Beschluss OLG Hamburg vom 06.10.2015 – 2 W 69/15 – Erbschein

November 8, 2024

Beschluss OLG Hamburg vom 06.10.2015 – 2 W 69/15 – Erbschein

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Die Erblasserin hatte in ihrem Testament verschiedene Vermögensgegenstände an Einzelpersonen vermacht.

Der Ehemann der Erblasserin (Beteiligter zu 1) beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.

Eine entfernte Verwandte (Beteiligte zu 2) machte geltend, dass der Ehemann nur Vorerbe und sie Nacherbin sei.

Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag zurück.

Streitpunkt:

Der Ehemann argumentierte, dass die Vermächtnisse den Großteil des Nachlasses ausmachten und er deshalb Alleinerbe sei.

Die Beteiligte zu 2 vertrat die Ansicht, dass der Ehemann Vorerbe und sie Nacherbin eines Grundstücksanteils sei.

Beschluss OLG Hamburg vom 06.10.2015 – 2 W 69/15 – Erbschein

Entscheidung des Hanseatischen OLG Hamburg:

Das OLG wies die Beschwerde des Ehemanns zurück.

Der Ehemann ist nicht Alleinerbe, sondern Vorerbe eines Grundstücksanteils.

Begründung:

  • Keine Alleinerbschaft: Das OLG stellte fest, dass der Ehemann nicht Alleinerbe ist. Die Erblasserin hatte nicht über ihr gesamtes Vermögen verfügt, sondern erhebliche Vermögenswerte in ihrem Testament nicht erwähnt. Daher greift die Zweifelsregelung des § 2087 Abs. 2 BGB, wonach mit der Zuwendung von Einzelgegenständen im Zweifel keine Erbeinsetzung verbunden ist.  
  • Teilweise Vor- und Nacherbschaft: Das OLG legte das Testament dahingehend aus, dass die Erblasserin teilweise Vor- und Nacherbschaft angeordnet hat. Sie wollte, dass ein bestimmter Grundstücksanteil zunächst dem Ehemann und nach dessen Tod der Beteiligten zu 2 zufällt.
  • Gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbschaft: Da eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbschaft grundsätzlich nicht möglich ist, erörterte das OLG zwei Gestaltungsmöglichkeiten:
    • Vermächtnisse: Der Ehemann könnte Alleinerbe sein und die Beteiligte zu 2 ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis an dem Grundstücksanteil erhalten.
    • Vorausvermächtnis: Dem Ehemann könnten alle Nachlassgegenstände mit Ausnahme des Grundstücksanteils als Vorausvermächtnis zugewendet werden. Die Beteiligte zu 2 wäre dann Nacherbin des Grundstücksanteils.

Beschluss OLG Hamburg vom 06.10.2015 – 2 W 69/15 – Erbschein

  • Auslegung des Testaments: Das OLG entschied sich für die zweite Möglichkeit (Vorausvermächtnis). Die Erblasserin wollte den Ehemann in der Verfügung über den Grundstücksanteil binden und sicherstellen, dass dieser an die Beteiligte zu 2 fällt.
  • Formulierung des Erbscheins: Das OLG ließ die Frage offen, wie der Erbschein in dieser Konstellation zu formulieren ist. Es erörterte verschiedene Möglichkeiten, ohne eine abschließende Entscheidung zu treffen.

Ausführliche Darstellung der Begründung:

Das OLG Hamburg hat in seiner Entscheidung die Grundsätze der Testamentsauslegung und der Erbscheinserteilung dargelegt.

Es betonte, dass der Erbschein die Rechtslage korrekt wiedergeben muss.

Im vorliegenden Fall war der beantragte Erbschein unrichtig, da er den Ehemann als Alleinerben auswies, obwohl er nur Vorerbe eines Grundstücksanteils ist.

Das OLG hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Wille der Erblasserin, einen bestimmten Grundstücksanteil

zunächst dem Ehemann und dann der Beteiligten zu 2 zukommen zu lassen, rechtlich umgesetzt werden kann.

Es hat die Möglichkeiten der Vermächtnisse und der Vor- und Nacherbschaft erörtert und sich letztlich für die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft in Form eines Vorausvermächtnisses entschieden.

Beschluss OLG Hamburg vom 06.10.2015 – 2 W 69/15 – Erbschein

Die Entscheidung des OLG Hamburg ist für die Praxis relevant, da sie die Problematik der gegenständlich beschränkten Vor- und Nacherbschaft aufzeigt und Lösungsmöglichkeiten vorstellt.

Fazit:

Das OLG Hamburg hat in seiner Entscheidung die Rechte der Beteiligten zu 2 als Nacherbin gestärkt und die Bedeutung der Testamentsauslegung im Erbrecht hervorgehoben.

Die Entscheidung ist für die Praxis relevant, da sie die Grenzen der Gesamtrechtsnachfolge im Erbrecht aufzeigt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG

BFH II R 11/21

Dezember 6, 2024
BFH II R 11/21Urteil vom 21. August 2024RA und Notar KrauKernaussage:Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. August 2024 bef…
brown and white concrete church near bare trees under blue sky during daytime

Landgericht Limburg a d Lahn 4 O 238/22

Dezember 6, 2024
Landgericht Limburg a d Lahn 4 O 238/22Urteil vom 21.07.2023Mitgeteilt von RA und Notar KrauDas Landgericht Limburg a. d. Lahn hat üb…
angel, statue, figure

OLG Jena 6 W 319/24

Dezember 6, 2024
OLG Jena 6 W 319/24Beschluss vom 25.10.2024RA und Notar KrauSachverhalt:Der Freistaat Thüringen wurde im Rahmen eines Nachlassver…