Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbH

Mai 11, 2025

Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbH

RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. Juli 2018 (IX ZR 139/17) befasst sich mit der Frage, ob Zahlungen einer GmbH an einen stillen Gesellschafter, die auf einer gewinnunabhängigen

Zahlungsverpflichtung im Gesellschaftsvertrag beruhen, im Falle der Insolvenz der GmbH als unentgeltliche Leistungen anfechtbar sind.

Der BGH verneint dies und stellt fest, dass solche Zahlungen entgeltliche Leistungen darstellen, wenn sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage des stillen Gesellschafters sind.

Sachverhalt:

Die E-GmbH, die eine kostenlose Zeitung herausgab, bot privaten Anlegern seit den späten 1990er Jahren die Möglichkeit, sich als stille Gesellschafter am Unternehmen zu beteiligen, um ihren Kapitalbedarf zu decken.

Die entsprechenden Vereinbarungen wurden von der GmbH als „Gesellschaftsvertrag zum Medienbrief Nr. […]“ bezeichnet.

In diesen Medienbriefen sicherte die GmbH den Anlegern eine jährliche Zinszahlung auf ihre Einlage zu, die als „Vorabvergütung“ bezeichnet wurde.

Der Zinssatz variierte zwischen 4,75 und 6,25 %. Seit 2001 wies die GmbH in ihren Handelsbilanzen kontinuierlich Jahresverluste aus.

Die Einlagen neuer stiller Gesellschafter wurden von der GmbH in einem Schneeballsystem verwendet, um Auszahlungen an bestehende stille Gesellschafter zu leisten und den laufenden Geschäftsbetrieb zu finanzieren.

Die Beklagte erwarb zwischen dem 8. August 2008 und dem 30. April 2013 insgesamt 28 Medienbriefe zu je 5.000 Euro.

Die Bestimmungen in diesen Medienbriefen waren stets identisch und enthielten unter anderem folgende Regelungen:

§ 3. Vergütung: Der Verlag zahlt dem stillen Gesellschafter jährlich einen im Vertrag genannten Prozentsatz als Vorabvergütung.

Die Zahlung erfolgte halbjährlich.

Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbH

§ 4. Gewinn- und Verlustverteilung: Grundlage für die Gewinn- und Verlustverteilung war das handelsrechtliche Jahresergebnis vor Steuern nach Abzug der an die stillen Gesellschafter gezahlten Vorabvergütungen.

Der auf die einzelnen stillen Gesellschafter entfallende Gewinnanteil ergab sich aus dem Verhältnis ihrer Einlage zu den gesamten Einlagen der stillen Gesellschafter.

Bei einer Beteiligung während des Jahres erfolgte eine anteilige Berechnung.

Die GmbH zahlte an die Beklagte zwischen dem 1. Juli 2010 und dem 27. Dezember 2012 insgesamt 20.265,10 Euro als Vorabvergütungen,

wobei sie für die Beklagte einen Betrag von 4.878,91 Euro als Abgeltungssteuer an das Finanzamt abführte.

Nachdem die GmbH am 23. Januar 2014 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte, wurde am 18. März 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Dieser forderte die Beklagte mit Schreiben vom 5. September 2014 auf, die erhaltenen Vorabvergütungen einschließlich der abgeführten Abgeltungssteuer in Höhe von 20.265,10 Euro zu erstatten.

Da die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob der Kläger Klage auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen.

Das Landgericht Osnabrück gab der Klage statt, und das Oberlandesgericht Oldenburg wies die Berufung der Beklagten zurück.

Die Revision der Beklagten vor dem BGH hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe des BGH:

Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage des Insolvenzverwalters ab.

Er begründete seine Entscheidung maßgeblich damit, dass die an die Beklagte geleisteten Zahlungen keine unentgeltlichen Leistungen im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO darstellen.

Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass die Zahlungen unentgeltlich gewesen seien, da die Beklagte nach den Gesellschaftsverträgen

keinen festen, von den Geschäftsergebnissen unabhängigen Vergütungsanspruch gehabt habe.

Es interpretierte § 3 des Gesellschaftsvertrags lediglich als Regelung einer Vorauszahlung auf zukünftige Gewinne und sah in § 4 die maßgebliche Regelung zur Gewinn- und Verlustbeteiligung.

Da die GmbH seit 2001 keine Gewinne mehr erwirtschaftet habe, sei die Beklagte zur Rückzahlung der Vorabvergütungen verpflichtet.

Der BGH widersprach dieser Auffassung.

Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbH

Er stellte fest, dass eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO vorliegt, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden ohne eine entsprechende Gegenleistung des Empfängers aufgegeben wird.

Eine Leistung ist jedoch entgeltlich, wenn dem Schuldner ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich seiner Leistung zusteht oder

wenn die Vermögensverlagerung auf vertraglicher Grundlage erfolgt und ein Rückforderungsanspruch des Schuldners besteht.

Der BGH führte aus, dass Zahlungen an einen stillen Gesellschafter, die auf dessen Gewinnbeteiligung gemäß §§ 231, 232 HGB beruhen, entgeltlich sind, soweit ein entsprechender Gewinn tatsächlich erzielt

wurde oder der Gesellschaft bei Überzahlungen bereicherungsrechtliche oder vertragliche Rückzahlungsansprüche zustehen.

Zahlungen auf Scheingewinne seien hingegen unentgeltlich, wenn der Schuldner wusste, dass kein Anspruch auf Gewinnausschüttung bestand.

Der entscheidende Punkt in der BGH-Entscheidung war jedoch die Zulässigkeit von Zahlungen an stille Gesellschafter

auch dann, wenn keine Gewinne erzielt werden, sofern der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht.

Solche Ausschüttungen können als feste Verzinsung der Einlage oder als garantierte Mindesttantieme vereinbart werden und gehen letztlich zulasten des Kapitals.

Der BGH stellte klar, dass diese Zahlungen entgeltlich sind, wenn sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage darstellen.

Im vorliegenden Fall interpretierte der BGH § 3 des Gesellschaftsvertrags als einen Anspruch auf eine garantierte, gewinn- und verlustunabhängige jährliche Mindestverzinsung der Einlage der stillen Gesellschafter.

Diese Auslegung stützte er auf mehrere Indizien:

Die Überschrift „Vergütung“ deutet auf eine Gegenleistung hin.

Die Vereinbarung fester Zinssätze für die Vorabvergütung spricht für eine gewinnunabhängige Zahlung.

Die unterschiedlichen Zinssätze je nach Zeitpunkt der Einlage hätten bei einem bloßen Gewinnvorschuss keinen Grund.

Die Bezeichnung „Vorabvergütung“ anstelle von „Vorabgewinn“ impliziert einen von einem tatsächlichen Gewinn unabhängigen Anspruch.

Die gesonderte Regelung der Gewinn- und Verlustverteilung in § 4 des Gesellschaftsvertrags und die Bestimmung,

dass die Vorabvergütungen bei der Bemessungsgrundlage für die Gewinn- und Verlustverteilung abzuziehen sind, bestätigen die Eigenständigkeit des Zinsanspruchs.

Die unterschiedliche Behandlung der stillen Gesellschafter aufgrund der variierenden Zinssätze wäre bei einem reinen Gewinnvorschuss nicht nachvollziehbar.

Beteiligung der stillen Gesellschafter an einer GmbH

Der BGH betonte, dass er den Formularvertrag über die stille Beteiligung selbst auslegen könne, da es sich um von der Schuldnerin vorformulierte Vertragsbedingungen handelte, die über den Bezirk des

Berufungsgerichts hinaus verwendet wurden und daher einer objektiven Auslegung und Inhaltskontrolle ähnlich Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen.

Weiterhin stellte der BGH fest, dass der Beitritt der Beklagten zur stillen Gesellschaft wirksam war, auch wenn die Schuldnerin ein Schneeballsystem betrieb.

Nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft wird eine in Vollzug gesetzte Gesellschaft trotz eines Fehlers im Gründungsakt als wirksam behandelt.

Ausnahmen von diesem Grundsatz lägen hier nicht vor, da der Gesellschaftsvertrag und der Gesellschafterbeitritt nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB waren.

Sittenwidrig war die tatsächliche Finanzierungsmethode der Schuldnerin, nicht aber die vereinbarte stille Beteiligung mit der gutgläubigen Beklagten.

Auch die versprochene gewinnunabhängige Verzinsung der Einlage war nicht sittenwidrig.

Schließlich sah der BGH auch keine Verletzung von Treuepflichten der Beklagten darin, ihre Ansprüche auf Vorabvergütung geltend zu machen.

Treuepflichten eines stillen Gesellschafters in einer zweigliedrigen stillen Gesellschaft bestehen gegenüber dem Inhaber des Handelsgeschäfts, nicht gegenüber anderen stillen Gesellschaftern.

Angesichts des betrügerischen Schneeballsystems der Schuldnerin war die Beklagte nicht verpflichtet, auf ihre garantierten Zinsansprüche zu verzichten.

Da die Zahlungen der GmbH an die Beklagte somit entgeltliche Leistungen darstellten, waren die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO nicht erfüllt.

Ebenso bestanden keine Rückzahlungsansprüche des Insolvenzverwalters gegen die Beklagte.

Aus diesen Gründen wies der BGH die Klage des Insolvenzverwalters ab.

Das Urteil des BGH stellt klar, dass gewinnunabhängige Zahlungsversprechen an stille Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich zulässig sind

und im Falle der Insolvenz des Unternehmens nicht automatisch als unentgeltliche Leistungen anfechtbar sind.

Entscheidend ist, dass diese Zahlungen als Gegenleistung für die erbrachte Einlage des stillen Gesellschafters anzusehen sind.

Die Auslegung des Gesellschaftsvertrags spielt dabei eine zentrale Rolle, wobei insbesondere die Formulierungen und der Gesamtzusammenhang der Bestimmungen berücksichtigt werden müssen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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