Befristungskontrolle nach § 14 I Satz 2 Nr 3 TzBfG – BAG Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR 443/09
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Juli 2012 (Az. 7 AZR 443/09) behandelt die Frage der rechtmäßigen Befristung von Arbeitsverträgen zur Vertretung und die dabei notwendigen Prüfungen der Gerichte, insbesondere im Hinblick auf Missbrauch durch sogenannte Kettenbefristungen.
Die Klägerin war von 1996 bis 2007 in 13 befristeten Arbeitsverhältnissen als Justizangestellte beim Amtsgericht Köln tätig.
Die Befristungen erfolgten meist zur Vertretung von Kolleginnen, die sich im Sonderurlaub oder Mutterschutz befanden.
Am 12. Dezember 2006 schlossen die Parteien einen weiteren befristeten Vertrag für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007, um die Mitarbeiterin K zu vertreten, die sich im Sonderurlaub befand.
Die Klägerin argumentierte, dass die wiederholten Befristungen über mehr als elf Jahre nicht mehr als vorübergehende Vertretungen betrachtet werden könnten und die Befristungskette rechtsmissbräuchlich sei.
Sie klagte auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die letzte Befristung beendet wurde.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln wiesen die Klage ab.
Das BAG setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung der Richtlinie 1999/70/EG und der darin enthaltenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vor.
Der EuGH entschied, dass nationale Gerichte alle Umstände des Einzelfalls, einschließlich der Zahl und Gesamtdauer der befristeten Verträge, prüfen müssen, um Missbrauch auszuschließen.
Das BAG bestätigte, dass für die letzte Befristung ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vorlag, da die Klägerin zur Vertretung der beurlaubten Mitarbeiterin K eingestellt wurde.
Auch die langfristige und wiederholte Vertretung stelle grundsätzlich einen sachlichen Grund dar, solange die befristete Beschäftigung aufgrund des vorübergehenden Ausfalls einer Stammkraft erfolgte und dieser Zusammenhang nachweisbar war.
Gemäß den Vorgaben des EuGH sind nationale Gerichte verpflichtet, auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes eine umfassende Missbrauchskontrolle vorzunehmen.
Diese erfordert die Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, um sicherzustellen, dass befristete Arbeitsverträge nicht zur Umgehung des Bestandsschutzes missbraucht werden.
Das BAG entschied, dass im deutschen Recht die Prüfung eines möglichen Rechtsmissbrauchs nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) erfolgen muss.
Dies bedeutet, dass die Gerichte überprüfen müssen, ob die Gestaltung der Befristungen in einer Weise erfolgt ist, die mit Treu und Glauben unvereinbar ist und lediglich dazu dient, den Bestandsschutz der Arbeitnehmer zu umgehen.
Das BAG hob das Urteil des LAG Köln auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
Das LAG muss nun prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die der Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens entgegenstehen.
Das BAG benannte mehrere Kriterien, die bei der Prüfung eines möglichen Missbrauchs zu berücksichtigen sind:
Gesamtdauer der befristeten Verträge:
Eine elfjährige Befristungskette spricht für einen Missbrauch.
Anzahl der befristeten Verträge:
Insgesamt 13 befristete Verträge weisen ebenfalls auf eine missbräuchliche Praxis hin.
Die Klägerin wurde stets für dieselben Aufgaben eingesetzt, was auf einen dauerhaften Bedarf und nicht nur vorübergehende Vertretung hindeutet.
Unterbrechungen:
Längere zeitliche Unterbrechungen könnten gegen eine Missbrauchsannahme sprechen.
Ständiger Vertretungsbedarf:
Ein solcher Bedarf kann einen sachlichen Grund darstellen, muss aber bei der Missbrauchskontrolle berücksichtigt werden.
Schlussfolgerungen des BAG
Das BAG bestätigte, dass trotz des Vorliegens eines sachlichen Grundes für die Befristung die Anzahl und Gesamtdauer der Verträge auf einen Missbrauch hindeuten können.
Eine umfassende Missbrauchskontrolle sei daher erforderlich.
Das LAG muss prüfen, ob weitere besondere Umstände vorliegen, die der Annahme eines Missbrauchs entgegenstehen.
Das Urteil betont die Bedeutung der unionsrechtlichen Vorgaben zur Verhinderung von Missbrauch durch Kettenbefristungen und die Notwendigkeit einer umfassenden Einzelfallprüfung durch die Gerichte.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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