Beweislast bei angeblich vorsätzlicher Fehlberatung
BGH, Urt. v. 19. 7. 2011 − VI ZR 367/09
Die Frage, wer in einem Gerichtsverfahren beweisen muss, dass eine Fehlberatung stattgefunden hat und dadurch ein Schaden entstanden ist, spielt eine entscheidende Rolle. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil (VI ZR 367/09) die Grundsätze der Beweislast bei einer Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, insbesondere wegen Eingehungsbetrugs (§823 II BGB i.V.m. §263 StGB), bekräftigt.
Im konkreten Fall klagte eine Franchisenehmerin (Klägerin) gegen die Franchisegeberin und deren Geschäftsführer (Beklagter) auf Schadensersatz. Die Klägerin hatte einen Vertrag zur Errichtung eines Geschäfts zur Wiederbefüllung von Druckerpatronen geschlossen und dafür eine Einstiegsgebühr von 25.000 Euro gezahlt. Grundlage der Entscheidung war unter anderem ein Businessplan mit einer Umsatzprognose, die sich auf angebliche Erfahrungswerte eines Pilotshops stützte.
Die Umsätze des Pilotshops waren tatsächlich deutlich niedriger als angenommen, was die Klägerin in ihrer Klage als fehlerhafte, irreführende Beratung und sogar als Betrug wertete, da sie ohne die optimistischen Zahlen den Vertrag nicht geschlossen hätte. Das Berufungsgericht hatte dem Geschäftsführer (Beklagten) die Beweislast dafür auferlegt, dass er die Klägerin über die sinkenden Umsätze aufgeklärt hatte – und ihn verurteilt, da ihm der Beweis nicht gelang.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Er beanstandete im Wesentlichen zwei Punkte:
Der wichtigste Punkt ist die Klärung der Beweislast:
Wer sich auf eine deliktische Haftung (hier § 823 II BGB i.V.m. §263 StGB – Betrug) stützt, muss alle Tatbestandsmerkmale dieses Schutzgesetzes darlegen und beweisen.
Zwischen den Parteien bestand kein Beratungsvertrag. Die Beklagte war gegenüber dem Kläger nicht zur Beratung verpflichtet – sie wollte ihm vielmehr eine Leistung verkaufen. Daher blieb für den Kläger nur der Weg über die deliktische Haftung. Daher musste der Kläger beweisen, dass ihn die Beklagte regelrecht betrogen hatte. Das aber ist dem Kläger nach Ansicht des BGH bis dato nicht gelungen. Daher hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhaltes an das Berufungsgericht zurück.
Derjenige, der die Verletzung einer Aufklärungs- oder Beratungspflicht behauptet (die Klägerin), trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie durch eine Täuschung (die falschen Umsatzzahlen) zum Vertragsschluss bestimmt wurde und sich noch im Irrtum befand.
Die Klägerin musste beweisen, dass sie getäuscht wurde und deshalb irrte. Das Berufungsgericht hatte fälschlicherweise dem Beklagten die Beweislast dafür auferlegt, dass er die Klägerin aufgeklärt hatte.
Wenn der Beklagte behauptet, er habe aufgeklärt, muss der Kläger beweisen, dass diese Darstellung unzutreffend ist. Kann sich das Gericht nicht von der Wahrheit der Aufklärung überzeugen, geht das zu Lasten des Klägers (der beweisbelasteten Partei), nicht zu Lasten des Beklagten.
Das Berufungsgericht war fälschlich von dem allgemeinen zivilprozessualen Grundsatz ausgegangen: „Wer etwas ihm Günstiges behauptet (hier der Beklagte die angebliche Aufklärung), der muss es auch beweisen.“ Das Berufungsgericht vernachlässigte aber, dass der Kläger hier dem Beklagten eine vorsätzliche Täuschung nachweisen musste. Daher wird der Kläger beweisen müssen, dass er nicht aufgeklärt wurde und dass Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig waren.
Der BGH rügte zudem, dass das Berufungsgericht den Vermögensschaden (beim sogenannten Eingehungsbetrug) und den Betrugsvorsatz (Absicht) des Beklagten nicht ausreichend geprüft hatte:
Ein Schaden liegt beim Vertragsabschluss nur vor, wenn die Leistung des Getäuschten (die Franchisegebühr) und die Gegenleistung des Täuschenden (das eingerichtete Franchise-System) wirtschaftlich nicht gleichwertig sind. Das hätte das Gericht prüfen müssen.
Für Betrugsvorsatz (Absicht) genügt nicht die bloße Möglichkeit eines Verlusts für den Vertragspartner. Der Täuschende muss ernsthaft mit wirtschaftlichen Nachteilen für den anderen rechnen. Die wirtschaftliche Betätigung der Klägerin war auch von ihrem eigenen Geschick abhängig.
Im Falle einer Klage wegen Betrugs durch fehlerhafte Beratung muss die geschädigte Person (der Kläger) beweisen:
Die Täuschung: Dass falsche Tatsachen vorgespiegelt oder wichtige Informationen verschwiegen wurden.
Den Irrtum: Dass sie dadurch einem Irrtum unterlag.
Die Kausalität: Dass dieser Irrtum sie zum Vertragsschluss (Vermögensverfügung) bewegte.
Den Schaden: Dass durch den Vertragsschluss ein wirtschaftlicher Schaden entstand (die Leistung war die Gegenleistung nicht wert).
Dass der Berater vorsätzlich (mit Absicht) handelte, um dem Kläger einen Schaden zuzufügen und sich oder dem Franchisegeber einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen.
Die Beweislast für die Täuschung (also auch dafür, dass eine behauptete Aufklärung nicht stattfand) verbleibt grundsätzlich beim Kläger. Kann das Gericht nicht feststellen, ob eine Aufklärung erfolgte oder nicht, kann es den Beklagten nicht wegen vorsätzlicher Falschberatung verurteilen.
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