Beginn der Ausschlagungsfrist

Juli 19, 2017

Beginn der Ausschlagungsfrist

OLG Schleswig 3 Wx 96/15

Beschluss vom 20. Juni 2016

Ausschlagungserklärungen,

Eintritt des Erbfalls

RA und Notar Krau

Der Erblasser, Herr A, verstarb am 17.08.2014.

Er hinterließ seine Ehefrau (Beteiligte zu 1)) und drei Kinder (Beteiligte zu 2) bis 4)).

Das Verhältnis zwischen den Eltern und den Kindern war in den Jahren vor dem Tod des Erblassers stark zerrüttet, der Kontakt sporadisch.

Beginn der Ausschlagungsfrist

Die Ehefrau beantragte am 13.02.2015 einen Erbschein, der sie als hälftige und die Kinder als je zu einem Sechstel beerbte.

Das Nachlassgericht informierte die Kinder über den Antrag und gab ihnen Gelegenheit, Bedenken mitzuteilen.

Daraufhin erklärten die Kinder (Beteiligte zu 3) und 4)) am 11.03.2015 die Ausschlagung der Erbschaft.

Die Ehefrau (Beteiligte zu 1)) bestritt die Wirksamkeit der Ausschlagungserklärungen, da die Frist zur Ausschlagung ihrer Ansicht nach bereits abgelaufen sei.

Sie behauptete, die Kinder unmittelbar nach dem Tod des Erblassers telefonisch über den Erbfall und das Fehlen eines Testaments informiert zu haben.

Die Kinder trugen vor, nur von dem Tod des Vaters erfahren zu haben, nicht aber über das Fehlen eines Testaments.

Aufgrund des zerrütteten Verhältnisses seien sie von einer Enterbung ausgegangen.

Das Amtsgericht wies den Erbscheinsantrag zurück und erklärte die Ausschlagungserklärungen für wirksam.

Beginn der Ausschlagungsfrist

Die Frist zur Ausschlagung habe erst mit dem Schreiben des Nachlassgerichts vom 03.03.2015 begonnen.

Gegen diese Entscheidung legte die Ehefrau Beschwerde ein.

Sie behauptete, die Kinder hätten Kenntnis vom Berufungsgrund gehabt, da sie sie über das Fehlen eines Testaments informiert habe.

Entscheidung des OLG Schleswig:

Das OLG Schleswig wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts.

Die Ausschlagungserklärungen der Kinder seien wirksam, da die Frist zur Ausschlagung erst mit dem Schreiben des Nachlassgerichts vom 03.03.2015 begonnen habe.

Begründung:

Die Ausschlagungsfrist beträgt gemäß § 1944 Abs. 1 BGB sechs Wochen.

Sie beginnt jedoch erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe vom Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 BGB).

Im vorliegenden Fall war der Grund der Berufung die gesetzliche Erbfolge.

Kenntnis vom Berufungsgrund ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn dem Erben die Familienverhältnisse bekannt sind

und er keine begründete Vermutung hat, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden ist.

Im vorliegenden Fall war das Verhältnis zwischen den Eltern und den Kindern zerrüttet.

Die Kinder hatten daher Grund zur Annahme, dass sie enterbt worden sein könnten.

Aus ihrer Sicht war es nicht unwahrscheinlich, dass der Erblasser sie durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen hatte.

Die Ehefrau hatte zwar behauptet, die Kinder über das Fehlen eines Testaments informiert zu haben.

Diese Behauptung konnte sie jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG nicht aufrechterhalten.

Sie erinnerte sich nur daran, ihrer Tochter den Tod des Vaters mitgeteilt zu haben.

Daher konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Kinder vor Erhalt des Schreibens des Nachlassgerichts Kenntnis vom Grund der Berufung hatten.

Die Frist zur Ausschlagung begann somit erst mit dem Zugang dieses Schreibens.

Fazit:

Das OLG Schleswig hat in diesem Beschluss klargestellt, dass die Kenntnis vom Grund der Berufung für den Beginn der Ausschlagungsfrist entscheidend ist.

Bei zerrütteten Familienverhältnissen kann die Annahme einer Enterbung die Kenntnis vom Grund der Berufung verhindern und somit den Beginn der Ausschlagungsfrist hinauszögern.

Zusätzliche Informationen:

  • Der Beschluss des OLG Schleswig vom 20.06.2016 (Az. 3 Wx 96/15) befasst sich mit der Frage des Beginns der Ausschlagungsfrist bei zerrütteten Familienverhältnissen.
  • Die Ausschlagungsfrist beträgt gemäß § 1944 Abs. 1 BGB sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe vom Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 BGB).
  • Kenntnis vom Berufungsgrund ist bei gesetzlicher Erbfolge grundsätzlich dann anzunehmen, wenn dem Erben die Familienverhältnisse bekannt sind und er keine begründete Vermutung hat, dass eine ihn ausschließende Verfügung von Todes wegen existiert.
  • Bei zerrütteten Familienverhältnissen kann die Annahme einer Enterbung die Kenntnis vom Grund der Berufung verhindern.
  • Der Beschluss verdeutlicht die Bedeutung der Kenntnis vom Berufungsgrund für den Beginn der Ausschlagungsfrist und zeigt auf, dass im Einzelfall geprüft werden muss, wann diese Kenntnis vorliegt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Geschäftswert für Erstellung Nachlassverzeichnis

Geschäftswert für Erstellung Nachlassverzeichnis

Februar 15, 2025
Geschäftswert für Erstellung NachlassverzeichnisZusammenfassung des Beschlusses des LG Stuttgart vom 29.10.2024 (19 OH 22/23)RA und Notar …
Anforderungen an Pflichtteilsentziehungsgrund

Anforderungen an Pflichtteilsentziehungsgrund

Februar 15, 2025
Anforderungen an PflichtteilsentziehungsgrundRA und Notar KrauDas Urteil des LG München I vom 24.07.2024 (3 O 3026/24) befasst sich mit de…
Teilnachlasspflegschaft für unbekannte Erben

Teilnachlasspflegschaft für unbekannte Erben

Februar 15, 2025
Teilnachlasspflegschaft für unbekannte ErbenOLG Brandenburg, Beschluss vom 11.07.2024 – 3 W 17/24RA und Notar KrauAusgangslage:Nac…