Bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch bei Zahlung wegen drohender Zwangsvollstreckung

Oktober 13, 2025

Bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch bei Zahlung wegen drohender Zwangsvollstreckung

Vorinstanzen:

LG Hannover, Entscheidung vom 24.06.2011 – 16 O 114/09 –

OLG Celle, Entscheidung vom 24.05.2012 – 16 U 112/11 –

Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. Juli 2013 (V ZR 141/12) in verständlicher Sprache.

Worum ging es in diesem Fall?

Dieser Fall dreht sich um eine Zwangsversteigerung eines Grundstücks und die Rückzahlung von Beträgen, die die neue Eigentümerin (die Klägerin) gezahlt hatte, um diese Versteigerung abzuwenden.

Die Ausgangslage

Schuldner und Bank:

Ein Mann (der ehemalige Geschäftsführer, hier „Vollstreckungsschuldner“ genannt) hatte hohe Kredite bei einer Bank (der Beklagten).

Sicherheiten:

Zur Absicherung dieser Kredite hatte der Schuldner zugunsten der Bank auf seinen Grundstücken Grundschulden eintragen lassen und sich in notariellen Urkunden der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen.

Zwangsvollstreckung:

Die Bank begann, aus diesen Urkunden die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Es wurden Zwangssicherungshypotheken auf dem Villengrundstück des Schuldners eingetragen.

Eigentümerwechsel:

Der Schuldner verkaufte dieses Villengrundstück an die Klägerin, die als neue Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen wurde.

Duldungspflicht:

Die Klägerin wurde gerichtlich dazu verurteilt, die Zwangsvollstreckung der Bank in das Grundstück zu dulden.

Zahlungen:

Die Bank setzte die Zwangsversteigerung an. Um das zu verhindern, zahlte die Klägerin kurz vor dem Termin einen erheblichen Betrag an die Bank (insgesamt über 2,7 Millionen Euro).

Das Problem:

Die Klägerin forderte später einen Teil des Geldes zurück. Sie argumentierte, sie habe teilweise auf bereits verjährte Zinsansprüche oder auf bereits erloschene (durch Erfüllung) Forderungen der Bank gezahlt – also Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz (Oberlandesgericht Celle) auf und schickte den Fall zur erneuten Verhandlung zurück.

Bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch bei Zahlung wegen drohender Zwangsvollstreckung

Die Kernfrage: Wer darf welche Einwände erheben?

Die zentrale rechtliche Frage war, ob die neue Eigentümerin (die Klägerin) die Rückzahlung mit denselben Argumenten (Verjährung, Erfüllung) verlangen konnte wie der ursprüngliche Schuldner.

Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung

Der BGH bestätigte, dass die Zahlungen der Klägerin als Leistung zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung anzusehen sind.

Wichtig:

Wenn man zahlt, um eine Zwangsvollstreckung abzuwenden, gilt das nicht als „freiwillige“ Zahlung. Deshalb kann man auch dann die Rückzahlung verlangen, wenn man auf eine verjährte Forderung gezahlt hat, weil der Ausschluss der Rückforderung bei freiwilliger Zahlung auf eine verjährte Schuld (§ 214 Abs. 2 BGB) in diesem Fall nicht gilt.

Die Rolle des Rechtsnachfolgers (Klägerin)

Hier liegt der entscheidende Punkt:

Die Klägerin ist die dingliche Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Schuldners. Sie hat das belastete Grundstück von ihm erworben.

Grundsätzlich gilt:

Der Rechtsnachfolger kann gegen den Gläubiger (die Bank) nur die Einwände erheben, die auch der ursprüngliche Schuldner hätte erheben können. Der neue Eigentümer soll nicht besser stehen als der alte.

Der ursprüngliche Schuldner hatte aber bereits eine Vollstreckungsgegenklage (Klage gegen die Vollstreckung) gegen die Bank erhoben, die rechtskräftig abgewiesen wurde.

Die Konsequenz: Nach der Zivilprozessordnung (§ 767 Abs. 2 ZPO) ist der Schuldner in einer späteren Klage mit allen Einwänden ausgeschlossen, die er in der ersten Klage hätte geltend machen können.

Das bedeutet für die Klägerin:

Wenn der ursprüngliche Schuldner seine Einwände der Verjährung und Erfüllung bereits in seiner ersten, abgewiesenen Vollstreckungsgegenklage (vor dem Landgericht Köln) hätte vorbringen können, dann darf sich auch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin nicht mehr darauf berufen, um das Geld zurückzuverlangen.

Die Tatsache, dass der Schuldner die Einwände vergessen oder nachlässig nicht geltend gemacht hat, führt zu seinem Ausschluss – und dieser Ausschluss wirkt sich auch auf die Klägerin aus.

Der Rückverweis an die Vorinstanz

Da das Berufungsgericht (OLG Celle) bisher keine Feststellungen dazu getroffen hatte, wann genau die Forderungen der Bank erfüllt oder verjährt waren (also ob sie vor oder nach dem Ende des ersten Vollstreckungsgegenklageverfahrens des Schuldners eingetreten sind), konnte der BGH nicht abschließend entscheiden.

Falls die Verjährung/Erfüllung schon vor Ende der ersten Klage eingetreten war: Die Klägerin ist mit ihren Einwänden ausgeschlossen, die Klage muss abgewiesen werden.

Falls die Verjährung/Erfüllung erst nach Ende der ersten Klage eingetreten war: Der Schuldner wäre nicht ausgeschlossen, und somit auch die Klägerin nicht. Der Rückzahlungsanspruch könnte bestehen.

Deshalb musste der BGH den Fall an das Oberlandesgericht zurückverweisen, um diese entscheidenden Sachverhaltsfragen zu klären.

Fazit

Der Fall verdeutlicht einen wichtigen Grundsatz im Vollstreckungsrecht: Wer ein bereits vollstreckungsbefangenes (mit Zwangshypotheken belastetes) Grundstück kauft, tritt rechtlich in eine Kette ein. Der neue Eigentümer (die Klägerin) kann gegen die Zwangsvollstreckung keine besseren Einwände erheben als der ursprüngliche Schuldner. Wenn der ursprüngliche Schuldner seine Einwände (z. B. „die Schuld ist schon verjährt“ oder „die Schuld ist schon bezahlt“) in einem früheren Verfahren nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat und damit ausgeschlossen ist, dann ist auch der neue Eigentümer (die Klägerin) mit diesen Einwänden ausgeschlossen, selbst wenn es um einen Anspruch auf Rückzahlung geht.

Der BGH hat die rechtliche Sichtweise der Vorinstanz korrigiert, aber mangels vollständiger Faktenlage zur Verjährung und Erfüllung den Fall zur weiteren Aufklärung zurückgegeben.

RA und Notar Krau

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