Berechtigtes Interesse an Grundbucheinsicht zur Prüfung eventuell geltend zu machender Erb- oder Pflichtteilsansprüche
Zusammenfassung: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2014 – 3 Wx 15/14
Dieser Beschluss des OLG Düsseldorf behandelt die Frage, ob ein Pflichtteilsberechtigter (eine Person, die enterbt wurde, aber Anspruch auf einen Mindestanteil am Erbe hat, hier die Tochter des Verstorbenen) das Recht hat, Einsicht in das Grundbuch des verstorbenen Vaters zu nehmen, um ihre Ansprüche zu prüfen.
Die Tochter (Beteiligte zu 1) eines kürzlich Verstorbenen bat das Grundbuchamt um Einsicht in die Grundbücher seines Nachlasses. Sie argumentierte, dass sie als Pflichtteilsberechtigte wissen müsse, ob ihr Vater Alleineigentümer oder Miteigentümer eines Grundstücks war, um ihre erbrechtlichen Ansprüche (Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzung) korrekt berechnen und entscheiden zu können, ob sie diese verfolgt.
Die Witwe und testamentarische Erbin (Beteiligte zu 2) widersprach der Einsicht. Das Grundbuchamt lehnte den Antrag der Tochter ab. Es begründete dies damit, dass es Zweifel habe, ob einer vermeintlich Pflichtteilsberechtigten Einsicht gewährt werden könne, und dass es bei Widerspruch der Erbin verfahrensrechtlich nicht befugt sei, die Einsicht gegen ihren Willen zu gewähren.
Die Tochter legte daraufhin Beschwerde ein.
Das OLG Düsseldorf gab der Beschwerde der Tochter statt und hob die Entscheidung des Grundbuchamts auf. Es wies das Grundbuchamt an, den Antrag unter Berücksichtigung der Gerichtsgründe erneut zu prüfen und zu entscheiden.
Grundsatz: Gemäß §12 Abs. 1 GBO (Grundbuchordnung) darf jeder Einsicht in das Grundbuch nehmen, der ein „berechtigtes Interesse“ darlegt.
Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse vorgetragen wird. Dies muss nicht unbedingt ein rein „rechtliches“ Interesse sein; auch ein wirtschaftliches Interesse ist ausreichend.
Das OLG stellte klar, dass ein Pflichtteilsberechtigter in der Regel ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Grundbucheinsicht hat, wenn er nach dem Tod des Erblassers seine erbrechtlichen Ansprüche prüfen möchte.
Dies folgt aus der Position des Pflichtteilsberechtigten als Gläubiger gegenüber dem Erben.
Zur Begründung des berechtigten Interesses genügt es, auf die Stellung als gesetzlicher Erbe und Pflichtteilsberechtigter hinzuweisen. Die Tochter musste also nicht bereits konkret beweisen, dass sie einen Pflichtteil oder eine Pflichtteilsergänzung geltend machen wird. Die Einsicht dient gerade der Vorbereitung dieser Entscheidung.
Die Kenntnis des Grundbuchinhalts ist wichtig, da der Wert des Grundstücks und möglicher Belastungen (wie Hypotheken oder Grundschulden in Abt. III oder Wohnrechte in Abt. II) den maßgeblichen Nachlasswert (§2311 Abs. 1 BGB$)$ und damit die Höhe des Pflichtteils beeinflusst. Auch Hinweise auf Schenkungen, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch (§2325 BGB$)$ auslösen könnten, lassen sich nur durch Grundbucheinsicht überprüfen.
Der Einwand des Grundbuchamts, es sei durch den Widerspruch der testamentarischen Erbin (Beteiligte zu 2) blockiert, wurde vom OLG zurückgewiesen.
Das Gericht betonte, dass der Widerspruch des Erben die verfahrensrechtliche Befugnis des Grundbuchamts, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Einsicht zu gewähren, unberührt lässt. Der Wille des Erben kann das begründete Recht des Pflichtteilsberechtigten nicht aushebeln.
Der Beschluss stärkt die Rechte von Pflichtteilsberechtigten:
Wer als gesetzlicher Erbe oder Pflichtteilsberechtigter seine erbrechtlichen Ansprüche nach dem Tod des Erblassers prüfen will, hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in dessen Grundbuch. Dieses Recht auf Information wird durch den Widerspruch des Erben nicht eingeschränkt. Ziel ist es, dem Pflichtteilsberechtigten die notwendige Grundlage für eine fundierte Entscheidung über die Geltendmachung seiner Ansprüche zu verschaffen.
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