Beweiskraft einer Quittung

August 19, 2017

Beweiskraft einer Quittung: Entkräftung des Beweiswerts von Quittungen über die Darlehensrückzahlung eines als Alleinerben eingesetzten Kindes des Erblassers

Brandenburgisches OLG 4 U 88/13

RA und Notar Krau

Die Klägerin verlangte von ihrem Bruder, dem Beklagten, als Alleinerben ihres Vaters, die Zahlung des Pflichtteils.

Der Beklagte behauptete, er habe bereits zu Lebzeiten des Vaters ein Darlehen in Höhe von 167.000 DM zurückgezahlt.

Zum Beweis legte er Quittungen in Form von Jahresaufstellungen vor, die von seinen Eltern unterschrieben worden sein sollen.

Die Klägerin bestritt die Rückzahlung und die Echtheit der Unterschriften.

Rechtliche Würdigung:

Beweiskraft einer Quittung

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg bestätigte das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), welches der Klägerin einen Pflichtteilsanspruch zugesprochen hatte.

1. Echtheit der Unterschriften

Zwar konnte davon ausgegangen werden, dass die Unterschriften der Eltern auf den Quittungen echt waren.

Ein Sachverständiger hatte die Echtheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% bzw. 90% bestätigt.

2. Beweiskraft der Quittungen

Die Beweiskraft der Quittungen reichte jedoch nicht aus, um die tatsächliche Darlehensrückzahlung zu beweisen.

  • Quittungen als Indiz: Quittungen stellen lediglich ein außergerichtliches Geständnis über den Empfang einer Leistung dar und haben daher nur Indizwirkung. Ihre Beweiskraft hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann durch Gegenbeweise entkräftet werden.

Beweiskraft einer Quittung

  • Mängel der Quittungen:

    • Nachträglich hinzugefügte Ziffern bei den Beträgen
    • Durchdruckspuren, die auf eine stapelweise Fertigung der Quittungen hindeuteten
    • Auffällig „homogen“ gefertigte Unterschriften

Diese Mängel ließen Zweifel daran aufkommen, ob die quittierten Zahlungen tatsächlich erfolgt waren.

  • Widersprüchliche Angaben des Beklagten: Die Angaben des Beklagten zur Entstehung der Quittungen standen im Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen.

  • Ungeklärter Verbleib des Geldes: Der Beklagte konnte nicht plausibel erklären, wofür der Erblasser die angeblich erhaltenen Barmittel verwendet hatte.

3. Aussage der Ehefrau des Beklagten

Auch die Aussage der Ehefrau des Beklagten konnte die Darlehensrückzahlung nicht beweisen.

Ihre Aussage war nicht glaubhaft, da sie im Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen stand.

4. Wert des E-Mobils

Das Landgericht hatte den Wert eines E-Mobils im Nachlass auf 4.000 Euro geschätzt.

Diese Schätzung war zulässig, da der Aufwand für ein Sachverständigengutachten in keinem Verhältnis zur Bedeutung der zwischen den Parteien streitigen Wertdifferenz stand.

Beweiskraft einer Quittung

5. Nachlassverbindlichkeiten

Das Landgericht hatte zu Recht keine Nachlassverbindlichkeiten vom Nachlass abgezogen.

Die Beerdigungskosten waren bereits durch die Schwester der Parteien beglichen worden.

Weitere Verbindlichkeiten hatte der Beklagte nicht ausreichend dargelegt.

Ergebnis:

Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Die Klägerin hatte Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Das Urteil verdeutlicht die Grenzen der Beweiskraft von Quittungen.
  • Quittungen allein reichen in der Regel nicht aus, um den Beweis für eine Zahlung zu erbringen.
  • Mängel der Quittungen und widersprüchliche Angaben des Zahlungsempfängers können die Beweiskraft der Quittungen erschüttern.
  • Im Streitfall war entscheidend, dass der Beklagte den Verbleib der angeblich gezahlten Gelder nicht plausibel erklären konnte.

Wichtige rechtliche Grundlagen:

  • § 2303 BGB (Pflichtteilsrecht)
  • § 2311 BGB (Berechnung des Pflichtteils)
  • § 362 BGB (Erfüllung)
  • § 416 ZPO (Urkundenbeweis)
  • § 419 ZPO (Mängel der Urkunde)
  • § 286 ZPO (Freie Beweiswürdigung)
  • § 529 ZPO (Bindungswirkung von Tatsachenfeststellungen)
RA und Notar Krau

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