Belastungsvollmacht für Finanzierungsgrundschuld in beliebiger Höhe ist mit Grundstückskaufvertrag gegenstandsgleich

November 2, 2025

Belastungsvollmacht für Finanzierungsgrundschuld in beliebiger Höhe ist mit Grundstückskaufvertrag gegenstandsgleich

BGH, Beschluss vom 23.03.2006 – V ZB 156/05

Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 05.08.2002 – 82 T 772/04 –

KG Berlin, Entscheidung vom 30.09.2005 – 9 W 71/05 –

Worum ging es in dem Fall?

Der BGH musste klären, welche Notargebühren anfallen, wenn in einem Grundstückskaufvertrag dem Käufer zusätzlich eine Vollmacht erteilt wird, das Grundstück noch vor der Eigentumsumschreibung (also bevor es ihm rechtlich gehört) mit einer Hypothek oder Grundschuld zu belasten.

Diese Vorbelastungsermächtigung dient typischerweise dazu, dass der Käufer schon vorab einen Kredit für den Kaufpreis oder den Bau aufnehmen und das Grundstück als Sicherheit eintragen lassen kann.

Der konkrete Streitfall

  • Der Sachverhalt: Käufer erwerben ein Grundstück für ca. 143.728 €. Im Kaufvertrag ermächtigt die Verkäuferin die Käufer, das Grundstück für die Finanzierung in beliebiger Höhe, hier angesetzt mit 500.000 €, mit Grundpfandrechten zu belasten.
  • Die Notarkosten: Der Notar (Beteiligter zu 1) berechnete für die Beurkundung des Kaufvertrags die reguläre Gebühr. Zusätzlich verlangte er eine separate, weitere Gebühr (5/10 Gebühr) für die Vorbelastungsermächtigung auf Basis des höheren Betrags (500.000 €).
  • Der Einspruch: Die Käufer legten Beschwerde ein, da sie die zusätzliche Gebühr für unberechtigt hielten. Das Landgericht gab den Käufern recht und kürzte die Notarrechnung.
  • Der Weg zum BGH: Der Notar legte weitere Beschwerde ein. Weil verschiedene Gerichte in Deutschland in solchen Fällen unterschiedlich entschieden hatten, musste der BGH als oberstes Zivilgericht die Frage grundsätzlich klären.

Belastungsvollmacht für Finanzierungsgrundschuld in beliebiger Höhe ist mit Grundstückskaufvertrag gegenstandsgleich

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)

Der BGH hat die weitere Beschwerde des Notars zurückgewiesen. Das bedeutet: Die Entscheidung des Landgerichts, die Kostenberechnung des Notars zu kürzen, war korrekt.

Die zentrale Begründung des BGH

Der BGH stellte klar, dass für die Kostenberechnung der Notare Folgendes gilt:

  1. Einheitlicher Gegenstand: Die Erklärungen im Kaufvertrag, die auf den Verkauf abzielen, und die Erklärungen, die auf die Belastungsvollmacht abzielen, betreffen kostenrechtlich denselben Gegenstand (das Grundstück und dessen Übertragung bzw. Vorbereitung der Finanzierung).
  2. Keine Doppelberechnung: Wenn verschiedene Erklärungen (hier Kaufvertrag und Belastungsvollmacht) denselben Gegenstand betreffen, darf der Notar keine mehrfache Gebühr berechnen. Es fällt nur eine einzige Gebühr an.
  3. Höchster Gebührensatz: Die Gebühr wird nach dem höchsten in Betracht kommenden Gebührensatz berechnet, der für diesen einheitlichen Gegenstand gilt (hier die 20/10 Gebühr für den Kaufvertrag).
  4. Geschäftswert ist der Kaufpreis: Der Geschäftswert, der zur Berechnung der einen Gebühr herangezogen wird, ist in diesem Fall der Kaufpreis (143.728 €). Der höhere Betrag der Belastungsvollmacht (500.000 €) bleibt bei der Berechnung des Geschäftswerts für den Kaufvertrag außer Acht.

Kurz gesagt: Für die im Kaufvertrag enthaltene Vorbelastungsermächtigung darf der Notar keine zusätzliche, gesonderte Gebühr berechnen, auch wenn der mögliche Belastungsbetrag deutlich höher ist als der Kaufpreis. Es bleibt bei der einmaligen und in den Kosten für den Kaufvertrag enthaltenen Gebühr.


Was bedeutet das Urteil für Laien?

Das Urteil schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Käufer von Grundstücken, die noch bauen oder den Kauf finanzieren müssen:

  • Kostenschutz für Käufer: Wenn Sie in einem notariellen Kaufvertrag die Erlaubnis der Verkäuferseite erhalten, das Grundstück schon vor der Umschreibung mit einer Grundschuld zu belasten (die sogenannte „Vorbelastungsermächtigung“), dürfen Ihnen hierfür keine zusätzlichen Notargebühren entstehen.
  • Kalkulierbare Notarkosten: Die Notargebühren für den Kaufvertrag richten sich hauptsächlich nach dem Kaufpreis und nicht nach dem oft höheren Nennbetrag der Finanzierungssicherheit (Grundschuld). Dies schützt Käufer vor überraschend hohen Zusatzkosten.
  • Hintergrund: Die Vorbelastungsermächtigung ist in der Regel nur eine Hilfsfunktion zur Abwicklung des eigentlichen Kaufvertrags und wird daher nicht als eigenständiges, gebührenpflichtiges Geschäft angesehen.

Fazit: Die Entscheidung des BGH ist verbraucherfreundlich. Sie verhindert, dass Notare bei der Beurkundung eines einheitlichen Vorgangs (Grundstückskauf und dessen Finanzierungsvorbereitung) mehrfach Gebühren für Erklärungen zum selben Grundstück erheben können.

RA und Notar Krau

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