Beschlussfassung bei Personengesellschaften – Status quo – MoPeG und Vertragsgestaltung
Artikel von Notarassessor Dr. Stefan Neuhöfer, LL.M. (Glasgow), München, MittBayNot 2023, 566
Der Beitrag von Dr. Neuhöfer beleuchtet die Beschlussfassung bei Personengesellschaften vor dem Hintergrund des neuen Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das zum 01.01.2024 in Kraft tritt.
Er analysiert den bisherigen Rechtsstand, die Änderungen durch das MoPeG und deren Auswirkungen auf die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen.
I. Rechtsnatur der Beschlussfassung und ihre Implikationen
Die Beschlussfassung in Personengesellschaften wird dogmatisch als Willenserklärung der Gesellschafter betrachtet, an die Rechtsfolgen geknüpft sind.
Daher finden die allgemeinen Regeln für Willenserklärungen Anwendung, insbesondere hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit und des Zugangs.
Der Zugang der Willenserklärungen ist sowohl bei Präsenz- als auch bei Umlaufbeschlüssen erforderlich, wobei der Nachweis bei konkludenten Erklärungen schwierig sein kann.
Bei Präsenzbeschlüssen größerer Gesellschaften kann der Versammlungsleiter konkludent zur Entgegennahme der Stimmen bevollmächtigt sein.
Im Umlaufverfahren ist dies weniger klar, da die Initiative oft ohne vorherige Information aller Gesellschafter erfolgt.
Um Zugangsprobleme im Umlaufverfahren zu vermeiden, empfiehlt Dr. Neuhöfer die Aufnahme einer ausdrücklichen Empfangsvollmacht im
Gesellschaftsvertrag gemäß § 164 Abs. 3 BGB für den Initiator des Beschlusses oder den Geschäftsführer.
Bei Anteilsabtretungen sollten neue Gesellschafter die bestehenden Vollmachten ebenfalls übernehmen.
II. Beschlussmängel in der GbR
Das MoPeG differenziert stärker zwischen der GbR und professionelleren Personenhandelsgesellschaften.
§ 105 Abs. 3 HGB n.F. sieht nun eine Analogie statt einer Rechtsgrundverweisung vor, was aber an der Systematik der Kaskadenverweisungen nichts Grundlegendes ändert.
1. Beschlussfassung:
Bisher gab es in der GbR keine expliziten gesetzlichen Anforderungen an das Beschlussverfahren.
Beschlüsse konnten formfrei in Präsenz oder im Umlauf gefasst werden, wobei einstimmige Abweichungen von vertraglichen Formvorschriften als konkludente Vertragsänderung möglich waren.
Mehrheitsklauseln waren gemäß § 709 Abs. 2 BGB durch Vertrag zulässig, wobei die Rechtsprechung eine zweistufige Prüfung (formelle Legitimation und materielle Kontrolle) etabliert hat.
Das MoPeG kodifiziert in § 714 BGB n.F. den Grundsatz der Einstimmigkeit, lässt aber durch § 708 BGB n.F. abweichende Regelungen zu.
Mehrheitsbeschlüsse, disquotale und Mehrfachstimmrechte bleiben möglich.
§ 709 Abs. 3 BGB n.F. regelt die Stimmkraft primär nach Beteiligungsverhältnissen, subsidiär nach Köpfen.
Eine im Mauracher Entwurf vorgesehene Klarstellung, dass Mehrheitsklauseln im Zweifel auch Vertragsänderungen umfassen, fehlt im Gesetz.
Daher empfiehlt sich eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag.
Für Auflösungs- und Fortsetzungsbeschlüsse (§§ 732, 734 Abs. 2 BGB n.F.) unter Geltung von Mehrheitsklauseln ist eine Dreiviertelmehrheit
der abgegebenen Stimmen vorgesehen, wobei die Dispositivität dieser Normen umstritten ist.
2. Beschlussmängel:
Fehler bei der Beschlussfassung führen in der GbR zur Nichtigkeit.
Abweichende Verfahren können als konkludente Vertragsänderung oder einmalige Durchbrechung des Vertrages gewertet werden.
Das MoPeG sieht für die GbR keine Anfechtbarkeit vor, schließt aber ein „Opt-In“ zum Anfechtungsmodell der Personenhandelsgesellschaften nicht aus.
3. Gestaltung von Gesellschaftsverträgen:
Für GbR-Verträge empfiehlt sich die Aufnahme einer Vollmacht zur Entgegennahme von Erklärungen bei Umlaufbeschlüssen,
eine Klarstellung zu Mehrheitsklauseln (auch für Vertragsänderungen) und zur Stimmkraft.
Zudem kann ein „Opt-In“ zum Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaften sinnvoll sein.
III. Beschlussfassung und Beschlussmängel bei Personenhandelsgesellschaften
§ 119 HGB setzt Gesellschafterbeschlüsse implizit voraus und fordert grundsätzlich Einstimmigkeit, lässt aber Mehrheitsentscheidungen zu. Form und Verfahren sind bisher nicht explizit geregelt.
Im Vergleich zum GmbH-Recht (§ 48 GmbHG) bestehen Unterschiede hinsichtlich der Präsenzpflicht und der Anforderungen an Umlaufbeschlüsse.
1. Beschlussfassung:
Das MoPeG übernimmt in § 109 Abs. 1 HGB n.F. die Präsenzpflicht aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GmbHG.
Ob virtuelle Versammlungen ausreichen, ist mangels expliziter Erwähnung unklar, eine Klarstellung im Vertrag empfiehlt sich.
Eine § 48 Abs. 2 GmbHG entsprechende Regelung für Umlaufbeschlüsse fehlt, deren Zulässigkeit daher fraglich ist, es sei denn, es erfolgt eine einstimmige oder konkludente Vereinbarung der Gesellschafter.
2. Beschlussmängel:
Bisher führten Fehler grundsätzlich zur Nichtigkeit, mit Ausnahmen bei der fehlerhaften Gesellschaft oder nicht kausalen Mängeln.
Die Möglichkeit der analogen Anwendung des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts war umstritten.
3. Beschlussmängelrecht – Änderungen in §§ 110 ff. HGB n.F.:
Das MoPeG führt mit §§ 110 ff. HGB n.F. ein an das Aktienrecht angelehntes Anfechtungsmodell ein.
§ 110 Abs. 2 HGB n.F. nennt zwei Nichtigkeitsgründe:
Verstöße gegen zwingende Vorschriften und erfolgreiche Anfechtungsklage (§ 114 HGB n.F.).
Die Nichtigkeitsklage ist eine Feststellungsklage mit einer Klagefrist von drei Monaten (§ 112 Abs. 1 Satz 1 HGB n.F.).
Daneben gibt es „unwirksame“ Beschlüsse bei Eingriffen in relativ unentziehbare Rechte.
Anfechtungsklagen können auf die Verletzung von Rechtsvorschriften gestützt werden.
Für nichtige Beschlüsse ist die Geltendmachung auch außerprozessual möglich.
Die Anfechtungsfrist beträgt grundsätzlich drei Monate, mindestens aber einen Monat, wobei kürzere vertragliche Fristen unwirksam sind,
aber im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf die Monatsfrist reduziert werden können.
4. Gestaltung des Gesellschaftsvertrags:
Es sollte die Möglichkeit von Umlauf- und virtuellen Beschlüssen geregelt werden.
Ein „Opt-Out“ vom neuen Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaften ist denkbar, aber selten sinnvoll.
Regelungsbedarf besteht hinsichtlich Beschlussfähigkeit, Mehrheiten und der Einbeziehung von Vertragsänderungen in Mehrheitsklauseln.
IV. Fazit
Der Anpassungsbedarf für Musterverträge durch die Reform des Beschlussmängelrechts ist überschaubar, aber angesichts des Konfliktpotenzials
sollte der Gesellschaftsvertrag sorgfältig gestaltet und bestehende Verträge angepasst werden.
Empfehlenswert sind eine Empfangsvollmacht für Umlaufbeschlüsse, Regelungen zur Stimmkraft, zur Ausgestaltung von Mehrheitsklauseln (einschließlich Vertragsänderungen und gesetzlicher Vorbehalte)
sowie für GbR die Option zum „Opt-In“ in das Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaften.
Bei Personenhandelsgesellschaften ist die Regelung des Beschlussverfahrens (Umlauf- und virtuelle Beschlüsse) wichtig.