Bestimmung von Erben durch Verweisung auf letztwillige Verfügungen Dritter
Dies ist eine Zusammenfassung des Artikels
„Bestimmung von Erben, insbesondere Nacherben, durch Verweisung des Erblassers auf letztwillige Verfügungen Dritter“
von Prof. Dr. Bernd Wegmann, ZEV 2024, 61.
Der Artikel befasst sich mit der Frage, ob ein Erblasser in seinem Testament den Erben bestimmen kann, indem er auf die letztwillige Verfügung eines Dritten verweist.
Dies wird als „Verweisungsverfügung“ bezeichnet.
Konkret geht es um die Zulässigkeit solcher Verweisungsverfügungen im Kontext der Nacherbenbestimmung, wobei der Erblasser auf das Testament des Vorerben verweist.
I. Einleitung
Der Autor stellt zunächst fest, dass das deutsche Erbrecht den Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit kennt (§ 2065 Abs. 2 BGB).
Demnach darf die Bestimmung des Erben nicht einem Dritten überlassen werden.
Dennoch gibt es in der Rechtsprechung Tendenzen, Verweisungsverfügungen im Rahmen der Nacherbenbestimmung zuzulassen, insbesondere unter Verwendung der sogenannten „Dieterle-Klausel“.
II. Generelle Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen
Der Autor untersucht zunächst die generelle Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen, bevor er auf den Spezialfall der Nacherbenbestimmung eingeht.
1. Methode der Untersuchung
Verweisungsverfügungen werden nicht explizit von § 2065 Abs. 2 BGB erfasst.
Sie unterscheiden sich von eindeutig unzulässigen Gestaltungen, bei denen der Erblasser einem Dritten die Entscheidung über seinen Nachlass überlässt.
Bei der Verweisungsverfügung schließt sich der Erblasser einer bereits getroffenen oder zukünftigen Entscheidung eines Dritten an.
2. Indiz gegen die allgemeine Zulässigkeit: Vergleich mit anderen Gestaltungen
Der Autor vergleicht Verweisungsverfügungen mit anderen Gestaltungen, die vom Leitbild der persönlichen Benennung des Erben abweichen,
aber dennoch von Gerichten und Literatur teilweise als zulässig angesehen werden:
Im Vergleich zu diesen Gestaltungen weisen Verweisungsverfügungen eine geringere Gestaltungstiefe des Erblassers und einen größeren Einfluss Dritter auf.
3. Indiz gegen die allgemeine Zulässigkeit: Vergleich mit §§ 2151, 2153, 2154 BGB
Auch die §§ 2151 ff. BGB, die die Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch Dritte regeln, sprechen gegen die Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen.
Diese Vorschriften sehen ein genau geregeltes Verfahren vor, das bei Verweisungsverfügungen nicht eingehalten wird.
4. Indiz gegen die allgemeine Zulässigkeit: Verfahrensrecht des FamFG
Das Verfahrensrecht des FamFG bietet kein Instrumentarium zur Umsetzung von Verweisungsverfügungen.
Dies deutet darauf hin, dass das materielle Recht solche Verfügungen nicht zulässt.
5. Entscheidendes Argument gegen die allgemeine Zulässigkeit: Verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre u.a. des Errichters der Verweisungsverfügung
Ein entscheidendes Argument gegen die Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen ist der Schutz der Privatsphäre desjenigen, auf dessen Verfügung verwiesen wird.
Dessen letztwillige Verfügungen dürfen nicht vor seinem Tod im Nachlassverfahren eines anderen offengelegt werden.
Dies würde sein informationelles Selbstbestimmungsrecht verletzen.
6. Zwischenergebnis: Keine allgemeine Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen
Zusammenfassend stellt der Autor fest, dass Verweisungsverfügungen generell nicht mit dem Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit vereinbar sind.
III. Ausnahmsweise Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen zur Nacherbenbestimmung?
Der Autor untersucht, ob Verweisungsverfügungen im Spezialfall der Nacherbenbestimmung ausnahmsweise zulässig sein könnten.
1. Fortbestehende Zulässigkeitsbedenken
Die unter II. genannten Bedenken bestehen auch im Fall der Nacherbenbestimmung fort. Insbesondere der Schutz der Privatsphäre des Vorerben spricht gegen die Zulässigkeit.
2. Fehlende Argumente für eine Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen in Ausnahmefällen
Der Autor widerlegt Argumente, die für die Zulässigkeit von Verweisungsverfügungen in Ausnahmefällen sprechen:
IV. Zusammenfassung und Ausblick
Verweisungsverfügungen sind weder generell noch im Spezialfall der Nacherbenbestimmung zulässig.
Der Autor plädiert dafür, unzulässige Verweisungsverfügungen in zulässige Gestaltungen umzudeuten, z.B. in eine Vollerbeneinsetzung.
Abschließend betont der Autor die Bedeutung des informationellen Selbstbestimmungsrechts im Erbrecht und regt weitere Untersuchungen zu Gestaltungen an, die dieses Recht berühren.
Zusammenfassung von RA und Notar Krau