Bewertung Nießbrauch und Wohnrecht – Es gilt die Sterbetafel

April 11, 2025

Bewertung Nießbrauch und Wohnrecht – Es gilt die Sterbetafel

Bundesfinanzhof Urteil vom 20.22.2024, Az. II R 38/22

RA und Notar Krau

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Verwendung unterschiedlicher Lebenserwartungen für Männer und Frauen

bei der Berechnung der Schenkungsteuer nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 GG) verstößt.

Konkret wies das Gericht die Klage von Kindern ab, die die Berechnung der Schenkungssteuer auf Anteile an der GmbH ihres Vaters beanstandeten.

Der Vater hatte sich bei der Schenkung im Jahr 2014 ein lebenslanges Nießbrauchrecht vorbehalten.

Das Finanzamt hatte bei der Berechnung der Steuerlast die sogenannte Sterbetafel für Männer herangezogen, da der Vater zum Zeitpunkt der Schenkung 74 Jahre alt war.

Sterbetafeln sind statistische Tabellen, die die voraussichtliche Lebenserwartung von Personen eines bestimmten Jahrgangs angeben.

Im Fall des Vaters ergab die maßgebliche Sterbetafel eine statistische Restlebensdauer von etwa achteinhalb Jahren.

Auf dieser Grundlage wurde ein Betrag von rund 345.000 Euro vom Wert der geschenkten Firmenanteile abgezogen,

da die Kinder aufgrund des Nießbrauchsrechts des Vaters nicht uneingeschränkt über diese verfügen konnten.

Bewertung Nießbrauch und Wohnrecht – Es gilt die Sterbetafel

Dieser Abzug minderte die zu versteuernde Schenkungssumme.

Die Kinder des Vaters waren jedoch der Ansicht, dass dieser Abzug zu niedrig sei.

Sie argumentierten, dass die Verwendung einer geschlechtsspezifischen Sterbetafel

für Männer gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße.

Ihr Ziel war es, einen höheren Steuerabzug zu erreichen.

Sie argumentierten, dass bei der Bildung eines Einheitswertes aus den Lebenserwartungen von Männern und Frauen ein höherer Mittelwert resultieren würde

als die für den 74-jährigen Vater angesetzten achteinhalb Jahre.

Eine rechnerisch längere Lebenserwartung des Vaters hätte zu einem höheren Kapitalwert des Nießbrauchsrechts und somit zu einem höheren Steuerabzug geführt.

Sowohl das Finanzgericht Köln in erster Instanz als auch nun der II. Senat des BFH wiesen die Klage der Kinder ab.

Der BFH urteilte, dass die Verwendung nach Geschlecht getrennter Sterbetafeln bei der Berechnung der Erbschafts- und Schenkungsteuer zulässig ist.

Die Richter stellten fest, dass dies weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), der die Gleichbehandlung von Gleichem fordert,

noch gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG), das Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts untersagt, verstoße.

In seiner Urteilsbegründung führte der BFH aus, dass die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen eine biologische Realität darstellt,

die sich in den statistischen Daten der Sterbetafeln widerspiegelt.

Die Verwendung dieser Daten bei der Bewertung von Rechten und Lasten, die von der Lebensdauer einer Person abhängen – wie im Falle des Nießbrauchsrechts –,

sei sachgerecht und diene der realitätsnahen Abbildung des wirtschaftlichen Werts.

Es liege keine willkürliche Benachteiligung eines Geschlechts vor, da die unterschiedlichen Tabellen die tatsächlichen Unterschiede in der Lebenserwartung widerspiegelten.

Obwohl es in dem konkreten Fall um die Schenkungsteuer ging, hätte eine anderslautende Entscheidung des BFH weitreichende Konsequenzen

für zahlreiche Bereiche haben können, in denen die Lebenserwartung eine Rolle spielt.

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Dazu gehören beispielsweise die Berechnung von Beiträgen und Leistungen in der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung.

Eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit geschlechtsspezifischer Sterbetafeln hätte hier zu einer grundlegenden Überprüfung der Berechnungsgrundlagen führen können.

Die Entscheidung des BFH schafft insofern Rechtssicherheit für die Finanzverwaltung und andere Institutionen, die auf diese statistischen Daten angewiesen sind.

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