungsanträge gegen den Vorsitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit:
Sie lehnte den Richter ab, gab aber keine Begründung an und bat um eine Schriftsatzfrist von zwei Wochen.
Sie lehnte den Richter kurz darauf, nach Stellung der Sachanträge, erneut wegen seiner Verfahrensweise ab und kündigte eine schriftliche Begründung an.
Die Begründung reichte die Beklagte erst zwei Wochen später ein. Sie führte eine Reihe von Vorwürfen an:
Der Richter habe ihr Fragen an den Sachverständigen (z. B. zur Einhaltung der EnEV oder zur Probenentnahme) und weiteren Sachvortrag nicht zugelassen oder sie aufgefordert, „scharfe Nachfragen“ und „persönliche Anwürfe“ zu unterlassen.
Der Richter habe unzutreffende Ansichten zur Beweisvereitelung (wegen der fehlenden Bauteilöffnung) vertreten.
Sie rügte zudem die gesamte Verfahrensleitung der Jahre 2014 bis 2018, z. B. die Reaktion auf Terminsverlegungen, die falsche Anleitung des Erstgutachters und die Auswahl der Sachverständigen.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) wies die Befangenheitsgesuche am 30. September 2020 als unzulässig zurück.
Dagegen legte die Beklagte zu 1.) die sofortige Beschwerde beim OLG Brandenburg ein (Aktenzeichen 1 W 33/20).
Das OLG Brandenburg wies die Beschwerde zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Landgerichts.
Die Anträge waren nach Ansicht des OLG in mehrfacher Hinsicht unzulässig oder unbegründet:
Das Gesetz verlangt, dass der Ablehnende konkrete Tatsachen darlegt, die die Besorgnis der Befangenheit begründen. Ein bloßer Antrag, dessen Begründung nur in Aussicht gestellt wird, reicht nicht aus.
Die Begründung muss zumindest im Kern sofort gegeben werden. Das OLG stellte klar: Das unbegründete Ablehnungsgesuch war von Anfang an unzulässig.
Die Beklagte hatte die Verfahrensfehler aus den Jahren 2014 bis 2018 (Anleitung des Gutachters, Auswahl der Gutachter etc.) gerügt.
Nach dem Gesetz (§ 43 ZPO) kann eine Partei einen Richter nicht mehr wegen eines Ablehnungsgrundes ablehnen, den sie kannte, sich aber trotzdem auf die weitere Verhandlung eingelassen hat. Da die Beklagte trotz jahrelanger Kenntnis dieser Vorgänge erst im August 2020 den Antrag stellte, ist sie mit diesen älteren Gründen ausgeschlossen (präkludiert).
Der Vorwurf der Beschränkung des Fragerechts war nicht glaubhaft gemacht:
Das Protokoll zeigte, dass alle Fragen zugelassen und beantwortet wurden.
Der Richter hatte lediglich darum gebeten, persönliche Anwürfe gegen den Sachverständigen zu unterlassen – dies stellt keine Beschränkung des Fragerechts dar.
Die Beklagte hatte nicht konkret dargelegt, welche neuen Fragen sie stellen wollte, die das Gericht nicht zugelassen habe.
Der Vorwurf, der Richter habe sich zur Beweislast und Beweisvereitelung unzutreffend geäußert, ist kein Ablehnungsgrund:
Vorläufige Meinungsäußerungen des Richters zur Rechtslage sind kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit. Das Gericht ist sogar verpflichtet, den Sach- und Streitstand zu erörtern und auf seine vorläufigen Rechtsansichten hinzuweisen, um den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren.
Die sofortige Beschwerde war unbegründet, da die Befangenheitsgesuche der Beklagten zu 1.) bereits unzulässig waren, weil sie nicht unverzüglich begründet wurden und ältere Gründe nicht mehr geltend gemacht werden durften.
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