Beweiskraft einer geänderten notariellen Urkunde
Gerne fasse ich den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 18.12.2013 (Az. 3 Wx 72/13) zusammen.
Der Fall drehte sich um die Wirksamkeit eines notariellen Erbvertrages, der eine handschriftliche Änderung enthielt, die nicht vom Notar zusätzlich abgezeichnet oder vermerkt wurde.
Ein Ehepaar schloss 1984 einen Erbvertrag. Sie setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein.
Schlusserbe des Längstlebenden sollte ihr einziger Sohn S. sein. Sollte S. vor dem Längstlebenden wegfallen (was später geschah), sollten seine Kinder (die Enkel, hier die Beteiligten zu 1 und 2) an seine Stelle treten.
Der Erbvertrag enthielt eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel (Klausel zum Pflichtteil). Die Klausel sah ursprünglich vor: Wenn einer der Abkömmlinge beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil forderte, sollte er auch vom Längstlebenden nur den Pflichtteil erhalten, und der Längstlebende sollte frei über seinen Nachlass verfügen können (also vom Erbvertrag abweichen können).
Diese Klausel wurde in der notariellen Urkunde handschriftlich geändert. Es wurde klargestellt, dass die Regelung, die den Längstlebenden zur freien Verfügung berechtigen würde, nur gelten sollte, wenn der Sohn S. selbst den Pflichtteil forderte.
Der Sohn S. starb vor seinen Eltern. Seine Mutter (die Ehefrau des Erblassers) starb zuerst.
Nach dem Tod der Mutter machten die Kinder des S. (die Enkel, Beteiligte zu 1 und 2) ihren Pflichtteil geltend.
Nach Abwicklung des Pflichtteilsanspruchs erstellte der überlebende Ehemann (der Erblasser) ein handschriftliches Testament, in dem er seinen Nachlass zu gleichen Teilen unter den Enkeln (Beteiligte zu 1 und 2) und seiner Schwägerin (Beteiligte zu 3) aufteilte.
Die Enkel (Beteiligte zu 1 und 2) beantragten einen Erbschein als Alleinerben aufgrund des Erbvertrages. Sie argumentierten, der Erblasser sei durch den Erbvertrag gebunden gewesen, weil die Bedingung für seine freie Verfügungsbefugnis (dass S. selbst den Pflichtteil fordert) nicht eingetreten sei.
Die Schwägerin (Beteiligte zu 3) argumentierte, der Erblasser sei durch das Geltendmachen des Pflichtteils durch die Enkel von der Bindung befreit gewesen und das handschriftliche Testament sei wirksam. Sie stellte die handschriftliche Änderung im Erbvertrag infrage, da der Notar sie nicht explizit abgezeichnet hatte.
Das OLG Düsseldorf gab den Enkeln (Beteiligte zu 1 und 2) recht und bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts.
Das Gericht stellte klar, dass eine handschriftliche Änderung in einer notariellen Urkunde, die sich auf den Inhalt der Erklärung auswirkt, eigentlich einen zusätzlichen Vermerk oder eine Unterschrift des Notars erfordert.
Fehlt dieser Vermerk oder die Unterschrift, führt das nicht zur Unwirksamkeit der gesamten notariellen Beurkundung.
Allerdings entfällt für diese fehlerhaften Änderungen die besondere Beweiskraft der notariellen Urkunde (§415 Abs. 1 ZPO). Die Urkunde muss in diesem Fall insgesamt frei gewürdigt werden.
Das Gericht sah in dem Fehlen eines Notarvermerks keinen Hinweis auf eine Fälschung. Es sah keine plausiblen Anhaltspunkte, dass die Änderung nachträglich ohne den Willen der Eheleute eingefügt wurde. Es ging davon aus, dass die Änderung von den Eheleuten gewollt und veranlasst wurde.
Da die handschriftliche Änderung, die die freie Verfügungsbefugnis des Erblassers auf den Fall beschränkte, dass Sohn S. selbst den Pflichtteil fordert, als gewollt und wirksam angesehen wurde, war der Erblasser gebunden.
Die Bedingung für die freie Verfügungsbefugnis (S. fordert den Pflichtteil) war nicht erfüllt.
Der Umstand, dass die Enkel nach dem Tod ihrer Großmutter den Pflichtteil gefordert hatten, reichte nicht aus, um den Erblasser von der Bindung zu befreien.
Auch die Tatsache, dass der Erbvertrag nach dem Tod des Sohnes S. nicht geändert wurde, sprach nicht gegen die Bindungswirkung. Der Vertrag sah gerade vor, dass die Enkel an die Stelle von S. treten sollten.
Das OLG Düsseldorf entschied, dass die Enkelkinder (Beteiligte zu 1 und 2) aufgrund des notariellen Erbvertrages die alleinigen Erben zu je ½ sind. Der Erblasser war durch den Erbvertrag gebunden und durfte das spätere handschriftliche Testament nicht errichten. Die Beschwerde der Schwägerin (Beteiligte zu 3) wurde zurückgewiesen.
Handschriftliche Änderungen in notariellen Urkunden sollten unbedingt vom Notar zusätzlich abgezeichnet oder vermerkt werden.
Fehlt dies, wird die Urkunde zwar nicht ungültig, verliert aber ihre besondere Beweiskraft, und der Inhalt muss im Zweifel von einem Gericht frei bewertet werden.
Im konkreten Fall konnte das Gericht aber trotzdem feststellen, dass die Änderung dem Willen der Vertragschließenden entsprach und damit wirksam war.
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