Bestimmung des Zeitpunktes des Nacherbfalls durch Testamentsvollstrecker – BGH Urteil 18.11.1954 – IV ZR 152/54

Mai 7, 2020

Bestimmung des Zeitpunktes des Nacherbfalls durch Testamentsvollstrecker – BGH Urteil 18.11.1954 – IV ZR 152/54

RA und Notar Krau

In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Erblasser die Bestimmung des Zeitpunktes des Nacherbfalls nicht einem Dritten, in diesem Fall den Testamentsvollstreckern, überlassen darf.

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 13. Mai 1954 wurde abgewiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gültigkeit einer Testamentsbestimmung.

Die Klägerinnen sind die Mutter und Schwestern des im Krieg gefallenen Erblassers, während die Beklagten seine Witwe und Tochter sind.

Der Erblasser, Eigentümer einer Papier- und Holzfaserfabrik, hinterließ ein Testament mit dem Ziel, den Familienbesitz zu erhalten und vor fremden Einflüssen zu schützen.

Das Testament sah vor, dass die gesetzliche Erbfolge gilt, falls der Erblasser gemeinsame Abkömmlinge hinterlässt.

Der Erbteil der Witwe sollte jedoch mit einer Nacherbschaft belegt werden, wobei die Nacherben in erster Linie die gemeinsamen Abkömmlinge und in zweiter Linie die Mutter und Geschwister des Erblassers sein sollten.

Bestimmung des Zeitpunktes des Nacherbfalls durch Testamentsvollstrecker – BGH Urteil 18.11.1954 – IV ZR 152/54

Der Nacherbfall sollte mit dem Tod der Witwe eintreten.

Ähnlich sollte die Nacherbfolge für die Abkömmlinge geregelt sein.

Die Testamentsvollstrecker erhielten die Befugnis, bindende Vereinbarungen über den endgültigen Eintritt der Nacherbfolge zu treffen, wenn die Testamentsbestimmungen aufgrund veränderter Verhältnisse unzweckmäßig oder hinderlich geworden sind.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerinnen wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Das Landgericht hatte zu Recht festgestellt, dass die Testamentsbestimmung gegen § 2065 BGB verstößt und daher nichtig ist.

Zulässigkeit der Feststellungsklage:


Die Feststellungsklage ist zulässig, da sie sich auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses bezieht.

Die Klägerinnen, als Ersatznacherben, beantragten die Feststellung, dass die Testamentsvollstrecker befugt seien, den Zeitpunkt der Nacherbfolge zu bestimmen.

Ein Rechtsverhältnis besteht zwischen den Beklagten und den Testamentsvollstreckern.

Bestimmung des Zeitpunktes des Nacherbfalls durch Testamentsvollstrecker – BGH Urteil 18.11.1954 – IV ZR 152/54

Die Klägerinnen haben ein rechtliches Interesse an der Feststellung, da sie als Nacherben berufen sein könnten und dadurch Anspruch auf den Nachlass erheben könnten.

Verstoß gegen § 2065 BGB:


Das Landgericht stellte fest, dass die Testamentsbestimmung gegen § 2065 BGB verstößt.

Der Erblasser hat die Bestimmung des Zeitpunkts der Nacherbfolge den Testamentsvollstreckern überlassen, was gesetzlich unzulässig ist.

Gemäß § 2065 BGB muss der Erblasser alle wesentlichen Teile seines letzten Willens selbst bestimmen.

Die Bestimmung des Zeitpunkts der Nacherbfolge gehört zu den wesentlichen Teilen, die der Erblasser nicht einem Dritten überlassen darf.

Die Testamentsvollstrecker sollten nach dem Ermessen des Erblassers entscheiden, wann die Nacherbfolge eintreten soll, was jedoch nicht zulässig ist.

Ermessensspielraum der Testamentsvollstrecker:


Der Erblasser hat den Testamentsvollstreckern nicht nur die Aufgabe übertragen, den Zeitpunkt der Nacherbfolge zu erkennen, sondern ihnen auch ein eigenes Ermessen eingeräumt.

Dieses Ermessen darf jedoch nicht bestimmend oder mitbestimmend sein, da es dem Grundsatz von § 2065 BGB widerspricht. Der Erblasser muss den Zeitpunkt der Nacherbfolge selbst festlegen.

Bestimmung des Zeitpunktes des Nacherbfalls durch Testamentsvollstrecker – BGH Urteil 18.11.1954 – IV ZR 152/54

Vergleich mit früherer Rechtsprechung:


Die Revision konnte sich nicht auf frühere Urteile des Reichsgerichts berufen, da diese Fälle spezifische Bedingungen betrafen, die hier nicht zutrafen.

In den vorherigen Fällen handelte es sich um aufschiebende Bedingungen, bei denen der Bedachte nach dem Willen des Erblassers als Vollerbe eingesetzt wurde.

Schlussfolgerung

Das Urteil bestätigt, dass der Erblasser die Verantwortung für die Bestimmung der Erbfolge nicht auf Dritte übertragen darf.

Jegliche Bestimmungen, die diese Verantwortung auf Dritte übertragen, sind gemäß § 2065 BGB unzulässig und nichtig.

Die Entscheidung stärkt den Grundsatz, dass der Erblasser persönlich für die wesentlichen Teile seines Testaments verantwortlich ist und diese nicht dem Ermessen Dritter überlassen darf.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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