BAG 3 AZR 618/19

Mai 28, 2021

Betriebliche Altersversorgung – allgemeiner Gleichheitssatz – BAG Urteil vom 23.2.2021 – 3 AZR 618/19

Von RA und Notar Krau

Hintergrund

Der Kläger, ein Mitarbeiter der Beklagten (ehemals L GmbH), streitet um die Berechnung seiner Betriebsrente für den Zeitraum vom 1. Mai 2002 bis 31. Dezember 2015.

Der Kläger war seit dem 1. Mai 2002 bei der Beklagten tätig, wobei ein Teilzeitvertrag mit einem Mindestumfang von 40 Stunden pro Monat geschlossen wurde.

Tatsächlich arbeitete er jedoch regelmäßig weit über dieses vereinbarte Stundenvolumen hinaus.

Rechtsstreit

Der Kläger forderte, dass bei der Berechnung seiner Betriebsrente nicht nur die vereinbarte Grundarbeitszeit von 40 Stunden, sondern die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bis zu einem Vollzeitäquivalent berücksichtigt werden.

Die Beklagte berechnete die Rentenbausteine jedoch nur auf Basis der vertraglich vereinbarten 40 Stunden.

Arbeitsverträge und Tarifregelungen

Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses galten verschiedene Tarifverträge, insbesondere der „Manteltarifvertrag Nr. 2 für Mitarbeiter der LSG mit Verträgen zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall“ (MTV Nr. 2) und der „Vergütungs- und Eingruppierungstarifvertrag Nr. 3“ (VE TV Nr. 3).

Diese Tarifverträge bestimmten die Arbeitszeiten, die Vergütung und die Krankheits- sowie Urlaubsregelungen.

Betriebliche Altersversorgung – allgemeiner Gleichheitssatz – BAG Urteil vom 23.2.2021 – 3 AZR 618/19

Für die Berechnung der Betriebsrente war der „Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Bodenpersonal“ (TV LH BRB) maßgeblich, welcher das rentenfähige Einkommen auf die Grundvergütung begrenzte.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage des Klägers ab.

Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass der Kläger keine Anspruch auf eine Betriebsrente basierend auf den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden hat, sondern nur auf Basis der vertraglich vereinbarten 40 Stunden.

Revision und Urteil des BAG

Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und entschied zugunsten des Klägers.

Es stellte fest, dass die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV LH BRB gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, indem sie nur die vereinbarte Grundarbeitszeit als rentenfähiges Einkommen berücksichtigt und nicht die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.

Dies führt zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern „auf Abruf“ im Vergleich zu Vollzeitarbeitnehmern.

Begründung des BAG

Gleichheitsgrundsatz:

Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, dass vergleichbare Arbeitnehmergruppen gleich behandelt werden, es sei denn, es gibt sachlich gerechtfertigte Gründe für eine Differenzierung.

Betriebliche Altersversorgung – allgemeiner Gleichheitssatz – BAG Urteil vom 23.2.2021 – 3 AZR 618/19

Im vorliegenden Fall gibt es keine sachlich gerechtfertigten Gründe, die es rechtfertigen würden, die tatsächlich geleisteten Stunden des Klägers bei der Berechnung der Betriebsrente unberücksichtigt zu lassen.

Versorgungszweck:

Betriebliche Altersversorgung hat sowohl Entgelt- als auch Versorgungscharakter.

Sie ist eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung und soll die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer im Alter verbessern.

Die tatsächliche Arbeitsleistung des Klägers, die regelmäßig über die vertraglich vereinbarten 40 Stunden hinausging, prägt seinen Lebensstandard und muss daher bei der Berechnung der Betriebsrente berücksichtigt werden.

Typisierung und Generalisierung:

Auch wenn Tarifvertragsparteien bei der Gestaltung von Regelungen typisieren und generalisieren dürfen, darf dies nicht zu systemwidrigen und schwerwiegenden Ungerechtigkeiten führen.

Im vorliegenden Fall wird durch die Nichtberücksichtigung der zusätzlichen Arbeitsstunden des Klägers eine solche Ungerechtigkeit geschaffen.

Folgerungen und Auswirkungen

Das BAG stellte fest, dass die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV LH BRB teilnichtig ist, soweit sie Arbeitnehmer „auf Abruf“ benachteiligt, die regelmäßig und verstetigt über ihre vertragliche Grundarbeitszeit hinaus arbeiten.

Dem Kläger steht daher eine Berechnung seiner Betriebsrente auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, begrenzt auf die regelmäßigen Vollzeitstunden, zu.

Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung von Teilzeit- und Abrufarbeitnehmern, da es die Einhaltung des allgemeinen Gleichheitssatzes bei der Berechnung der Betriebsrente fordert und eine Gleichbehandlung mit Vollzeitarbeitnehmern sicherstellt.

Arbeitgeber und Tarifvertragsparteien müssen ihre Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung entsprechend anpassen, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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