Berichtigung des Grundbuchs nach dem Tod des Vorerben

Oktober 4, 2025

Berichtigung des Grundbuchs nach dem Tod des Vorerben

Gerne fasse ich den Beschluss des OLG München vom 14.03.2014 (Az. 34 Wx 502/13) zusammen.

Kern des Falls: Grundbuchberichtigung nach Nacherbfall

Der Beschluss behandelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Grundbuch berichtigt werden kann, nachdem ein Vorerbe verstorben ist und der sogenannte Nacherbfall eingetreten ist.

Im Zentrum steht die Rechtsfigur der Vor- und Nacherbschaft im deutschen Erbrecht:

Vorerbe:

Erbt zuerst und kann den Nachlass nutzen, ist aber in seinen Rechten beschränkt. Ihm gehört der Nachlass nur „auf Zeit“.

Nacherbe:

Erbt nach dem Vorerben (meistens nach dessen Tod) und erhält dann den Nachlass.

Der konkrete Sachverhalt

Ausgangslage:

Ein Grundstück war zu je 1/2 im Grundbuch auf eine Beteiligte und ihren Bruder (den Vorerben) eingetragen. Für den Anteil des Bruders war ein Nacherbenvermerk zugunsten der Beteiligten im Grundbuch eingetragen.

Erbauseinandersetzung:

Die Erben hatten sich nach dem Tod des ursprünglichen Erblassers (dem Vater) über den Nachlass vertraglich auseinandergesetzt. Dabei erhielt der Bruder (Vorerbe) seinen 1/2-Anteil am streitigen Grundstück.

Tod des Vorerben:

Der Bruder starb, womit der Nacherbfall eintrat. Die Beteiligte wurde damit zur Nacherbin.

Berichtigungsantrag:

Die Beteiligte beantragte die Berichtigung des Grundbuchs, um als neue Eigentümerin des Anteils ihres Bruders eingetragen zu werden und die alten Vermerke (Nacherbenvermerk, Testamentsvollstreckung) zu löschen.

Ablehnung durch das Grundbuchamt:

Das Grundbuchamt lehnte den Antrag ab. Es argumentierte, dass durch die frühere Erbauseinandersetzung die ursprüngliche Erbengemeinschaft aufgelöst und der Anteil des Bruders aus der Nacherbschaft ausgeschieden sei. Die Berichtigung könne nur über einen Erbschein nach dem verstorbenen Bruder (Vorerben) erfolgen, nicht nach dem ursprünglichen Erblasser (Vater).

Die Entscheidung des OLG München

Das OLG München hob die Ablehnung des Grundbuchamts auf und verwies die Sache zur weiteren Bearbeitung zurück. Das Gericht stellte klar, dass die Berichtigung des Grundbuchs grundsätzlich möglich ist, basierend auf dem Erbschein, der die Nacherbfolge bezeugt.

Das Prinzip der Surrogation (Ersatzbeschaffung)

Der zentrale Punkt des Gerichts ist die sogenannte dingliche Surrogation nach §2111 BGB.

Grundsatz:

Was der Vorerbe aus Mitteln des Nachlasses erwirbt oder anstelle eines Nachlassgegenstandes erhält, tritt automatisch an dessen Stelle und gehört damit weiterhin zum Nachlass der Nacherbschaft. Es ist quasi ein „Ersatzgegenstand“.

Berichtigung des Grundbuchs nach dem Tod des Vorerben

Anwendung im Fall:

Obwohl die Erben sich auseinandergesetzt hatten, wurde der Grundstücksanteil des Bruders (Vorerben) nicht aus der Nacherbschaft entlassen. Der Vertrag regelte nur die Aufteilung innerhalb des Nachlasses, aber nicht die Auflösung der Nacherbenbindung. Dies zeigte sich auch daran, dass die Vertragsparteien ausdrücklich die Eintragung des Nacherbenvermerks beantragt hatten.

Ergebnis:

Der 1/2-Anteil am Grundstück, den der Bruder in der Auseinandersetzung erhielt, gilt weiterhin als Teil des ursprünglichen Nachlasses (des Vaters).

Nachweis der Nacherbfolge

Da der Grundstücksanteil weiterhin zum ursprünglichen Nachlass gehört, leitet sich das Recht der Nacherbin (der Beteiligten) vom ursprünglichen Erblasser (Vater) und nicht vom verstorbenen Vorerben (Bruder) ab.

Erbschein:

Für die Grundbuchberichtigung nach §35 GBO ist ein Nachweis der Erbfolge erforderlich. Das Gericht entschied, dass der neue Erbschein nach dem ursprünglichen Erblasser (Vater), der den Eintritt des Nacherbfalls und die Nacherben ausweist, als Nachweis genutzt werden kann.

Notwendige Präzisierung

Das Gericht gab dem Grundbuchamt jedoch in einem Punkt Recht: Der Antrag der Beteiligten war noch nicht präzise genug. Die Antragstellerin muss klar festlegen, wie genau die Berichtigung erfolgen soll (z. B. Eintragung als Alleineigentümerin oder Miteigentümerin, welche Löschungen genau gewünscht sind).

Zwischenverfügung:

Daher wies das OLG die Sache an das Grundbuchamt zurück, damit dieses eine Zwischenverfügung erlassen kann. Dies ist eine Aufforderung an den Antragsteller, den Antrag noch zu präzisieren, bevor endgültig entschieden wird.

Fazit für Laien

Der Beschluss stellt klar, dass ein Nachlassgegenstand, den ein Vorerbe im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erhält, nicht automatisch von der Nacherbschaft befreit wird. Durch das Prinzip der Surrogation gehört der Gegenstand weiterhin zum Nachlass, den der Nacherbe später erhält.

Nach dem Tod des Vorerben kann das Grundbuch zugunsten des Nacherben berichtigt werden. Als Nachweis dient der Erbschein, der die Nacherbfolge bezeugt, in Verbindung mit der Sterbeurkunde.

Wichtig:

Auch wenn das Recht des Nacherben feststeht, muss der Antrag auf Grundbuchberichtigung klar und eindeutig formuliert sein, damit das Grundbuchamt die Eintragung korrekt vornehmen kann.

RA und Notar Krau

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