Befangenheitsgesuch wegen Unmutsäußerung des Richters in der Verhandlung
OLG München, Beschluss v. 26.09.2025 – 19 U 2796/24 e
Ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter, weil er im Prozess Unmut oder scharfe Worte geäußert hat, ist nur dann erfolgreich, wenn eine vernünftige Partei dadurch objektiv befürchten muss, dass der Richter nicht unparteiisch entscheidet. Bloße Unmutsäußerungen oder durch das Prozessgeschehen provozierte Reaktionen reichen in der Regel nicht aus, solange die Äußerungen sich auf die Sachebene beziehen und keine persönliche Missachtung darstellen.
In diesem Fall ging es vor dem Oberlandesgericht (OLG) München um ein Verfahren, in dem der Kläger von den Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens (eines Kredits) verlangte.
Während der mündlichen Verhandlung lehnten die Beklagten zwei Richter des Senats – den Vorsitzenden Richter und die Berichterstatterin – ab. Juristisch nennt man dies ein Befangenheitsgesuch.
Die Beklagten warfen dem Vorsitzenden Richter vor, unbeherrschte Emotionen gezeigt und ihnen implizit die Glaubwürdigkeit abgesprochen zu haben (u.a. wegen eines Schlags mit der flachen Hand auf den Richtertisch).
Der Richterin warfen sie vor, sich abwertend und parteiisch geäußert zu haben, etwa indem sie eine Antwort vorwegnahm und den Beklagten „Spielchen“ unterstellte.
Die abgelehnten Richter gaben zu den Vorwürfen eine dienstliche Stellungnahme ab, in der sie ihre Sicht der Dinge und den Kontext der Äußerungen darlegten.
Dies ist ein Antrag einer Partei, einen Richter von dem Verfahren auszuschließen. Es basiert auf der Sorge, dass der Richter nicht unparteiisch ist.
Das ist der juristische Maßstab. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter wirklich voreingenommen ist, sondern ob aus der objektiven Sicht einer vernünftigen Partei ein guter Grund besteht, seine Unparteilichkeit zu bezweifeln. Man spricht vom „bösen Schein“ der Voreingenommenheit.
Die Partei, die einen Richter ablehnt, muss die Gründe dafür glaubhaft machen. Das bedeutet, sie muss Beweismittel vorlegen, die den Ablehnungsgrund überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Die bloße Behauptung der Partei reicht nicht aus. Das Gericht stützt seine Entscheidung dann auf die glaubhaft gemachten Tatsachen und die dienstliche Stellungnahme des Richters.
Das OLG München wies das Ablehnungsgesuch der Beklagten zurück (es war also erfolglos).
Der Richter gab zu, mit der flachen Hand auf den Richtertisch geschlagen und energisch auf die Pflichten der Beklagten hingewiesen zu haben.
Die Beklagten hatten gegen ihre prozessualen Mitwirkungspflichten verstoßen. Sie waren einer Anordnung zum persönlichen Erscheinen teilweise nicht nachgekommen, hatten wichtige Unterlagen nicht dabei und sich geweigert, Fragen des Gerichts zu Aktenzeichen auf Überweisungen zu beantworten, indem sie erklärten, sich dazu „nicht äußern“ zu wollen.
Angesichts dieses erheblichen Verstoßes der Beklagtenseite war die Unmutsäußerung des Richters verständlich und veranlasst. Es handelte sich um eine Reaktion auf der Sachebene zur Durchsetzung der Ordnung im Verfahren, nicht um eine willkürliche oder unsachliche Reaktion. Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich daraus für eine vernünftige Partei nicht.
Die von den Beklagten anders dargestellte Version des Sachverhalts wurde nicht berücksichtigt, weil sie diese nicht glaubhaft machen konnten.
Die Richterin bestätigte sinngemäß die Äußerung.
Die Richterin bezog sich auf das Prozessverhalten der Beklagten, insbesondere auf wiederholte Zustellungsprobleme (z.B. nicht erhaltene Schriftsätze, gescheiterte Zustellversuche per beA) und damit verbundene Verzögerungen.
Die Unmutsaufwallung der Richterin war angesichts der mannigfaltigen Zustellprobleme objektiv nachvollziehbar. Die Äußerung brachte lediglich Unmut über das Prozessverhalten zum Ausdruck und ließ keinen Verlust der Unvoreingenommenheit erkennen.
Auch der Vorwurf, die Richterin habe dem Kläger eine Antwort in den Mund gelegt, wurde widerlegt: Der Kläger schüttelte den Kopf, und die Richterin fragte eher zur Bestätigung. Dies stellt keinen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht dar.
Das OLG hat klargestellt, dass Richter lebhaft sein dürfen und auch deutliche, scharfe Worte gebrauchen können, besonders wenn diese durch Fehlverhalten der Parteien im Prozess provoziert werden. Ein Richter muss nicht immer „Engelsgeduld“ zeigen. Solange die Kritik auf die Sachebene zielt und nicht eine persönliche Beleidigung darstellt, liegt keine Befangenheit vor. Die Ablehnung wird nur angenommen, wenn ein objektiver, vernünftiger Grund die Furcht vor Voreingenommenheit begründet.
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